Gastbeitrag: Tradition in der Bundeswehr? Fragt die Soldaten.
In der laufenden Debatte über die Tradition der Bundeswehr, was sie ausmacht, ob und wie Soldaten auch der Wehrmacht (nicht die Wehrmacht selbst) eine Rolle spielen dürfen, haben sich bereits etliche Generale a.D. zu Wort gemeldet. Dennoch stelle ich hier als Gastbeitrag eine weitere Wortmeldung eines Generals a.D. ein.
Aus Gründen: Helge Hansen, in den 1990-er Jahren Heeresinspekteur und danach als deutscher Vier-Sterne-General Kommandeur in Brunssum (damals als Befehlshaber Allied Forces Central Europe; heute ist es das Joint Forces Command) hat für die Traditionspflege der Bundeswehr einen interessanten Ansatz. Kurz gefasst: Fragt die Soldaten, die in dem fast einem Vierteljahrhundert der Auslandseinsätze Kameraden erlebt haben, die Vorbild sein könnten. Und verordnet nicht vom Grünen Tisch eine Traditionslinie, die für die Truppe abstrakt bleibt.
Ich bin mir bewusst, dass Hansen mit seiner Sicht der Würdigung des Wehrmachts-Feldwebels Diedrich Lilienthal, nach dem eine Kaserne in Delmenhorst benannt ist, auch Widerspruch provozieren dürfte. Auch seine Einschätzung der jüngsten Handlungsweisen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird vermutlich sehr unterschiedlich gesehen. Das Entscheidende an Hansens Argumentation ist aber, dass er für einen bottom up-Ansatz bei der Neuregelung der Traditionslinien der Bundeswehr plädiert.
Sein Text im Wortlaut:
Nach Bekanntwerden der Aktivitäten des „Oberleutnant A.“, fragwürdiger Aufnahmerituale in einem Truppenteil und scheinbarem Fehlverhalten in der Sanitätsausbildung hat die Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen, in einer ersten Reaktion öffentlich und mehr oder weniger pauschal einen falschen Korpsgeist und einen Mangel an Führung in den Streitkräften festgestellt. Damit hat sie sich als verantwortliche Inhaberin der Befehls-und Kommandogewalt über die Streitkräfte von diesen distanziert – ein bisher beispielloser, öffentlich bekundeter Vertrauensentzug.
Sie hat zwar kurz darauf ihr Bedauern über diese ihre Einlassungen geäußert. Gleichwohl ist durch ihr spontanes Handeln ein ihr offenbar eigener Denk-und Handlungsansatz des pauschalen und spontanen Entzugs des Vertrauens in die militärische Führung und in die geistige Ausrichtung unserer Streitkräfte deutlich geworden.
Sehr viel gravierender sind für mich jedoch die Auswirkungen der von ihr in der Folge veranlassten Maßnahmen: Die Umstände der „Säuberung“ der Kasernen von „Wehrmacht-Devotionalien“ mit einem geradezu kümmerlichen Ergebnis, die Entfernung des Bildes des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform in der Universität seines Namens in Hamburg, inzwischen wieder zurück, aber auch hier vorschnell gehandelt, und weitere „Sofortmaßnahmen“ mit dem offenkundigen Ziel, Handlungsstärke und hartes Durchgreifen zu demonstrieren; und zwar im Blick nach außen für die Öffentlichkeit, jedoch mit negativen Folgen nach innen: Sichtbarer Ausdruck des Misstrauens in die geistige Verfasstheit der Streitkräfte und von Handeln nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Ulrich de Maiziere, hat einmal darauf hingewiesen, dass jede Armee eine „Seele“ besitzt im Sinne ihres Selbstverständnisses, ihres Selbstwertgefühls. Es sei eine vorrangige Aufgabe der Führung, diese zu wahren und zu schützen, weil die Verletzung dieser „Seele“ schwerwiegende Folgen für die Kohäsion der Streitkräfte habe. Man kann dieses Phänomen auch ganz nüchtern als das „Innere Gefüge“ der Streitkräfte, im zivilen Umfeld als „Corporate Identity“ bezeichnen und es damit in den Kontext der Inneren Führung, das heißt einer zeitgemäßen Menschenführung stellen. Ihr eingangs erhobener genereller Vorwurf den Geist und die Führung der Streitkräfte betreffend war geeignet, das Selbstwertgefühl nachhaltig zu schädigen. Es wird deutlicher Zeichen der Ministerin bedürfen, um das Vertrauen in ihre Führung der Streitkräfte wieder herzustellen.
Frau von der Leyen hat veranlasst, dass der zur Zeit gültige Traditionserlass überprüft und überarbeitet wird, vermutlich mit dem Ziel, künftig eine veränderte, zeitgemäße Traditionspflege als Teil der Inneren Führung unserer Streitkräfte zu verankern. Es ist zu hoffen, dass sie nicht der Versuchung erliegt, quasi „top down“, dazu noch wissenschaftlich selektiert durch das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr , einen Traditionskatalog erarbeiten zu lassen. Dieser Ansatz der Aufarbeitung der Grundlagen einer zeitgemäßen Traditionspflege wäre aus meiner Sicht genau der falsche!
Immer wieder wird in der Diskussion um die Traditionspflege der Bundeswehr darauf hingewiesen, dass es eines Rückgriffes auf Personen oder Ereignisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges nicht bedarf, da die Bundeswehr in den mehr als 60 Jahren ihres Bestehens eigene Traditionen entwickelt habe. Frau Ministerin, welche bitte?
Stets kommt auf diese Frage der stereotype Hinweis auf die Preußischen Heeresreformen und den militärischen Widerstand im Dritten Reich. Es ist unstrittig, dass beide historischen Vorgänge zu den ethischen Grundlagen unserer Streitkräfte zählen, aber sie sagen einem jungen Soldaten im Einsatz in Afghanistan, im Kosovo oder in Mali wenig bis gar nichts, weil viel zu abstrakt. Sie genügen ganz offensichtlich nicht den emotionalen Bedürfnissen des jungen „Kämpfers“ oder der „Rettungssanitäterin“ im Einsatz auf deren Suche nach Beispielen, Richtpunkten für Mut, Tapferkeit und kameradschaftliches Eintreten angesichts der Gefahren für Leib und Leben. Es kann also nicht darum gehen, einen eventuellen „braunen Sumpf“ trocken zulegen, sondern vielmehr einem berechtigten und wichtigen Anliegen zu genügen.
Ich habe in den Siebzigerjahren als Bataillonskommandeur in der Feldwebel Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst Dienst getan, die zur Zeit noch seinen Namen trägt und hoffentlich behalten wird. Dieser Feldwebel hat im Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion, nachdem sein Kompaniechef gefallen war, im Alter von 23 Jahren die Kompanie übernommen und durch seinen Einsatz seine Einheit vor der Vernichtung bewahrt. Ich habe sein Handeln stets bei Gelöbnisfeiern für wehrpflichtige Soldaten unter Hinweis auf die Pflicht, „Recht und Freiheit tapfer zu verteidigen“, als beispielhaft hervorgehoben, ohne den Krieg zu verherrlichen oder dessen Völkerrechtswidrigkeit zu verschweigen.
Ich empfehle daher, ganz bewusst einen anderen, einen „bottom up“- Ansatz zu wählen: In einem strukturierten Prozess sollten aktive und ehemals aktive Soldatinnen und Soldaten aller Dienstgrade, die in Afghanistan, im Kosovo, in Mali oder anderen Einsatzgebieten der Streitkräfte Dienst getan haben, beispielhaftes Handeln sammeln, quasi als nachprüfbare Augenzeugenberichte, die die traditionswürdigen militärischen Tugenden verdeutlichen. Damit wäre der Ausgangspunkt für eine zeitgemäße Traditionspflege in unseren Streitkräften geschafft. Die Bundeswehr würde so eine in jeder Hinsicht „bedarfsgerechte“ und damit auch von unseren Soldaten akzeptierte Grundlage für eine praktische Traditionspflege erhalten. Dann müssen künftig nicht mehr neu zu benennende Kasernen mit nichtsagenden Landschaftsbezeichnungen versehen werden, nur um politisch korrekt zu sein, sondern können durch deren Namensgebung beispielhaftes militärisches Handeln in Erinnerung rufen und würdigen.
Kriterium für die Auswahl solcher Beispiele sollte die Erklärung des damaligen Verteidigungsministers, Volker Rühe, in einer Debatte zur Traditionspflege in der Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag sein: „Die Werteordnung des Grundgesetzes ist dafür Orientierungsrahmen. Ein solches Verständnis lässt Raum, vorbildliche soldatische Haltung und hervorragende militärische Leistungen aus allen Epochen der deutschen Militärgeschichte in die Tradition der Bundeswehr zu übernehmen.“
Auf dieser Grundlage könnte die Feldwebel Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst ebenso ihren Namen behalten wie auch das Beispiel eines deutschen Feldwebels im Einsatz im Kosovo zum Traditionsbestand unserer Streitkräfte genommen werden könnte: Er hatte sich allein und schutzlos in einer serbischen Enklave im Kosovo unter Lebensgefahr schützend vor eine serbisch-orthodoxe Kirche gestellt, um sie vor der Verwüstung durch kosovarische Freischärler zu retten – mit Erfolg! Wobei angemerkt sei: Auch der Einmarsch der NATO in das Kosovo – serbisches Staatsgebiet – war eindeutig völkerrechtswidrig.
(Archivbild: Der Ehrenhain in Masar-i-Scharif, Afghanistan, aufgenommen im Dezember 2013)
Aus gegebenem Anlass weise ich auf einen Beitrag (von mir ;-) ) hin, der sich mit der Namensgebung von Kasernen u.ä. in der Bundeswehr befasst. Damit wird hoffentlich jederman deutlich, dass sich die Bundeswehr selten ausreichend Gedanken über die Benamungen gemacht hat. Vielmehr feiert der „anständige Soldat mit seinen zeitlosen Tugenden“ – egal wem und wie er diente, lange Zeit fröhliche Urständ.
Ich widerspreche damit General Hansen, auch wenn ich ihn schätze: Es muss anerkannt werden, dass sich die Bundeswehr diese Probleme durch allzu unkritischen Umgang mit der deutschen Militärgeschichte gerade in den 1960er Jahren selbst geschaffen hat. Und zu selten waren Verantwortliche in der Spitze bereit, dieses Problemfeld, nein Minenfeld, wofür wir immer wieder von der politischen Linken heftig attackiert werden (leider mitunter zu Recht), aus dem Weg zu räumen.
Da sind die Ergebnisse der historischen Forschung an manchen Führungsstäben einfach abgeperlt.
Der Wunsch General Hansens nach „Bottom up“ Vorschlägen, scheitert oftmals schon an der Bildung bzw. dem Desinteresse an einer gründlichen Auseinandersetzung mit der (deutschen Militär-)Geschichte. Erschwerender ist aber für uns Historiker der hartnäckige Widerstand junger Truppenführer, die von der kritischen Militärgeschichtsschreibung keine Ratschläge annehmen wollen.
Insofern freue ich mich auf die Debatte und bitte den Hausherrn um Geduld mit allem, was ich nun auslöse. – Als Westfale habe ich ein dickes Fell und halte Streit um der Sache willen aus.
Bitteschön, die Einführung: http://portal-militaergeschichte.de/ und hier der Text: http://portal-militaergeschichte.de/moellers_streit
Letzter Satz: die Tippfehler sind Bestandteil eines Rätsels und ließen sich leider noch nicht korrigieren ;-)
@ Heiner Möllers:
Auch wenn ich Ihre Beurteilung der Dinge sicher nicht teile, finde ich es doch interessant auch diese Perspektive aus der Sicht eines Historikers zu bekommen.
Um Ihnen die Sicht des jungen Truppenführers, der komischerweise hartnäckigen Widerstand gegen die Ratschläge des Historikers leistet, verständlicher zu machen, versetzen sie sich in seine Lage.
Sie stehen vor 30 oder mehr Soldaten und versuchen diese durch Beispiele aus der Militärgeschichte zu begeistern (bevor die Schlaumeier sich zahlreich zu Wort melden: das ist nur ein Aspekt von vielen zur Motivation und der Wichtigste ist „Führen durch Vorbild“) und da bringen Ihnen gesalbte Reden über die hohe Motivation einiger Offiziere beim Attentat gegen Hitler recht wenig, noch weniger ein schlauer Heeresreformer der vor 200 Jahren gewirkt hat, sondern die Männer wollen Beispiele die ihrer eigenen Tätigkeit nahekommen und die sich im Gefecht bewährt haben. Daher bleibt fast nur der Rückgriff auf den „anständige Soldat mit seinen zeitlosen Tugenden“. Und ich finde das gar nicht so verkehrt, denn diese Tugenden sind es, denen der Soldat auch heute noch nacheifern soll.
Der zentrale Aspekt der Vorbildwirkung ist die Bewährung im Gefecht, ohne die ist jede Vorbildfunktion für den Soldaten schlicht unattraktiv und er wird sich mit dem Thema einfach nicht mehr befassen, oder sich stattdessen für US-Vorbilder oder Ähnliches begeistern.
Daher sind ihre gutgemeinten Ratschläge im Truppenalltag schlicht nicht hilfreich.
Ich selbst kann mich auch nicht davon freisprechen, dass mich ein im Gefecht erfolgreicher Truppenführer viel mehr inspiriert, als 60 Jahre NATO-Alarm, oder eine Heeresreform, weil sich im Soldatenberuf nun einmal alles um das Gefecht dreht.
@ T.W.
Antoine de Saint-Exupéry als Autor des kleinen Prinzen ist 1944 in seiner P38 verstorben. Sein Werk ist damit seit 2014 gemeinfrei ( 70 Jahre post mortem).
Siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Antoine_de_Saint-Exup%C3%A9ry
https://de.wikipedia.org/wiki/Urheberrecht_(Deutschland)
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Kürzung wiederherstellen.
[Oh, ich wusste gar nicht, dass wir hier Urheberrechtsexperten haben. Ich nehme an, die Übersetzung aus dem – gemeinfreien – französischen Original haben Sie persönlich vorgenommen, so dass es keine Urheberrechte von Übersetzer, Verlag etc. zu beachten gilt? Im Ernst: Ich schaue mal, ob es eine gemeinfreie deutsche Ausgabe gibt. Ansonsten wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie nicht anonym juristische Risiken bei mir abladen würden. T.W.]
@ Heiner Möllers
Da mir die Zeit für eine ausführliche Replik fehlt, nur schnell eine Frage: Auf welchen Studien / Interviews o.ä. basiert dieses Fazit? Ich habe nämlich bisher (zugegeben, aus eigener Erfahrung) überwiegend das Gegenteil erfahren können?
Darüber hinaus finde ich die Formulierung „uns Historiker“ unglücklich, da ich Ihre Ansicht beispielsweise überwiegend nicht teile. Trotzdem danke ich Ihnen für den Beitrag, er erweitert die Sichtweise auf das Problem.
@Heiner Möllers: Blick in ihre Einleitung geworfen und schon sind sie gestolpert. Der Panzerjäger hieß Diedrich (mit D) Lilienthal (wie der Gleitfliegerpionier). Sollten sie noch einmal Korrektur lesen und die Details überprüfen. Schon in der Einleitung zu schlampern sollte man vermeiden. Den Rest ihres Aufsatzes kann Ich erst heute Abend lesen.
@Mackiavelli:
auf die Inhalte der Defintion des „anständigen Soldaten mit seinen zeitlosen Tugenden“ bin ich aber mehr als gespannt. Diese Phrasen sind zu nicht mehr geeignet, als viele Beispile zu nennen, die alle fragwürdige Taten listen.
Der Soldat der Bundeswehr hat seinen Eid auf Werte geleistet. Damit verpflichtet er sich nicht nur, diese im Gefecht nach aussen zu verteidigen, sondern das impliziert auch das Recht und die Pflicht, das im eigenen Umfeld zu tun. Dazu gehört dann unter anderem Befehl und Gehorsam (ja was will denn der Dienstherr alles so ausgestellt haben in seinen Kasernen – das kann per Befehl geregelt werden, auch gegen den Willen des Einzelnen Devotionaliensammlers)) und auch Loyalität – und zwar nicht nur zu genehmen Äusserungen pensionierter Generäle, die vorher nicht – zumindest nicht aussenwirksam – Position bezogen haben. Vom einen oder anderen bleibt nicht mehr in Erinnerung als „Brille, Bart, Bauch“, „General Bahlsen“, “ King Jan“ oder RAL 7012.
Allen sich äusserden vdL Kritikern wird offensichtlich bedingungslos gehuldigt und es sich verbeten, wenn an der einen oder anderen Person und deren Formulierung Kritik geübt wird. Offensichtlich gilt das nicht für die IBUK, die zugegebenermassen mehr als unglücklich formuliert hat und sich mit einer eineindeutigen Entschuldigung schwertut.
Für meinen Teil empfinde ich das nicht als existenzbedrohend oder stelle damit meine Identität als Soldat der Bundeswehr in Frage. Ich weiss wofür ich stehe, dafür brauch ich keinen Altar mit kernigen Sprüchen und Wehrmachtshelmen.
@Wa-Ge: ich als Infanterist will an der Keule, oder wenn das zu traditionell ist, am Gladius ausgebildet werden – ich „agitiere“ sehr wohl gegen den Unsinn mit dem Segelschiff, aber nicht weil es ein „Nazi-Schiff“ ist. Die Luftwaffenpiloten müssen auch nicht mit dem Hanggleiter oder Segelflugschein beginnen, obwohl die damit das ursprüngliche Fliegen lernen würden. Wir haben offensichtlich noch zuviel Zeit und Geld (ich seh xxx und yyy (aus Rücksicht auf TW anonymisiert) schon in Schnappatmung verfallen).
Ich habe in der Unteroffizier-Krüger Kaserne (Kusel) meinen Dienst angetreten.
Die Namensgebung leuchtete mir als Kanonier unmittelbar ein. Und auch heute noch, 40 Jahre später, ist das so geblieben.
Gen. Hansens Beitrag ist gut geschrieben, aber Klabautermanns „Abscheu“ vor den „Stranskys“ (nicht den „Steiners“!) teile ich auch.
Auf Guderian, Manstein und Co. kann ich gerne verzichten.
Warum? Nur ganz kurz:
Bis 1991 waren 916 Starfighter bei der Bundeswehr im Einsatz, 300 gingen durch Unfälle verloren, davon 269 durch Abstürze. Über einhundert Piloten verloren Ihr Leben. Trotzdem sind die Kameraden immer wieder eingestiegen, im tiefsten Frieden haben sie ihre Haut riskiert. Wer Tapferkeit und Vorbilder sucht, kann sie hier finden.
Oder bei den vielen namenlosen Kradmeldern, Grenadiern und Kanonieren, die in der Ausbildung ihr Leben und Gesundheit gelassen haben wegen fahrlässigen Vorgesetzten, schlechter Ausbildung oder einem übermüdeten Kraftfahrer.
Aber wenn wir uns an Sie erinnerten, müßten diejenigen, die sich „eine Bundeswehr halten“, („Originalton“ aus dem BMVg) demütig werden. Das wird wohl nicht geschehen.
Stattdessen werden Plastikkreuze zum Anstecken bei Häppchen und Musik verteilt.
„Allen sich äusserden vdL Kritikern wird offensichtlich bedingungslos gehuldigt und es sich verbeten, wenn an der einen oder anderen Person und deren Formulierung Kritik geübt wird. Offensichtlich gilt das nicht für die IBUK, die zugegebenermassen mehr als unglücklich formuliert hat und sich mit einer eineindeutigen Entschuldigung schwertut.“
Doch, das gilt auch für den IBuK doch der IBuK reitet die Nummer seit Schelzig und hört nicht auf.
Das Wesen einer Fehlerkultur ist nicht das permanente Entschuldigen, sondern dass man daraus lernt und versucht diese nicht zu wiederholen.
Zudem glauben viel nicht, dass Frau UvdL Fehler gemacht hat, sondern dass ihre Aussagen geplant waren und eben nicht versehentlich geschahen. Dies trifft in jedem Fall auf die Rede beim Seminar zur sexuellen Orientierung zu. Auch geht es nicht nur um Aussagen von UvdL sondern um das gezielte Durchstechen von Infos an die Presse, welch bewuss falsch waren. (siehe Spiegel)
Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum. (Cicero)
Nur um meinen Senf auch dazu zu geben. Ich bleibe dabei das für mich Soldaten der Wehrmacht die nicht aktiv oder auch passiv Wiederstand geleistet haben und somit gegen das Regim vorgegangen sind nicht als Vorbilder geeignet sind. Grundsätzlich kommen als Vorbilder erstmal alle in Frage die Wiederstand geleistet haben. Ob jetzt direkt durch Sabotage, Teilnahme an Attentaten oder dem Juli Putschversuch, oder indirekt durch die Rettung von zB. Juden oder der einfachen Dienstverweigerung.
Zweitens ist allerdings deren Vorgeschichte und Intention zu beachten. Rommel war, so weit mir bekannt, eindeutig überzeugter Nazi/Hitler fan, und Stauffenberg hatte nicht vor nach dem Putsch die Demokratie einzuführen, sondern eine Militärdiktatur, bzw. Rückkehr zur Monarchie. Wobei es einen grossen Unterschied zwischen den beiden gibt. Punkt ist viertel vor Zwölf, oder eher fünf vor Zwölf die Seiten zu wechseln weil der ehemals angebetete nicht mehr Siege einfährt oder weil man erst in später Stunde zur Einsicht gekommen ist, bzw. sein Gewissen entdeckt hat für mich zu spät und wenig überzeugend ist.
Für mich ist das Beispiel eines in Leningrad oder Umgebung (weis nicht mehr wo genau) stationierten Feldwebels der sein Leben riskiert hat um Juden zu schützen und in Sicherheit zu schmuggeln, und dafür auch Hingerichtet wurde, eher ein Vorbild, und mMn ein geeigneteres, als der oben erwähnte Feldwebel der in der tat heldenfaft zich russiche Angriffe zurückgehalten hat. Bei ersterem gibt es wohl kaum moralische Fragen, bei letzteren wohl eher. Man könnte da genauso vergleichbares heldenhaftes Handeln diverser Waffen-SS Soldaten nehmen. Das Problem sollte klar sein.
Wenn es um Vorbilder für die reinen militärischen Tugenden oder Tapferkeit geht sollte die Nationalität des Vorbildes egal sein, ergo es muss nicht unbedingt ein Deutscher sein. Soll heissen wenn man schon unbedingt Vorbilder aus dem WK2 will, sollte man sich vielleicht bei den Allierten umschauen. Oder ist der deutsche Soldat nicht in der Lage in Hacksaw Ridge etwas nachahmendes zu sehen? (Absichtlich so zugespitz formuliert.)
Davon abgesehen gab es eine deutsche Militärgeschichte vor 1939 in der sicherlich deutlich weniger fragwürdige Vorbilder zu finden sind. Ausserdem sollten für denn Staatsbürger in Uniform auch Tapferkeiten ziviler Helden, wie den Geschwistern Scholl, in frage kommen. Man soll bitte nicht so tun als ob es unmöglich wäre tapfere und heldenhafte Soldaten zu finden die auch die demokratischen etc. Werte der Bundeswehr teilen.
diba | 29. Juni 2017 – 16:58
„Der Soldat der Bundeswehr hat seinen Eid auf Werte geleistet. “
Nein hat er nicht, der deutsche Soldat leistet seinen Eid auf die Bundesrepublik Deutschland und das deutsche Volk.
Die Werte ändern sich nämlich, siehe Umgang der BRD mit Homosexualität in den 50er, 60er, … und heute.
@Wa-Ge
dann darf sich der Infanterist aber bitte nicht wundern, wenn ich ihn frage ob er im richtigen Heer dient?
Handwerklich-technisch mag das ja in gewissen Grenzen zutreffen, aber sonst?
Der Top kann aber durch Wort/Auftrag und Vorschrift und Tat/Vorbild die Kultur und damit Tradition beeinflussen.
It takes the Navy three years to build a ship. It will take three hundred years to build a new tradition. The evacuation will continue
Denjenigen, die ausschließliche Beschränkung der Tradition nur auf die Bw-Zeit fordern, sollten sich vielleicht vergegenwärtigen, was wir als Bundeswehr alles in dieser Zeit NICHT aktiv und real gemacht haben.
Nehmen wir einmal die Panzertruppe. Wo sind bitte die vorbildlichen Leistungen von Soldaten der Panzertruppe im Gefecht in den letzten 60 Jahren?
Sollen wir einem jungen Panzerunteroffizier oder Panzeroffizier als glühendes Vorbild die eine erfolgreiche Übungsplatzteilnahme vor Augen halten?!
Oder am Beispiel der Infanterie. Natürlich gab es in den Jahren 2008-2012 einige Gefechtshandlungen in Nord-AFG, die durchaus heldenhaft sind. Aber reichen diese im Szenario und in der Gesamtintensität durchaus eingeschränkten Beispiele aus um eine ganze Tradition zu begründen?
Damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: Natürlich müssen wir die Bw-eigene Tradition stärken. Oder noch genauer: wir müssen endlich anfangen sie als Tradition WIRKLICH zu praktizieren.
Aber ausreichen kann das doch nicht.
Und deswegen finden ich den Ansatz von General Hansen gar nicht „uncharmant“, denn dadurch würde ja deutlich, was gerade für die heutigen, aktiven Soldaten wichtig ist :) Und auch wichtig mit Blick auf die Vergangenheit…
Disclaimer vorab:
Ich bin kein Soldat, war nie einer werde auch keiner mehr … dementsprechend bleibe ich sehr allgemein bzw verlasse mich auf Sprichworte bzw Zitate.
1.) Die alte Redensart ist doch „Tradition ist nicht die Bewahrung der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers.“ Für mich stellt sich die Frage, was und wo bitte die Bundeswehr „Feuer“ hat bzw was sie als dieses betrachtet?
2.) Das alte preußische Motto vom „Mut vor Königsthronen“ wäre v.a. für die höheren Offiziersränge (die mit Stern) nicht nur wünschenswert sondern – im Hinblick auf „Staatsbürger in Uniform“ – ja geradezu erforderlich. Aber wie sieht es stattdessen aus?
3.) Bezugnehmend auf Punkt 2 bietet sich geradezu an, das bekannte Zitat von General von Seydlitz „erweitert“ zu interpretieren:
Das Primat der Politik wird nicht in Frage gestellt, aber der Soldat hat das Recht auf eine eigene (ggf politisch nicht gewünschte) Meinung. Gerade im Hinblick auf die Art wie die aktuelle IBUK agiert, zeigt dieses Zitat weiterhin eine bemerkenswert hohe Aktualität.
@ hansg
Wenn WotR noch eine Kommentarfunktion hätte, dann hätte ich dem guten Herrn Schulz zielsicher ein „Mentalitäten kann man nicht verordnen“ unter den Beitrag geschrieben. Er mag das Kernproblem angesprochen haben, er hat nur eine völlig unrealistische „Lösung“ vorgeschlagen. Denn, und da sollten wir ehrlich sein, der Drops von wegen „heroische Gesellschaft“ ist schlicht gelutscht. Und zwar schon seit Jahrzehnten.
@Zimdarsen:
Dass die Befreiungskriege keinen „eindimensionalen“ Charakter haben, hatte ich angedeutet.
Aber danke, dass Sie diesen Gedankenanstoß angenommen haben. (Ehrlich!)
Nur: Wer A sagt, muss auch B sagen. Das heißt, ich kann nicht die Preuß. Reformen hochhalten, das Ergebnis dessen aber negieren. Und: Wo kommt Schwarz-Rot-Gold denn her?
Klartext: Ich weiß, was Metternich und Co. draus gemacht haben und möchte in seinem Staat nicht gelebt haben wollen geschweige denn ihn verteidigen.
Aber ist deswegen alles in den Befreiungskriegen schlecht? Dann müssten wir deutsche Geschichte vor 1945 komplett entsorgen. Denn auch der ein oder andere Barrikadenkämpfer ginge heute nicht als „lupenreiner Demokrat“ durch. Aber wohl waren 48er schon 1813 dabei bzw. kämpften in deren Geiste.
Und wie gesagt, beim Thema Eisernes Kreuz weist der Traditionserlass darüber hinaus dementsprechend keine logische Stringenz auf.
@Karl Mohr
Sie vermischen hier mE Opfer im Sinne von „Opfer bringen“ (zum Wohle des Volkes / Allgemeinwohls) und und im Sinne von „Opfer werden“ / geopfert werden.
Und da gibt es mE positive und negative Beispiele. Erich Boldt, Namensgeber der Kaserne in Delitzsch, ist für mich traditionswürdig, obwohl nicht im Kampfeinsatz gewesen. Vor allem weil er sich geopfert hat, um andere (seine Untergebenen) zu retten.
Viele andere jedoch, gerade diejenigen die in der Ausbildung zu Tode gekommen sind, sind ein trauriges Mahnmal davon, wie gefährlich der Dienst sein kann. Eine Kaserne würde ich jedoch nicht nach ihnen benennen. Und seien es die Starfighter-Piloten oder Soldaten, die bei der Durchquerung der Iller ums Leben gekommen sind – sie haben das gemacht, was die Vorgesetzten verlangt haben.
Zur jetzigen Tradition: Ich stimme den Vorrednern zu, dass die preußischen Reformer ein Vorbild sind, mit dem sich nicht jeder Landser identifizieren kann.
Jedoch ist mein Jahrgang (81. OAJ) nach Erich Fellgiebel, dem Schöpfer der Fernmeldetruppe der Wehrmacht, benannt als Tradition. Und auch wenn er im Zuge des 20. Juli zu Tode gekommen ist, wurde dies auch mit seiner militärischen Leistung begründet, als Beispiel die Überlegenheit der Panzerwaffe in den ersten Kriegsjahren durch Funkverbindung.
Der Widerstand des 20. Juli ist vor allem aber auch deshalb ambivalent, da eine Tratition so immer subjektiv davon abhängt, welches System das „richtige“ ist. Traditionsbildung durch Subordination? Pointiert ausgedrückt: Wer ist traditionswürdig?
– Ein OTL in Wildflecken, der sagt was alle anderen Denken und Missstände anspricht?
– Die Generäle, die am 20. Juli eines jeden Jahres eine schöne Rede halten, aber sonst „Kadavergehorsam“ üben wider besseren Wissens und der Pflicht zur Beratung?
– Der GI, welcher seine Aufgabe als Schutz der Ministerin im Wahlkampf sieht?
@Heiner Möllers
„Erschwerender ist aber für uns Historiker der hartnäckige Widerstand junger Truppenführer, die von der kritischen Militärgeschichtsschreibung keine Ratschläge annehmen wollen.“
Der junge Truppenführer erkennt möglicherweise den Unterschied zwischen kritischer Militärgeschichtsschreibung und Tabuisierung. Vermutlich entspricht das Gebaren einiger Historiker auch nicht zwangsläufig dem rechtsstaatlich geprägten Gerechtigkeitsgefühl junger Offiziere.
Das MGFA schafft es bis heute nicht objektive und brauchbare Gutachten zu Namensgebern vorzulegen, von der hier wieder eindrucksvoll demonstrierten Überheblichkeit sog. Historiker ganz zu schweigen.
[Anonym pöbeln mag ich gar nicht. Die hier demonstrierte Überheblichkeit sog. Kommentatoren hört bitte ganz schnell auf. T.W.]
@ xyz
Bitte keine Verallgemeinerungen, danke.
darüber hinaus ist „sog.“ in diesem Falle unangebracht, da der akademische Abschluss in diesem Falle leicht nachvollziehbar ist (wenngleich „Historiker“ leider keine geschützte Berufsbezeichung darstellt…).
@xyz | 29. Juni 2017 – 19:59
[Heiner Möllers]
„Erschwerender ist aber für uns Historiker der hartnäckige Widerstand junger Truppenführer, die von der kritischen Militärgeschichtsschreibung keine Ratschläge annehmen wollen.“
[xyz]
Der junge Truppenführer erkennt möglicherweise den Unterschied zwischen kritischer Militärgeschichtsschreibung und Tabuisierung. Vermutlich entspricht das Gebaren einiger Historiker auch nicht zwangsläufig dem rechtsstaatlich geprägten Gerechtigkeitsgefühl junger Offiziere.
Gut gekontert!
@Heiner Möllers
Nebenbei weise ich darauf hin, dass es wohl seit 1955 keine „jungen Truppenführer“ mehr gegeben hat ;)
Das mag zwar nur ein Details sein, aber wenn jemand ernsthaft der Truppe die Befähigung abspricht über ihre eigene Tradition qualifiziert (mit)-entscheiden zu können, dann sollte man zumindest in der militärischen Terminologie sattelfest sein.
[Zur Erläuterung für die in diesem Kommentarfaden mitlesenden Nicht-Soldaten: Ein Truppenführer ist ein Offizier mindestens (!) auf dem Dienstposten eines Brigadekommandeurs, also alles andere als „jung“.]
Was gibt es eigentlich zu einem bottom up-Ansatz bei der Neuregelung der Traditionslinien der Bundeswehr zu beklagen?
Da passiert, was sonst üblicherweise der deutschen Generalität angekreidet wird, nämlich unfähig und daher stock-konservativ am einmal eingeschlagenen Weg festhaltend, nicht in der Lage, ausgetretene Pfade zu verlassen, der jeweiligen politischen Führung am, – passt derzeit besonders – ROCKZIPFEL hängend, zu unabhängigem Denken nicht geeignet.
Da kann der erfrischende Ansatz eines tadellos verdienten Generals mit Führungserfahrung ab Kp- bis in die Korps-Ebene und die NATO hinein tatsächlich
aufmuntern: in Standard-InFü-Worthülsen eingerostete Denkschemata revolutionieren.
Wär’s kein General a.D.,
(der auch nach der Pensionierung noch z.B. „Senior Mentor“ Seminare für „Operative Kunst“ für höhere NATO-Führungskräfte sowie Lehrgänge für „Operative Planung“ für Stabsoffiziere an der NATO-Schule in Oberammergau.
und als „Senior Mentor“ am britischen Joint Services Command and Staff College leitete),
das Unverbrauchte des Ansatzes könnte wahrlich von einem junge Leutnant in seiner ersten Stunde Innere Führung an der OSH stammen.
(Gut, dass Gen Hansen nicht mehr im Dienst ist: sonst käme sicher eine Staatssekretärs-Abmahnung ins Haus, SARC)
Jetzt muss „nur“ noch das Verfahren gemanaged werden, doch ’ne fordernde Aufgabe für den Verband, falls er noch den Mund aufmachen darf?
Passt in den erweiterten Zusammenhang:
der „Putsch beklagte“ Oberstlt vom ZGeoInfoW aus Euskirchen verklagt die Ministerin seinerseits: „… rein politisch motivierte Verfolgung von Unschuldigen innerhalb der Bundeswehr. ,,,“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-offizier-zeigt-ministerin-ursula-von-der-leyen-an-a-1155062.html
Ich kann mit dem ganzen Traditionsrotz nichts anfangen und ich kenne mehr als genug, denen es genauso geht. Bringt den Soldaten bei, wie sie mit ihrem Material umzugehen haben, damit sie gemeinsam gute erfolgsaussichten haben. Und wenns euch dann noch langweilig ist macht Sport – das dient der Gesundheit. Und vermittelt Werte, warum es sich lohnt, für die FDGO und die damit verbundenen Freiheiten einzutreten. Wenn dann noch Zeit ist ist, setzt euch kritisch mit Kadavergehorsam und philosophischen Feinheiten zur Moral auseinnder – dann brauchts auch keine Wehrmachtshelden, weil man eine Identität hat, die aktuell ist.
Die Art und Weise wie hier ein hochanerkannter Viersterne-General der Bw von einem Mit-Kommentator „angegangen“ wird(„…Dieser Gastbeitrag ist eigentlich eine Beleidigung an die Intelligenz…“), ist in keiner Weise akzeptabel.
Und ich empfinde die bereits von Thomas Wiegold ausgesprochene Zurechtweisung des Kommentators „Klabautermann“ als nicht angemessen und bitte den Hausherrn um Löschung des betreffenden Kommentars.
Dieser Kommentar kann gegenüber General a.D. Hansen so nicht stehenbleiben.
[Nein, hier werden nicht Disziplinarische Maßnahmen verhandelt. Und ich bitte mir zu überlassen, wie ich damit umgehe. T.W.]
@Diba | 29. Juni 2017 – 21:09
„Ich kann mit dem ganzen Traditionsrotz nichts anfangen“
Mal abgesehen von der interessanten Wortwahl, sei Ihnen Ihre Meinung ja gegönnt, aber warum wollen Sie anderen ihren Traditionsbedarf verweigern?
Interessant ist doch auch, dass wir damit die ersten auf der Welt wären, die eine Armee ohne Traditionen hat. Lässt Sie diese Aussicht nicht vielleicht am Ihrem Ansatz zweifeln? So von wegen „nur am deutschen Wesen, soll die Welt genesen“?!
Nun würde ich ja sagen, wir DEU müssen uns nicht von anderen vorschreiben lassen, wie wir unsere Armee führen und prägen.
Andererseits ist es doch schon sehr seltsam, wenn auch und gerade junge Soldaten eine klassische Traditionspflegen wollen, ja geradezu selbst und unter Desinteresse oder gar Ablehnung der mittleren und oberen Ebene bewahren und zudem noch alle anderen Armee es auch so machen…
@ Diba | 29. Juni 2017 – 21:09
Das ist schön für Sie, dass Sie das nicht brauchen. Es hat ja auch niemand vom Zwang gesprochen. Soll ja auch Soldaten geben, die einen Offz- oder Uffz-Abend nicht brauchen. Soll ja auch welche geben die der Meinung sind, dass sie Religion nicht brauchen.
Sollen wir es jetzt für alle abschaffen oder zwingend durchsetzen nur weil einzelne es brauchen oder nicht brauchen?
Hier schwingen aktive und ehemalige Soldaten eine ganz große Moralkeule und das obwohl diese zu Zeiten in der Bw gedient hat, als diese Völkerrechtswidrig in den Kosovo einmarschiert ist oder offen Minderheiten in Deutschland diskriminiert hat. Keiner der Herren hat da seinen Hut genommen und hat sich ins zivile Verabschiedet. Selbst den Herren vom Darmstädter Signal war die Jacke näher als die Hose und man hat zwar kritisiert aber den letzten Schritt gehen und auf die sicheren Dienstbezüge verzichten wollte keiner gehen.
Aber schön auf den „einfachen“ Soldaten (egal ob Gefreiter, Feldwebel oder Leutnant) der Wehrmacht hauen, weil dieser bei der Einziehung in den 40ern nicht verweigert hat und ins KZ gegangen ist.
Es ist schon erstaunlich, kaum ist etwas Druck aus dem Kessel, wenden sich die Kommentatoren den „alten Geistern“ aus der Wehrmacht wieder zu und erklären warum es für einen jungen Soldaten im Jahre 2017 wenig andere Vorbilder als die bewährten Soldaten der Wehrmacht geben kann,
Ob da nicht ein Aussenstehender, ein Nichtsoldat, ein Zivilist auf die Idee kommen könnte, das verschiedene Bw-Soldaten doch nicht die gebotene Distanz zur Wehrmacht haben ?
Das zwar bei der Sammlung von „Wehrmachts-Devonationalien“ fast nichts heraus gekommen ist, aber vielleicht doch gewisse Rest-Sympathien für die Wehrmacht und einzelne Wehrmachtsoldaten in den Köpfen von manchen Bw-Soldaten verankert sind?
So wie hier über die notwendige ( ! ) Vorbildwirkung von einzelnen Wehrmachtssoldaten für das „Seelenheil“ von Bw-Soldaten diskutiert wird, kann ein Aussenstehender doch gewisse (Rest)-Zweifel über die Einstellung und Werte von manchen Bw-Soldaten bekommen.
Die Wehrmacht war aus heutiger Sicht eine verbrecherische Organisation, sie hat insbesondere im Russlandfeldzug die Strategie der verbrannten Erde mit der Vernichtung der Lebensgrundlage der einheimischen Zivilbevölkerung geführt. Die Wehrmachtsführung hat es hingenommen, dass ab Sommer 1944 monatlich 300000 deutsche Soldaten gefallen sind, ohne dass sie ihren Kurs gegenüber Hitler geändert hätte und deshalb erübrigt sich die Diskussion ob einzelne Soldaten der Wehrmacht traditionswürdig sind.
Natürlich darf dies jeder für sich selbst entscheiden, aber junge Soldaten mit den Vorbildern von Wehrmachtssoldaten zu motivieren bedeutet für mich den jungen Soldaten ein falsches Geschichtsverständnis zu vermitteln. Dies muss hinterfragt werden. Es gibt nicht den wertfreien Soldaten der nur ein Perfektionist seines Handwerks ist und deshalb als Vorbild taugt. Deutsche Soldaten müssen seit der Erfahrung der Wehrmacht auch immer fragen, warum man etwas tut und nicht nur wie man etwas möglichst effizient tut.
Diba | 29. Juni 2017 – 21:09
„Ich kann mit dem ganzen Traditionsrotz nichts anfangen und ich kenne mehr als genug, denen es genauso geht … “
Gegen diese Geisteshaltung gibt’s vom Grundsatz her nichts einzuwenden. Sofern Sie Soldat sind und machen, was Ihnen im Rahmen von Recht und Gesetz befohlen ist, reicht das völlig aus. Nur das ist die Pflicht – das andere die Kür.
Hans Schommer
@Koffer @ xyz
„Der junge Truppenführer erkennt möglicherweise den Unterschied zwischen kritischer Militärgeschichtsschreibung und Tabuisierung. Vermutlich entspricht das Gebaren einiger Historiker auch nicht zwangsläufig dem rechtsstaatlich geprägten Gerechtigkeitsgefühl junger Offiziere.
Gut gekontert!“
Das entspricht dann etwa der Argumentationslinie des derzeitigen US Präsidenten, Wissenschaftliche Forschung ist nur dann gut/gerecht, wenn sie den Gefühlen der Menschen entspricht.
Ich denke hier sind wir dann nach 200 Jahren Aufklärung zumindest auf dieser Seite des Atlantiks dann schon etwas weiter. Und es waren Historiker die bspw im Gegenentwurf zu den eigenen Deutungen der Geschichte wie Mansteins „Verlorene Siege“ die tatsächlichen geschichtlichen Realitäten ans Licht gebracht haben.
Zum Artikel von General Hansen:
“ ..ein bisher beispielloser, öffentlich bekundeter Vertrauensentzug.“
Nur wer sich den Schuh angezogen hat! Man hätte ihn auch als Angebot zur Reflektion verstehen können. Aber das wollte man ja nicht.
Der Satzteil
„ihr offenbar eigener Denk-und Handlungsansatz des pauschalen und spontanen Entzugs des Vertrauens“
ist in sich unlogisch.
„Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform in der Universität seines Namens in Hamburg, inzwischen wieder zurück, aber auch hier vorschnell gehandelt, “
Nicht die Ministerin hat das Bild abgenommen, so wie es der der Verfasser suggeriert.
Hier hätte man im Sinne der Auftragstaktik auch nachfragen können m.E. auch müssen und damit einen Diskurs eröffnet.
„Sichtbarer Ausdruck des Misstrauens in die geistige Verfasstheit der Streitkräfte und von Handeln nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.
Eine Kontrolle die in Pfullendorf und den anderen Standorten vorher aber versagt hatte.
Zu seinen Ausführungen zur Seele, auch die „Seele“ muss sich von Zeit zu Zeit fragen fragen lassen, ob sie noch richtig empfindet. Das Aufwachen kann ein schmerzhafter Prozess sein, den es im übrigen in Deutschland nach 1945 schon einmal gegeben hat und der dann zur Konzeption der Inneren Führung geführt hat.
„Es ist zu hoffen, dass sie nicht der Versuchung erliegt, quasi „top down“, dazu noch wissenschaftlich selektiert durch das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr , einen Traditionskatalog erarbeiten zu lassen. “
ich hoffe, dass er nicht wirklich „wissenschaftlich selektiert“ meint, denn sonst wäre ich bei meinem Eingangsstatement. Der Traditionskatalog war eine Forderung aus der Truppe..
Dieser Ansatz der Aufarbeitung der Grundlagen einer zeitgemäßen Traditionspflege wäre aus meiner Sicht genau der falsche!
Hier wäre interessant, was der General unter „zeitgemäß“ versteht, die traditionserlasse von 1965 und 1982 waren auch zeitgemäß ….. und jedesmal umstritten.
Immer wieder wird in der Diskussion um die Traditionspflege der Bundeswehr darauf hingewiesen, dass es eines Rückgriffes auf Personen oder Ereignisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges nicht bedarf, da die Bundeswehr in den mehr als 60 Jahren ihres Bestehens eigene Traditionen entwickelt habe. Frau Ministerin, welche bitte?
Hier stellt sich mir die Frage, ob General Hansen hier wirklich gerade sein eigenes Lebenswerk in der Bundeswehr in Frage stellt.
Ich bringe aber auch gerne ein Gegenbeispiel: mein Vater hat von 1955 bis 1992 treu gedient. Für mich genug für Vorbild und genug eine Tradition..
Sie genügen ganz offensichtlich nicht den emotionalen Bedürfnissen des jungen „Kämpfers“
nun das wäre die Aufgabe der Vorgesetzten gewesen
oder der „Rettungssanitäterin“
der man ja in Pfullendorf gerade emotional mitgespielt hat
im Einsatz auf deren Suche nach Beispielen, Richtpunkten für Mut, Tapferkeit und kameradschaftliches Eintreten angesichts der Gefahren für Leib und Leben.
Es kann also nicht darum gehen, einen eventuellen „braunen Sumpf“ trocken zulegen, sondern vielmehr einem berechtigten und wichtigen Anliegen zu genügen.
Das da wäre? Kampf ohne Gewissen?
Dieser Feldwebel hat im Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion, nachdem sein Kompaniechef gefallen war, im Alter von 23 Jahren die Kompanie übernommen und durch seinen Einsatz seine Einheit vor der Vernichtung bewahrt. Ich habe sein Handeln stets bei Gelöbnisfeiern für wehrpflichtige Soldaten unter Hinweis auf die Pflicht, „Recht und Freiheit tapfer zu verteidigen“, als beispielhaft hervorgehoben, ohne den Krieg zu verherrlichen oder dessen Völkerrechtswidrigkeit zu verschweigen.
Und er steht damit ganz im Geiste des Traditionserlasses von 1982, also kann man dafür streiten, im Gegenzug ist aber auch die Lektüre um die Vorgänge der Benennung der Fw Schmidt Kaserne in Rendsburg eine Lektüre wert.
„In einem strukturierten Prozess sollten aktive und ehemals aktive Soldatinnen und Soldaten aller Dienstgrade, die in Afghanistan, im Kosovo, in Mali oder anderen Einsatzgebieten der Streitkräfte Dienst getan haben, beispielhaftes Handeln sammeln, quasi als nachprüfbare Augenzeugenberichte, die die traditionswürdigen militärischen Tugenden verdeutlichen.“
Ist das nicht genau die Idee der Ministerin? Genau das hat sie in allen Interviews gefordert.
“ Dann müssen künftig nicht mehr neu zu benennende Kasernen mit nichtsagenden Landschaftsbezeichnungen versehen werden, nur um politisch korrekt zu sein“
Ich vermute er meint hier die Allgäu Kaserne, hier hätte man ja auch vor Ort einen anderen Namen wählen können, aber es ging ja in der Folge eigentlich immer nur darum, den namen Dietl zurück haben zu wollen. .
„Kriterium für die Auswahl solcher Beispiele sollte die Erklärung des damaligen Verteidigungsministers, Volker Rühe, in einer Debatte zur Traditionspflege in der Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag sein: „Die Werteordnung des Grundgesetzes ist dafür Orientierungsrahmen. Ein solches Verständnis lässt Raum, vorbildliche soldatische Haltung und hervorragende militärische Leistungen aus allen Epochen der deutschen Militärgeschichte in die Tradition der Bundeswehr zu übernehmen.“
Oben fordert er bottom up…. und jetzt braucht es dann doch am Ende wieder einen Historiker, der obwohl oben geschmäht, herausfieseln muss, wo die „vorbildliche soldatische Haltung / militärische Leistung“ dann vielleicht doch nicht ausreicht, um bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit den für die Tradition vorgesehenen Kandidaten in den Wertekanon des Grundgesetzes zu bekommen. Eine häufig vernachlässigter Aspekt des 20. Julis ist ja nun mal, dass es Handlungsalternativen gegeben hat und nicht nur hätte.
„Auch der Einmarsch der NATO in das Kosovo – serbisches Staatsgebiet – war eindeutig völkerrechtswidrig.“
Wo war General Hansen an dem Tag und was hat er danach gemacht?
Er hat die Entscheidung (so wie ich auch) mitgetragen. Frei nach General Sponeck
„Recht ist ein Prinzip. Der Mensch aber steht über dem Prinzip.“
(„Gehorsam ist ein Prinzip. Der Mann aber steht über dem Prinzip.“ Originalzitat)
Das ist ihre Sicht, für mich ist die Kür, sich auf das zu konzentrieren, was wesentlich ist.
Georg | 29. Juni 2017 – 21:35:
Sie schreiben:
„Die Wehrmachtsführung hat es hingenommen, dass ab Sommer 1944 monatlich 300000 deutsche Soldaten gefallen sind, ohne dass sie ihren Kurs gegenüber Hitler geändert hätte und deshalb erübrigt sich die Diskussion ob einzelne Soldaten der Wehrmacht traditionswürdig sind.“
Lesen Sie sich diesen Satz mal genau durch! Und packen Sie dann Ihre Geschichtskenntnisse aus. Da passt doch was nicht. Oder waren das nun monatlich xxx tausend gefallene Verbrecher der verbrecherischen Organisation?
Mann …
Hans Schommer
Heiner Möllers | 29. Juni 2017 – 15:58 ,
Herr Möllers, Sie beklagen: „Erschwerender ist aber für uns Historiker der hartnäckige Widerstand junger Truppenführer, die von der kritischen Militärgeschichtsschreibung keine Ratschläge annehmen wollen.“
Dabei dürfen Sie nicht vergessen, dass das alte MGFA in puncto wissenschaftlicher Objektivität nicht immer einen Spitzenplatz einnahm. So schreibt Sven Felix Kellerhof 2013 in der WELT: „Einst war die vermeintlich „rote Zelle“ unter den zivilen Wissenschaftler umstritten – es gab in den 1970er- und 1980er-Jahren Auseinandersetzungen im Institut.“
Und auch die Expertise des MGFA im Fall „Mölders“ ist seinerzeit sehr stark in die Kritik geraten.
Vielleicht verstehen Sie auf diesem Hintergrund die Vorbehalte „junger Truppenführer“, wenn es darum geht, Fragen der Traditionsbildung zu beantworten.
@Politikverdruss | 29. Juni 2017 – 22:02
„Vielleicht verstehen Sie auf diesem Hintergrund die Vorbehalte „junger Truppenführer“, wenn es darum geht, Fragen der Traditionsbildung zu beantworten.“
Diesem Argument kann ich nicht (umfänglich) folgen.
Soldaten (auch und gerade „Truppenführer“) sollten durchaus Fragen nach Traditionsbildung beantworten können, wollen und sogar müssen.
Ich sehe nur nicht, wieso Historiker hierbei ein Teil der Entscheidungsbefugnis zukommt.
Die Historiker sind m.E.n. dafür da, Fakten zu ermitteln und diese zu publizieren.
Die Entscheidung ob daraus Tradition erwachsen kann gehört in die Hände der Truppe, die dieser Tradition folgen muss und möchte (unter Berücksichtigung der durch die Führung und Leitung gegeben Auflagen und Rahmenbedingungen).
Genau, was interessiertmich, was der Historiker sagt – ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt
@Politikverdruss
Hm, da muss ich mal sehr direkt fragen: Weil von sehr rechter Seite Vorwürfe gegen das damalige MGFA erhoben wurden (nicht zuletzt, weil die Thematik Mölders die Gemüter erhitzte), begegnen 20 Jahre später die jungen Truppenführer, die damals gerade von der Grundschule kamen, Historikern mit Vorbehalten? Come on. So ein Zerrbild der jungen Offiziere sollten wir hier nicht stehen lassen.
@Politikverdruss | 29. Juni 2017 – 22:02
Die Bedeutung des Wortes „vermeintlich“ ist Ihnen geläufig?
(Sorry, ein paar Kommentare waren im Spamfilter hängen geblieben – habe ich erst jetzt gesehen und sie freigeschaltet.)
Die Verteidigungsministerin dazu:
(im Interview mit der Zeitschrift der DGAP)
@Georg
Bis vor wenigen Jahren waren sich alle Historiker einig (fast alle), das Kaiserreich trägt die alleinige Schuld am WWI. Seit kurzen schwingt das Pendel und man wird nicht mehr geächtet wenn man als Historiker die Alleinschuld anzweifelt. Jetzt ist die Meinung, dass viele Staaten für den Ausbruch des WWI verantwortlich sind, unter Historikern salonfähig.
Vor 20 Jahren war ein Wehrmachtssoldat nicht gleich Kriegsverbrecher, heute sagen Sie es reicht schon aus um einem verbrecherischen Regime gedient zu haben, dass man automatisch mitschuldig ist.
Was sagen die Historiker in 20 Jahren? Was werden diese über die Bw in Afghanistan denken? Wie kann die Bw unter diesen Umständen ehemalige der NVA unter sich dulden, schließlich musste man dort als Offizier ein „lupenreiner“ Sozialist gewesen sein und für die Sache des Unrechtsregimes kämpfen?
Wollen wir jetzt neben einem Strukturwechsel nach jeder Wahl in Zukunft auch noch den Traditionserlass überarbeiten? Vorgänge wie in Rotenburg Wümme zeigen es deutlich, die Soldaten dort, die Bevölkerung und die Politk dort, haben sich bis auf wenige Außnahmen alle für die Beibehaltung des Kasernennamens (Lent) ausgesprochen. Ist das nicht ein Indiz, dass „der“ Soldat diese Art von Tradition will, welche Sie so energisch kritisieren?
Ist es gar das der Grund, dass einige den Bottom Up Ansatz nicht wollen, weil sie Angst haben, dass ihre Meinung in der deutlichen Minderheit ist und sie deswegen ihre Weltanschauung nicht erzwingen können?
@Koffer
Etwas mehr würde ich von Historikern schon erwarten, Fakten von Nichtfakten trennen, dieses in Kontext zu setzen, zu analysieren und dieses verständlich zu kommunizieren
@ThoDan | 29. Juni 2017 – 22:40
„Etwas mehr würde ich von Historikern schon erwarten, Fakten von Nichtfakten trennen, dieses in Kontext zu setzen, zu analysieren und dieses verständlich zu kommunizieren“
Damit kann ich durchaus leben, denn eine Ermittlung der Fakten bedarf bei anlegen eines wissenschaftlichen Standards ja eben genau dies.
Das entscheidende ist aber aus meiner Sicht, dass nicht die Historiker entscheiden was traditionswürdig ist und was nicht, sondern die Truppe (unter Beachtung der durch Führung und Leitung gemachten Auflagen und Rahmenbedingungen).
Die Historiker machen das deutlich reflektierter und begründeter wie der junge Fallschirmjägeroffizier mit dem heroischen Blick gen Kreta …. genauso entstehen die Probleme, die wir in einigen Bereichen haben.
@ Hans Schommer
Zitat: „Lesen Sie sich diesen Satz mal genau durch! Und packen Sie dann Ihre Geschichtskenntnisse aus. Da passt doch was nicht. Oder waren das nun monatlich xxx tausend gefallene Verbrecher der verbrecherischen Organisation?
Mann …“
Ich habe ausdrücklich nicht geschrieben, dass alle Wehrmachtssoldaten Verbrecher waren, so wie Sie es in ihrer Replik suggerieren. Ich habe geschrieben, dass die Wehrmacht aus heutiger Sicht eine verbrecherische Organisation war und auch wenn einige Wehrmachtsoldaten anständige Menschen waren, taugen sie nicht als Vorbilder für junge BW-Soldaten.
Allein schon deshalb weil die Wehrmachtsführung tatenlos zugesehen hat, wie monatlich 300000 Wehrmachtssoldaten für einen verlorenen Krieg geopfert wurden nur um nicht kaptiulieren zu müssen.
@ all
Es gibt genügend Bw-Soldaten die in Ausübung ihres Dienstes zur Rettung von Kameraden oder in Erfüllung ihres Auftrages ihr Leben geopfert haben. Es ist nicht notwendig dazu auf Wehrmachtssoldaten zurück zu greifen.
Auch nicht auf Jagdfliegerasse des II. WK, wie Mölders. Die Aufbauzeit der Bw mit ehemaligen Wehrmachtssoldaten ist definitiv vorbei.
@diba | 29. Juni 2017 – 22:47
„Die Historiker machen das deutlich reflektierter und begründeter wie der junge Fallschirmjägeroffizier mit dem heroischen Blick gen Kreta …. genauso entstehen die Probleme, die wir in einigen Bereichen haben.“
Wieso sollte es eine Entscheidung eines Historikers sein, ob Fallschirmjäger bestimmte Personen und/oder einzelne Gefechte für traditionswürdig halten? Es doch nicht seine Tradition…
Er kann die Fakten liefern, den Rest sollen die entscheiden, die damit leben müssen (und wollen).
@Wa-Ge
Welche Historiker?
Wo beginnt des Kriegsmannes Verantwortung, Schuld etc. wenn des Königs Sache nicht gerecht und ehrenhaft ist?
Man kann nicht sagen, das die Wehrmacht unwissend missbraucht wurde, noch kann man ihr eigene Schuld absprechen.
Ganz im Gegenteil es gilt mkn als erwiesen, das Sie sich schuldig machte und dabei ist ihre Verantwortung und Schuld den Verbrechen der Nazis Hilfe geleistet zu haben noch nicht einbezogen.
@Koffer
Fair genug, nur müssen sie dann auch mit dem Urteil über ihre Entscheidung leben.
@ Wa-Ge
Zitat:
„Ist es gar das der Grund, dass einige den Bottom Up Ansatz nicht wollen, weil sie Angst haben, dass ihre Meinung in der deutlichen Minderheit ist und sie deswegen ihre Weltanschauung nicht erzwingen können?“
Soll dies im Umkehrschluss heißen im Bottom Up Ansatz würde eine deutliche Mehrheit der Bw-Soldaten für die Tradition mit Wehrmachts-Soldaten votieren ?
Nach dem Motto „Innere Führung“ ist zwar gut aber man kann die Weltanschauung nicht erzwingen ?
Ich vermute eher nicht und bei der konkreten Umbenennung einer Kaserne spielen viel mehr Gesichtspunkte hinein, als nur ob der Namensgeber Wehrmachtsoldat war.
Natürlich ändert sich die historischen Bewertung der Sachverhalte im Abstand der Jahre zu den Geschehen.
In Deutschland gab es nach der Entnazifizierung praktisch keine Nazis mehr, weil ja alle Hitler und sein verbrecherisches Regime niemals haben wollte. Das klang zwar auf Veranstaltungen wie den Nürnberger Reichsparteitagen dann doch etwas anders und die Studentenunruhen von 1968 waren in erster Linie eine Reaktion auf die gefestigte Positionen der ehemaligen Nazi-Würdenträger in der neuen Bundesrepublik.
Das Problem der Suche nach Vorbildern in der Bw ist doch ein ganz Anderes. Mit der Beendigung des Kalten Krieges war für die Zivilbevölkerung die Notwendigkeit der Bw nur noch wie die der Feuerwehr gegeben. Man braucht sie nur wenn es mal wieder mal brennt.
Dann hat leider die Politik vergessen oder besser es absichtlich versäumt die Bevölkerung in die neue Welt der internationalen Kriseneinsätze mitzunehmen. Den Ball möglichst flach halten, damit der Widerstand in Bevölkerung gegen diese Auslandseinsätze nicht überhand nimmt, war die Devise, bis hin zur Leugnung des Kriegseinsatzes der Bw in AFG.
Deshalb hat man die 55 gefallenen Kameraden in AFG auch nicht in die Heldenverehrung aufgenommen, die Gedenkstätte im Bendlerblock nicht mit in Granit gemeisselten Namen versehen und den Ehrenhain aus dem Lager in Mazar nicht an einem öffentlichen Ort in der Hauptstadt aufgestellt sondern irgendwo in einen Wald weit draußen vor der Hauptstadt, wo kein Besuchervekehr von Zivilisten stattfindet.
Also nicht der Überschwang an Vorbildern aus der Wehrmacht ist das Problem, sondern die systematische Verbannung alles Militärischen aus dem öffentlichen Bewusstsein in Deutschland. Mit „freundlichen Desinteresse“ ist dieser Zustand noch sehr milde umschrieben !
@Hans Schommer
Bevor Sie anderen mangelende Kenntnisse vorwerfen, sollten Sie vielleicht selbst n sich gehen.
Die Nachkriegsmemoiren und die Legendenbildung um die ach sosauber kämpfende Wehrmacht sind keine validen Quellen.
Das steht fest. Da kann auch kein v.Crefeld et al. etwas daran ändern.
Alle meine Onkel waren im Krieg an der Ostfront. Zu Fuß, vom Bug bis vor Moskau und wieder zurück. An der verbrecherischen Kriegsführung der Wehrmacht haben sie mir gegenüber nie gezweifelt. Als Augenzeugen im Dienstgrad Gefreite hatten sie keine realistische Möglichkeit „Widerstand“ zu leisten. Nur die Verpflichtung ein Land wieder auf zu bauen und mit der schlimmen Tradition ein für allemal zu brechen.
Und jetzt stellt die Generation mit der „Gnade der späten Geburt“ das wieder in Frage.
Eine Armee im Aufbruch? Vorwärts oder Rückwärts?
Tradition ohne Bindung an Werte des GG (Recht und Freiheit) ist der sichere Weg zurück.
Also lassen Sie bitte die Relativierungen.
@Georg
– „… Ehrenhain aus dem Lager in Mazar … sondern irgendwo in einen Wald weit draußen ..“
1+; es handelt sich um ein verantwortungsloses Trauerspiel des Umgangs mit Gefallenen. Mich wundert nur, dass betroffene Angehörige so ruhig bleiben, desgleichen unser jüngst so viel gelobter BwVerb.
– „… die systematische Verbannung alles Militärischen aus dem öffentlichen Bewusstsein in Deutschland. …“
Erste Sahne.
Und da dies so ist und bleiben wird, egal wer den Titel Kanzler(in) oder IBuK innehat, erübrigt sich jegliche Diskussion, hier und anderswo.
@ Heiner Möllers | 29. Juni 2017 – 15:58
Sie schreiben es selbst:
„Kasernen und andere Einrichtungen der Bundeswehr können mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung nach Persönlichkeiten benannt werden, die sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit und Recht verdient gemacht haben. […] Insofern sind Apels Richtlinien von 1982 eine wichtige Wegmarke, […] Bei den Kasernennamen muss man aber nicht warten, bis ein Minister neue Regeln verordnet. Die alten sind eindeutig und ausreichend.“
Minister Apel war evangelischer Christ genug, da ein „oder“ hineinzubauen.
Ansonsten sollte man trennen können. Sie werden Ihrem Kollegen/Kameraden Gerhard P. Groß mit seinem, von mir geschätzten Werk, „Mythos und Wirklichkeit. Geschichte des operativen Denkens im deutschen Heer von Moltke d.Ä. bis Heusinger.“, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012 kaum absprechen, dass es ihm leicht gelingt, die Notwendigkeit, sich mit Personen der deutschen Militärgeschichte intellektuell auseinanderzusetzen, ohne diese unreflektiert als traditionsgebend oder gar sinnstiftend zu adaptieren – wenngleich ich die Besprechung der Clausewitz Gesellschaft nicht verschweigen will: https://www.clausewitz-gesellschaft.de/besprechung-des-buches-von-gerhard-p-gross-mythos-und-wirklichkeit-geschichte-des-operativen-denkens-im-deutschen-heer-von-moltke-d-ae-bis-heusinger/
Und darauf kommt es mMn an: Wenn der junge Gruppenführer aus „Kriegsnah Ausbilden“ zitierte zum Thema Schanzen, dann ist das nicht so gut, als wenn ein erfahrener Unteroffizier eine Schanzausbildung mit „20xx in Taloquan, da hat uns der Stellungsbau das Leben gerettet“, aber besser, als wenn der junge Gruppenführer sagt „Wir gehen jetzt schachten!“
Das mag despektierlich klingen, worauf ich aber hinaus will: Viele (militärhandwerkliche) Dinge wie militärisches Denken stammen (auch) aus Zeiten, die wir Deutschen heute zum Glück sehr kritisch sehen. Deshalb sind sie nicht falsch bzw. deshalb müssen sie immer noch gelehrt werden (dürfen).
Die Auseinandersetzung mit Menschen der deutschen Geschichte ist wichtig und muss dies ergänzen. Es begegnet den jungen Menschen in der Bundeswehr sowieso. Es ist entscheidend sie dazu zu befähigen, sich mit all deren Facetten auseinandersetzen zu können. Das müssen wir ihnen ermöglichen, sonst machen es andere. Das können wir Demokraten nicht wollen.
Versuchen wir doch mal z. B. über Erich Hoepner uns eine Unterrichtseinheit vorszustellen, die wie ein (rechtsstaatliches) „Gerichtsverfahren“ gestaltet ist, d. h. es wird Belastendes und Entlastendes vorgetragen…und damit bin ich wieder bei:
[…]Kasernen und andere Einrichtungen der Bundeswehr können mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung nach Persönlichkeiten benannt werden, die sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit und Recht verdient gemacht haben. […]“ und Minister Apel.
Ich habe, wie ich meine Minister Apel auch, kein Interesse daran, dass mir ein drittklassiger Karriereoffizier befiehlt z. B. Hoepner oder Beck in ihren Uniformen, die ihnen einst die Nazis auszogen, von der Wand zu nehmen. Das wäre der Kotau vor der Dummheit, vor die uns Hammerstein-Equord so eindringlich gewarnt hatte.
Ich habe aber auch kein Interesse daran, z. B. über Mansteins operatives Denken und Handeln nachzudenken bzw. mich über ihn auszutauschen, ohne seine Verantwortlichkeiten für Angelegenheiten, für die er als Kriegsverbrecher verurteilt wurde, darin mit einzubeziehen und/oder seine Rolle bzgl. der Wehrmachtdebatte im frühen Nachkriegsdeutschland als Folkloretätigkeit zu verharmlosen. Womit ich dann eben wieder bei dazu anhaltenden Büchern wie „Mythos und Wirklichkeit. Geschichte des operativen Denkens im deutschen Heer von Moltke d.Ä. bis Heusinger.“ wäre.
Ralph Giordano, Jakob Knab und Donald Abenheim differenzieren da kaum bis nicht. Nun, die drei müssen das auch nicht. Aber mann muss sich nicht veränsgtigen lassen, dass man nicht differenzieren dürfe!
Wer ist nun traditionswürdig? Ich lasse das offen.
Der Wunsch General Hansens nach „Bottom up“ Vorschlägen, scheitert oftmals schon an der Bildung bzw. dem Desinteresse an einer gründlichen Auseinandersetzung mit der (deutschen Militär-)Geschichte.
Dann ändern wir das bitte. Zeit wird es.
P.S. und off-topic: Forscht jemand an Ihrem Haus zur Rolle der Rot Kreuz Schwestern im Wehrmachtgefolge?
Die Benennung von Kasernen nach einzelnen Angehörigen der Wehrmacht ehrt im Übrigen das Individuum und nicht die Organisation.
Der Traditionserlass war auch nie dazu gedacht Kasernenumbenennungen zu rechtfertigen. Hans Apel hat die Wirkung schlichtweg unterschätzt und die heutige Auslegung war auch nicht in seinem Sinne. Bezeichnend ist, dass ausgerechnet derjenige, der für diesen Erlass verantwortlich war, sich vehement für Mölders eingesetzt hat.
@Soenke Marahrens
Ich glaube Sie haben nicht wirklich verstanden was ich geschrieben habe. Ich habe nichts gegen kritische Militärgeschichtsschreibung und das Buch Verbrechen der Wehrmacht steht übrigens bei mir im Schrank. Aber im Gegensatz zu einigen Historikern ist mir deswegen nicht die Fähigkeit zur Differenzierung abhanden gekommen.
pro Editierfunktion! Bitte.
Korrektur:
„…dass es ihm leicht gelingt, die Notwendigkeit, “
„…dass es ihm leicht gelingt, die Notwendigkeit aufzuzeigen und eine Möglichkeit dazu zu skizzieren, sich mit Personen der deutschen Militärgeschichte intellektuell auseinanderzusetzen,…“
„Deshalb sind sie nicht falsch bzw. deshalb müssen sie immer noch gelehrt werden (dürfen).“
„Deshalb sind sie militärfachlich nicht generell falsch bzw. trotzdem müssen sie immer noch gelehrt werden (dürfen).“
Das Ringen um Freiheit und Recht (Feuer) muss die Basis für unsere wertegebundene Tradition sein, der Rest ist Geschichte (Asche).
Das es in den TSKs noch fachliche Traditionen gibt ist ein ganz anderes Thema, denn das Abfertigen eines Lfz, Fregatte oder die Bedienung eines Panzers ist werteneutral und hat nichts mit den Werten der FDGO zu tun. Hier geht es um Effizienz und handwerkliches Können. Was sich bewährt wird zur Tradition.
Traditionserlass:
19. Soldatische Erfahrungen und militärische Leistungen der Vergangenheit können für die Ausbildung der Streitkräfte von Bedeutung sein. Dabei ist stets zu prüfen, inwieweit Überliefertes angesichts ständig sich wandelnder technischer und taktischer, politischer und gesellschaftlicher Gegebenheiten an Wert behält. Die Geschichte liefert keine Anweisungen für künftiges Verhalten, wohl aber Maßstäbe und Orientierungen für Haltungen.
Interessant wird was im Nachfolgenden Kapitel geändert oder ergänzt werden soll.
20. Die Bundeswehr pflegt bereits eigene Traditionen, die weiterentwickelt werden sollen. Dazu gehören vor allem:
– der Auftrag zur Erhaltung des Friedens in Freiheit als Grundlage des soldatischen Selbstverständnisses;
– der Verzicht auf ideologische Feindbilder und auf Hasserziehung;
– die Einbindung in die Atlantische Allianz und die kameradschaftliche Zusammenarbeit mit den verbündeten Streitkräften auf der Grundlage gemeinsamer Werte;
– das Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ und die Grundsätze der Inneren Führung;
– die aktive Mitgestaltung der Demokratie durch den Soldaten als Staatsbürger;
– die Offenheit gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen und die Kontaktbereitschaft zu den zivilen Bürgern;
– die Hilfeleistungen für die Zivilbevölkerung bei Notlagen und Katastrophen im In- und Ausland.
Das sind unverwechselbare Merkmale der Bundeswehr.
Evtl benötigen wir ein weiteres Kapitel im Traditionserlass:
Europa
Gerade im Staatsgebiet der BRD hat Erfahrungen mit dem Wechsel vom Staatenbund zum föderalen Staat und dessen Umgliederung (1833/1834 ,1871,1919, 1933, 1949, 1989).