Bundestags-Gutachten: Kein Rettungsverbot in libyischer Rettungszone

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Ein Merkposten für die künftige Arbeit auch der Deutschen Marine in der Operation Sophia vor Libyen: Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages bedeutet die von Libyen ausgerufene SAR-Zone (Search and Rescue, Suchen und Retten) vor der Küste des nordafrikansichen Landes keineswegs, dass damit ausländischen Helfern ihre Aktivitäten zur Rettung von in Seenot geratenen Personen in dieser Zone, die über die Territorialgewässer Libyens weit hinausreicht, etwa verboten wäre.

Über das Gutachten haben am (heutigen) Montag bereits mehrere Medien berichtet; ich empfehle einen Blick ins Original:

Die Grenze des Küstenmeeres markiert die unveränderliche Staatsgrenze des Küstenstaates. Die Einrichtung einer SAR-Zone hat keinerlei Auswirkungen auf die Staatsgrenzen im Meer.
(…)
SAR-Zone jenseits des Küstenmeeres
Vergleichsweise eindeutig stellt sich dagegen die Rechtslage in den Gewässern jenseits des Küstenmeeres dar. In der sog. Anschlusszone kann der Küstenstaat lediglich gewisse
Kontrollrechte ausüben, um Verstöße gegen Einreise-, Steuer- oder Gesundheitsgesetze in seinem Hoheitsgebiet zu verhindern. Die Behinderung von Seenotrettungsoperationen fällt nicht darunter. Keine einschlägigen Regelungen enthält das Regime über die ausschließliche Wirtschaftszone (Art. 55 ff. SRÜ). Schiffe unter ausländischer Flagge – darunter also auch solche privater Seenotrettungsorganisationen – können sich daher jenseits des Küstenmeeres auf den Grundsatz der Freiheit der Hohen See berufen (Art. 58 Abs. 1, 87 Abs. 1 a) und 90 SRÜ). Hier erscheint auch das Patrouillieren von Seenotrettungsschiffen zweifellos zulässig.
Das Recht auf freie Schifffahrt gilt auch für eine SAR-Zone jenseits des Küstenmeeres. Eine Beeinträchtigung dieses Rechts, z.B. durch Reglementierung der Einfahrt in die Gewässer der SAR-Zone, womöglich unter Androhung / Anwendung von Zwangsmitteln, stellt einen Verstoß gegen das Seevölkerrecht dar. Solche Zwangsbefugnisse ergeben sich
weder aus dem SRÜ noch aus der SAR-Konvention. Das SAR-Regime trifft im Wesentlichen operative Vorkehrungen im Bereich von Planung, Organisation, Ausbildung, Informationsaustausch und Koordinierung, um Seenotrettungsoperationen zu steuern und zu optimieren.

Das könnte zum Beispiel deshalb von Bedeutung werden, wenn die so genannte – und von der EU finanziell unterstützte – libysche Küstenwache mit Gewalt gegen Hilfsorganisationen vorgeht, die in der SAR-Zone, aber außerhalb der Hoheitsgewässer Libyens in Seenot geratene Personen retten wollen.

Ich hatte bereits vor Wochen versucht, das Auswärtige Amt zu fragen, welche Vorkehrungen es für einen solchen Fall zum Schutz deutscher Staatsbürger auf diesen Schiffen von Hilfsorganisationen plant, aber keine Antwort erhalten. Vielleicht stellt sich diese Frage aber dann auch an die Bundeswehr, der derzeit mit der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern als Teil der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) in der Region unterwegs ist und Ende August in Zusammenarbeit mit der Organisation Open Arms Menschen aus dem Meer gerettet hat.

(Hier ist nicht der Ort für die Grundsatzdebatte über deutsche und europäische Fllüchtlings- und Migrationspolitik; es geht um Einsätze der Bundeswehr – bitte das bei den Kommentaren berücksichtigen.)

(Archivbild: Fregatte Schleswig-Holstein unterstützt drei italienische Patrouillenboote, die mehrere Boote mit Flüchtlingen am 31.07.2015 gerettet haben – Bundeswehr/Norman Wald)