Russland stoppt Zusammenarbeit mit USA für Syrien-Flüge, will Koalitions-Jets tracken (Neufassung)
Die – faktische – Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA bei der Koordinierung von Angriffsflügen über Syrien ist am (heutigen) Montag erneut ausgesetzt worden. Nachdem die US-Luftwaffe ein Flugzeug der syrischen Luftwaffe über Syrien abgeschossen hatte, warf das russische Verteidigungsministerium den USA nicht nur eine Verletzung der syrischen Souveranität vor: Die US-Luftwaffe habe sich auch noch nicht einmal darum bemüht, vor ihrem Angriff über den heißen Draht zur deconfliction mit den russischen Streitkräften Kontakt aufzunehmen.
Als Folge würden künftig alle Flüge der US-geführten internationalen Anti-ISIS-Koalition in den russischen Operationsgebieten westlich des Euphrat als legitime Angriffsziele betrachtet und von der russischen Flugabwehr in Syrien per aufgeschaltetem Radar verfolgt, erklärte das Ministerium. Das dürfte auch die Flüge deutscher Aufklärungstornados betreffen.
Was die russische Ankündigung allerdings konkret bedeutet, bleibt vorerst unklar – in der russischen Erklärung, die zwischenzeitlich in verschiedenen englischsprachigen Übersetzungen kursierte, wird von einem tracking der Flüge der Anti-ISIS-Koalition gesprochen. Eine Drohung, die Flugzeuge abzuschießen, gab es aber so nicht.
Die Zusammenarbeit zwischen den Luftstreitkräften der USA und Russlands, mit der allein schon flugtechnisch gefährliche Zusammentreffen von Kampfjets verschiedener Nationen über Syrien vermieden werden sollen, hatte Russland bereits im April ausgesetzt: Damals hatten die USA als Vergeltung für einen dem syrischen Regime angelasteten Chemiewaffenangriff eine syrische Luftwaffenbasis mit Marschflugkörpern weitgehend zerstört. Allerdings hatten beide Länder, ohne dass es groß kommuniziert worden wäre, offensichtlich danach den heißen Draht wieder aktiviert – sonst wäre die heutige russische Erklärung nicht zu verstehen.
Ob die aktuelle russische Ankündigung dazu führt, dass die Bundeswehrjets in der Anti-ISIS-Koalition voerst nicht über Syrien fliegen, wollte das deutsche Verteidigungsministerium unter Hinweis auf die Geheimhaltung der Flugbewegungen nicht mitteilen. Im Unterschied zu der Situation im April hat die NATO jedoch inzwischen ein besseres Luftlagebild auch von der Situation über Syrien, weil die AWACS-Aufklärungsflugzeuge der NATO inzwischen als Teil der internationalen Koalition auch die Flugbewegungen über dem arabischen Land beobachten und die eigenen Flugzeuge entsprechend warnen und steuern können.
Die Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums (im englischsprachigen Original, wie sie auf der Facebook-Seite des Ministeriums veröffentlicht wurde):
Statement of the Russian Defence Ministry concerning downing of the Syrian Su-22 near the town of Resafa
On June 18, 2017 the American fighter F-18A belonging to the international coalition shot down the Su-22 aircraft of the Syrian Air Force, which was performing a combat mission supporting the government troops, which were conducting the offensive against the ISIS terrorists near the town of Resafa (40 km to the south-west of the city of Raqqa).
As a result of the attack, the Syrian aircraft was destroyed. The pilot baled out over an ISIS-controlled area, his status is unknown.
The destruction of the aircraft of the Syrian Air Force by the American aviation in the air space of Syria – is a cynical violation of the sovereignty of the Syrian Arab Republic.
Numerous combat activities of the US aviation carried out under the cover of “fight against terrorism” aimed against the legitimate Armed Forces of a UN-member is a blatant breach of the international law and is in fact an act of military aggression against the Syrian Arab Republic.
Moreover, at that time the aircraft of the Russian Aerospace Forces were also performing combat missions in the air space of Syria. However, the Command of the coalition forces did not use the existing channels of communication between the Command of the Al Udeid Air Base (Qatar) and the Hmeymim Air Base Command to prevent air incidents in the air space of Syria.
The Russian party considers those actions of the US Command as an intentional failure to fulfill its obligations within the Memorandum on prevention of incidents and providing of flight security during the operations in Syria dated October 20, 2015.
Since June 19, 2017, the Russian Defence Ministry has stopped the cooperation with the American party within the Memorandum on prevention of incidents and providing of flight security during the operations in Syria and demands a thorough investigation of the incident by the US Command with further providing of information on its results and the taken measures.
In the combat mission zones of the Russian aviation in the air space of Syria, all kinds of airborne vehicles, including aircraft and UAVs of the international coalition detected to the west of the Euphrates River will be tracked by the Russian SAM systems as air targets.
Mit einem etwas anderen Wortlaut hatte die russische Nachrichtenagentur TASS zuvor das Verteidigungsministerium in Moskau zitiert:
„Any aircraft, including planes and drones of the international coalition, detected in the operation areas west of the Euphrates River by the Russian air forces will be followed by Russian ground-based air defense and air defense aircraft as air targets,“ the report said.
Die vom Ministerium selbst veröffentlichte Version legt nahe, dass die russischen Flugabwehrsysteme in der Nähe russischer Luftwaffenbasen in Syrien Flugzeuge in ihrem Radarbereich nicht nur erfassen, sondern möglicherweise auch das Zielverfolgungsradar aufschalten. Ein solcher lock-on wird normalerweise als feindliche Absicht angesehen; in diesen konkreten Fällen wird es sehr auf die Einschätzung der Situation und der Absicht der russischen Streitkräfte ankommen.
(Foto: Ein Tornado-Pilot mit einer Nachtsichtbrille und der neuen grünen Cockpitbeleuchtung im Rahmen der Mission Counter Dash in Incirlik, Türkei, am 30.01.2016. (dunkles Visier lediglich zum Identitätsschutz des Soldaten) – Bundeswehr/Falk Bärwald)
Und die nächste Eskalationsstufe ist der dritte WK. Laut der nachrichtenlage scheinen die Iraner auch schon anzufangen mit Artillerieraketen auf syrisches Gebit zu feuern.
[Das war schon gestern, das mit den iranischen Raketen. T.W.]
„Any aircraft, including planes and drones of the international coalition, detected in the operation areas west of the Euphrates River by the Russian air forces will be followed by Russian ground-based air defense and air defense aircraft as air targets,“ the report said.
Klare Ansage. M.E. nachvollziehbar. Da kann sich in diesem offensichtlich „völkerrechtsfreien Raum“ keiner beschweren. Wer es dennoch tut – ein Heuchler oder ein Strolch. Oder beides.
Nur meine zwei €-Cent – um’s mal mit den Worten unsrer Anglophilen zu sagen.
Hans Schommer
„………operation areas west of the Euphrates River“ Ziemlich klare Ansage, auch geographisch ;-)
Die DE Tornados wird man natürlich auch tracken, aber nicht als threat.
Fast alle sind sich einig: Hier droht zwar kein dritter Weltkrieg, aber eine Art Neuauflage des Koreakrieges oder eines ähnlichen begrenzten Konflikts alle mal. Aber man bedenke: Begrenzt bliebe eine Eskalation sehr wahrscheinlich, wenn eine ruhige US-Regierung am Werke wäre. Aber wie werden Mattis und Trump reagieren, wenn ein Angriff auf syrische Truppen nächstes Mal mit aller Härte durch Syrien und seinen wichtigsten Verbündeten zurückgeschlagen wird?
Ingo Heinscher | 19. Juni 2017 – 15:32
Das kann man Pauschal nicht sagen
wenn die erste US Maschine auf dem Boden liegt ( von einer MIG )
wenn man dann eine MIG abschießt dann wird es Interessant
Nur Putin ist nicht der Typ der einen 3ten will
aber lassen wir nur im Pazifik auch was Passieren
das ist das Pulferfass 2017
wie das von 1910 gleich kommt
aber am ende war es Nationalisten von Serben die das entzündet hatte und nicht wie die Experten meinten das es in der Nordsee geschied
Interessant, mal wieder. Völkerrechtlich, wie militär-strategisch. Auch wenn das VR recht hohl ist und wenn´s heiß wird nur auf dem Papier Bestand hat, legitimiert man damit ja sein Handeln nur allzu gern, wenn es denn passt. Russland ist auf Wunsch der legitimen Regierung dort – die USA auf eigene Faust.
Hat einer Daten zu dem Kräftegleichgewicht vor Ort? Sind die Russen wirklich in der Lage den Luftraum abzuriegeln? Wenn, dann doch nur unter Zuhilfenahme von Boden-Luft-Systemen, da sie aufgrund der US-Basen flugzeugtechnisch in dem Gebiet deutlich unterlegen sein müssten.
Trump und Mattis können sich in dieser Schachpartie als ein sehr spannendes Duo erweisen, wenn es darum geht gegen Putin zu taktieren.
Najaaa. Der vorfall dürfte es für die deutschen mit den tornados auch nicht einfacher machen. Für meinen Geschmack sind da inzwischen zuviel akteure gleichzeitig in der Luft. Und ob der nächste syrische Mig 23 oder 29 Pilot wirklich weiß auf was er die nächste kurzsrecken LuftLuftRakete abfeuert ist fraglich.
@Hr. Wiegold: Danke für den Bericht.
Das scheint eine sehr sorgfältige Wortwahl.
Exakt. Juristisch ist es sogar ein Nullsatz, da er nichts ändert. Praktisch ändert es eine Menge, da vom Wording her alle Absprachen/Koordinationslinien und Gentleman Agreements beendet wurden. Aber:
Weiter dann wohl nach Entwicklung.
Korrekt, erstmal sacken lassen.
Assad scheint sich jetzt stark genug zu fühlen, die SDF/ YPG anzugreifen. Ohne Schutz durch die USA wären die SDF/ YPG gegen Assads Luftwaffe machtlos. Eine durch Assad geschwächte YPG würde aber dem IS eine Rückkehr erleichtern. Als alleiniger Herrschaftsfaktor ist Assad trotz Hilfe durch Hisbollah und iranischen Milizen zu schwach und von den Kurden und meisten Sunniten auch nicht gewollt.
„… in den russischen Operationsgebieten westlich des Euphrat …“
Da war OIR auch bisher nicht tätig.
Alles nur heiße Luft.
… und da sind die bestimmt auch nie langgeflogen.
(Manbij ist ja auch westlich des Euphrat, oder?
http://www.af.mil/News/Article-Display/Article/1143799/mq-1-mq-9-aircrews-help-liberate-manbij/ )
Die RUS – U.S. Abrachen zum SYR Luftraum stammen vom 10.09.16 zwischen Lawrov und Kerry in Genf, 13-stündige Verhandlungen.
Manbij ist kurdischer und U.S./SOF OpsRaum, in dem RUS nie präsent war.
Obiger Link benennt Ops Mai bis Aug 16.
In Syrien wechseln die Seiten heute schneller als man sieht.
Vor einem Monat waren die USA drauf und dran, die Kurden samt SDF an die Türken ans Messer zu liefern, heute ist die SDF der Festlandsdegen für „Saudi-America“ im Sunnitisch-Schiitischen Glaubenskrieg, währen die Gruppen, die von Katar unterstützt wurden teilweise gegen ihre ehemaligen Verbündeten von Saudis Gnaden kämpfen.
Ich hatte ja immer gedacht, der Zirkus fängt an, wenn Raqqa und Mosul gefallen sind, aber die können es anscheinend nicht abwarten….
Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde das MoU nach dem Tillerson Besuch in Russland wieder in Kraft gesetzt. Link auf Sputnik International:
https://sputniknews.com/middleeast/201704251052965996-russia-us-flight-safety-memorandum-restored/
Sachfrage btw.: Sind die deutschen ECR Tornados heutzutage noch befähigt, die Flugabwehr gegnerischer Kräfte niederzuhalten bzw. zu zerschlagen?
(Die Frage vor dem Hintergrund einer sinngemäßen Bemerkung eines Kommentators vor einigen Wochen, dass dies nicht mehr der Fall sei.)
@ freisprech
„…. auf dem Papier Bestand hat, legitimiert man damit ja sein Handeln nur allzu gern, wenn es denn passt. Russland ist auf Wunsch der legitimen Regierung dort – die USA auf eigene Faust.“
Njet. Die USA üben in Syrien das (kollektive) Selbstverteidigungsrecht des Iraks aus der durch den aus Syrien operierenden IS angegriffen wurde. Das operieren auf syrischem Territorium gegen den IS ohne zustimmung des Territorialstaates Syrien (vulgo Assad regierung) ist dabei durch die „unwilling & unable“ Doktrin die mittlerweile gängige völkerrechtspraxis ist (unter anderem stütz sich auchdas deutsche tornadomandat darauf) gedeckt.
die USA bewegen sich insofern formaljuristisch durchaus auf dem boden des völkerrechts auch wenn die Verteidigung des Rechts naturgemäß nicht alleinige, oder auch nur primäre, Motivation des Einsatzes ist.
Insofern unterscheiden sich russland und die Westkoalition kaum, beide operieren auf unterschiedlicher, aber sich nicht gegenseitih ausschließender, völkerrechtlicher Grundlage, verfolgen letztlich aber regionalstrategische interessen.
Völkerrecht ist eben auch kein Ponyhof
Ein zum Gesamtkomplex ISIS passender Merkposten, den ich vorläufig hier mal parke:
http://www.middleeasteye.net/news/eu-considers-security-mission-help-stabilize-iraq-after-mosul-falls-1668998328
Stimmt die Aussage zur SU22?
@von_Gneisenau
Syrian Su22 that was shot down by the US was a bomber on a bombing mission against ISIS, it was not a fighter jet and couldn’t defend itself.
https://twitter.com/S_Schwarzkopf/status/876843823342735361
Gem U.S. GenstChef hat RUS den gemeinsamen Kommunikationskanal nicht gekappt.
Alles nur Propaganda, mediales Pflichtprogramm für Assad?
Ich beziehe mich auf die TASS-Meldung heute Nachmittag: http://tass.ru/politika/4348420
Der Satz lautet „В районах выполнения боевых задач российской авиацией в небе Сирии любые воздушные объекты, включая самолеты и беспилотные аппараты международной коалиции, обнаруженные западнее реки Евфрат, будут приниматься на сопровождение российскими наземными и воздушными средствами противовоздушной обороны в качестве воздушных целей“ wobei es hier im Detail um die Formulierung „будут приниматься на сопровождение“ geht. Das heisst soviel wie „wird vornehmen die Begleitung“. Diesen letzten Halbsatz im schlechten deutsch übersetzt also „mit den russischen Boden- und Luftmitteln der Luftverteidigung zur Abwehr von Luftzielen“.
In verständliche Form gebracht :… westlich des Flusses Eufrat werden die russischen Boden- und Luftmittel der Luftverteidigung zur Abwehr von Luftzielen die Begleitung vornehmen“.
@Stefan Büttner
Steht da irgendwas zu RUS Operationsraum, was nämlich dann in der Praxis nichts Neues beinhaltete?
@Stefan Büttner
Hm, finden Sie das verständlicher?!
Ich halte mich dann lieber an die vom russischen Ministerium selbst veröffentlichte englischsprachige Fassung…
@Stefan Büttner
Zusatzfrage: Was heißt in Taktikdeutsch “ … die Begleitung vornehmen“.
Tracking&Flugbegleitung?
@Klauspeterkaikowsky
Ja, eine Su-22 ist ähnlich wie unser Tornado ein Jagdbomber mit äußerst minimalen Jagdfähigkeiten. Die Bewaffnung mit infrarotgelenkten Luft-Luft-Raketen zur Selbstverteidigung ist zwar möglich, wird aber von den Syrern nicht praktiziert. Jedenfalls sieht man auf den Bildern ausschließlich Luft-Boden-Bewaffnung.
@QuiGon
Danke für die Nachhilfe.
@T.W.,S.Büttner:
Wörtlich würde ich den Teilsatz auch als „werden von RUS [Luftabwehr] als Ziele in Begleitung genommen werden“. Insofern ist die obige englische Übersetzung durchaus präzise.
Ansonsten, Herr Wiegold, vielen Dank für den Verweis auf die Meldung des Middle East Monitor, auch wenn es sich wohl noch eher um ein „ist im Gespräch“ so wie eine „Polizeimission“ für die Ostukraine auch vor einem Jahr „im Gespräch“ war.
Ohne Nahost-Experte zu sein: Ich denke, der Irak wird auch nach Sieg über den IS nicht so schnell zur Ruhe finden. Die Meldung über das für September angekündigte Referendum der Kurden ging ja z.B. im allgemeinen Katar-Rummel etwas unter, birgt aber wohl mindestens genauso viel Sprengkraft.
Ein Stück weit finde ich die Frage hochinteressant, wie das auf Erdogan wirken könnte. Immerhin senden die USA das starke Signal die kurdischen Verbündeten (als Bestandteil der SDF nebst Arabern) sogar auch dann zu schützen, wenn es eine Eskalation mit Russland auslösen kann, die eben auch für die US-Piloten heikel werden könnte.
Und wenn Russland seine bzw. die syrische rote Linie im Luftraum westlich vom Euphrat zieht, dann betrifft das schlussendlich auch die Bodentruppen der SDF, die ohne Luftunterstützung besser einmal am östliche Ufer halt machen.
Das könnte Erdogan weiter von der USA (somit der NATO) entfernen bzw. Russland in seinen Augen attraktiver machen, weil er so die Wahrscheinlichkeit der Gründung eines kurdischen Staates minimieren kann, mindestens aber den Einflussbereich der Kurden au das östliche Ufer einschränken kann.
hm.
U.S. Forces ‚Reposition Over Syria‘ after Russian Threat
Nach Aussagen der SDF wurden sie nicht angegriffen. Der Pilot soll von den SDF bereits an die syr. Kräfte übergeben worden sein. Es ist anscheinend so, dass die Amis eskaliert haben.
Es sei auch angemerkt, dass die Amis nie behauptet haben, dass die Syrer die SDF angegriffen hätten. Die SU-22 habe Bomben in der Nähe der SDF abgeworfen. Daher habe man kollektive Selbstverteidigung geübt.
Das ist entweder ziemlich blöd oder man will bewusst einen Konflikt zwischen SDF und der Syr. Armee entzünden.
Möglicherweise wird hier viel in englischer Sprache kommuniziert und auch gedacht. Mir persönlich fällt es leichter etwas von der russischen Sprache direkt in die deutsche Sprache zu übersetzen als von der englischen Sprache in die deutsche Sprache. Da ist dann nämlich schon eine Sprache „dazwischen“ und das kann auch (muss aber nicht) Ungenauigkeiten erzeugen. Die hier vorgenommene englische Übersetzung habe ich übrigens nicht in Zweifel gezogen oder in Frage gestellt. Aber es ist halt eben immer auch die Frage ob jemand mit englischsprachigen Begriffen und Formulierungen „denkt“ oder sich an der deutschen Muttersprache orientiert. Ich suche noch nach der russischen Entsprechung von „lock-on“, im deutschen wäre das wohl anstrahlen oder aufschalten? Die Erstellung eines identifizierten Luftlagebildes ist mMn noch eine ganz normale Handlung und das „begleiten“ (auf dem Schirm) von „Luftzielen“ (so nennt sich das halt) gehört eben mit dazu. Die Russen teilen mit etwas zu tun von dem ich erwartet hätte das sie es sowieso schon vom ersten Tag an getan haben. Vielleicht einfach nur eine Show.
Die Russen haben – für „Experten“ klar verständlich – den USA klar signalisiert, dass sie sich das „Recht“ vorbehalten alle Flugzeuge der Koalition westlich des Euphrat jederzeit in Zielverfolgung/Feuerleitung zu nehmen. Zugleich ist das ein „Deutschuß“ an Assad, auf keinen Fall weiter auf Raqqa vorzustoßen als bis zum Euphrat. Die USA haben nun signalisiert, dass sie mit dem „deal“ einverstanden sind und die Unterstützung der SDF-Kräfte südlich Raqqa/westlich Euphrat wohl einstellen. Damit ist der Versuch der USA/SDF wohl endgültig gescheitert entlang des Euphrat nach Deir ez-Zor vorzustoßen
Wäre auch sinnlos, denn der Vorstoß von Süden von Jordanien aus durch die von den USA unterstützten „Rebellen“ ist mittlerweile durch SAA/iranische „Milizen“ auch geblockt. Frage ist nun, ob die SDF sich aus ihrem „Brückenkopf“ südlich Raqqa westlich des Euphrat zurückziehen auf die östliche Seite.
Der deal lautet also: OK, wir tauschen Raqqa gegen Deir ez-Zor und der 3. Weltkrieg fällt wieder einmal aus. Die Balkanisierung Syriens und des Irak gegen die Russen und Iraner ist nicht mehr möglich, „Dayton2.0“ fällt aus.
Falls meine „Deutung“ zutrifft, dann können wir eigentlich die Tornado nun nach Hause holen, denn welche IS-Ziele gibt es denn noch großartig aufzuklären für die Koalition in Syrien und Irak. Das Kalifat ist „erledigt“ als radikalsunnitischer Protostaat.
Etwas OT: auch im Baltikum fällt der 2. Kalte Krieg aus, Stoltenberg hat gerade erklärt, dass der NATO-Aufmarsch“ (meine Formulierung) abgeschlossen ist, dass keine weitere Verstärkung vorgesehen ist und der estnische MP hat erklärt, dass man keinen Kalten Krieg mit Rußland will (N-TV).
@wacaffe:
„Das operieren auf syrischem Territorium gegen den IS ohne zustimmung des Territorialstaates Syrien (vulgo Assad regierung) ist dabei durch die „unwilling & unable“ Doktrin die mittlerweile gängige völkerrechtspraxis ist (unter anderem stütz sich auchdas deutsche tornadomandat darauf) gedeckt.“
Sie sagen sicherlich nicht ohne Grund Doktrin oder?
Das Thema ist keineswegs so klar und hoch brisant, denn es birgt in sich, dass dadurch der Gewaltverzicht der UN Charte massiv ausgehölt wird.
Weiterhin sind solche Aktionen, selbst wenn man mit so einer Doktrin argumentiert, mal mindestens so lange kritisch zu sehen wie der UN Sicherheitsrat sie nicht mit einem Mandat ausstattet.
Hier mal ein kurzer Text, der die Problematik anreisst:
https://www.juwiss.de/83-2015/
und noch dieses, aktuell:
Australia suspends air strikes in Syria after U.S. downing of Syrian jet
@klabautermann
Zum Baltikum sollte ich gesondert was machen, dann reden wir da auch noch drüber. (Zapad, anyone? Aber bitte nicht hier diskutieren.)
@wacaffe/Yossarian
Eben, es ist eine Doktrin, die alles andere als gängige Völkerrechtspraxis ist. Im Extremfall können damit nicht vom Sicherheitsrat gebilligte militärische Handlungen, die sich gegen jede erdenkliche Gruppe, in jedem erdenklichen Staat richten und unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung, einhergehend mit dem fehlenden Willen, der einfach unterstellt werden kann, des Zielstaates zu eben jener, legitimiert werden.
@klabautermann
„Welche IS-Ziele gibt es denn noch großartig aufzuklären für die Koalition in Syrien und Irak?“
Gute Frage, müsste doch eigentlich das BMVg beantworten können.
@freisprech: Und gerade die unwilling OR unable Doktrin ist ein primär von Seiten der USA vorangetriebenes „Projekt“. Passt natürlich ziemlich perfekt zu deren militärischer Einmischung überall auf der Welt. Und selbst wenn das ins gängige Völkerrecht einfließt, so kann ich mir kaum vorstellen, dass sowas ohne UN Mandat funktionieren würde. Ein Mandat, mit welcher Argumentation auch immer, haben die USA in Syrien aber eben gerade nicht.
@klabautermann
Es soll aber nicht so aussehen, dass die SDF die Gebiete um die Luftwaffenbasis südlich von Raqqa aufgeben wollen, im Gegenteil: Es soll wohl eine permanente US-Basis errichtet werden.
@T.W.
Ja, schon klar – wollte nur darauf „hinweisen“, dass es wohl auf ganz hoher Ebene ein stillschweigendes, grundsätzliches Einvernehmen gibt zwischen Moskau und Washington sich geopolitisch von niemanden mehr „instrumentalisieren“ zu lassen – insofern braucht man also die doomsday-clock nicht weiter vorstellen. Die scheint bei 2,5 Minuten vor zwölf nun angehalten worden zu sein.
Mit Blick auf die angeblich sowohl vom Iran als auch von den USA „ferngesteuerten“ Iraker finde ich deinen Merkposten in Sachen Anfrage an die EU sehr interessant. Man sollte nicht vergessen, dass die Iraker in erster Linie Araber und keine Perser sind, das sehen auch shiitische Iraker so. Und da die EU gerade dabei ist sich von den USA gezwungener Maßen geopolitisch zu emanzipieren, macht es natürlich Sinn sich an die EU zu wenden in Sachen „Security-Advice“. Was immer man von Trump halten mag, seine „CIA-Allergie“ hat auf jeden Fall dazu geführt, dass so ziemlich jeder „verdeckten Kriegsführung“ in MENA der jeweilige „Nährboden“ entzogen wird. Deswegen auch dieser Druck auf Katar – einfach die Muslimbrüder fallen lassen und gut ist.
Ich liebe diese Völkerrechtsdiskussionen. Historische Tatsache ist doch, dass das „geschriebene“ Völkerrecht kein positivistisch-durchsetzbares Recht ist. Völkergewohnheitsrechtlich kann ein Staat durchaus das geschriebene Völkerrecht verletzen, wenn er diese Verletzung „durchsetzen“ kann mit seinen staatlichen „Durchsetzungsmitteln“. Siehe Golan-Höhen, siehe Kosovo, siehe Krim oder siehe das entern der türkischen Ghaza-Flotte durch die israelischen Streitkräfte.
Da nun aber die USA gegen die Russen ganz bestimmt nicht in der Lage oder willens sind den Bruch der syrischen Souveränitätsrechte mit Gewalt landesweit durchzusetzen, werden sie nun ganz schnell „beidrehen“ und auf den russischen „Vorschlag“ eingehen.
@klabautermann Ich wollte selbst etwas schreiben, aber Ihr hervorragender Kommentar kam mir zuvor. Ich glaube – nach allem was ich sonst gelesen habe – dass Ihre Deutung genau auf den Punkt trifft. Hoffen wir, dass Sie Recht haben.
Australien reagiert und setzt Einsatz seiner Luftwaffe vorerst aus.
Moskau also auf dem Weg der Zielerreichung durch Herstellung von Öffentlichkeit dessen, was stets gemacht wurde: Zielaufklärung und – verfolgung!?
http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-australien-setzt-kampfeinsaetze-aus-wegen-russland-a-1153050-amp.html
[Wie oben 9:22 verlinkte Reuters-Meldung im Orignal schon sagt. Aber SpOn ist schöner? T.W.]
@klabautermann:
„Ich liebe diese Völkerrechtsdiskussionen. Historische Tatsache ist doch, dass das „geschriebene“ Völkerrecht kein positivistisch-durchsetzbares Recht ist.“
Natürlich und das war hier auch gar nicht der Punkt. Es kann ja keiner, der die Weltpolitik verfolgt, ernsthaft zu dem Schluss kommen, dass das Völkerrecht besonders durchsetzungsstark wäre.
Aber ist die Schlussfolgerung daraus es einfach sein zu lassen? Dass eine Supermacht sich davon nicht allzu sehr beeindruckt fühlt, ist klar und wird regelmäßig durch die Realität belegt.
Wenn man sich dann solche Alibikonstrukte wie die unwilling or unable Doktrin noch sparen würde und nicht ständig vorgeben würde für die großen heiligen Menschenrechte in den Krieg zu ziehen und das so auch von den Völkern legitimiert wird (bei uns eben durch Wahlen), dann würde ich das tatsächlich als einen Schritt vorwärts interpretieren.
@Yossarian
Na ja, der Ansatz der Aufweichung des völkerrechtlichen Gewaltverbots zur Durchsetzung nationaler, geopolitischer Interessen auch durch diese „Unwilling or Unable“-Formel ist ja nun in Syrien schlicht und einfach nicht mehr durchhaltbar nachdem Rußland als „Enabler/Reinforcer“ der syrischen Souveränitätsrechte in Syrien auf Einladung Syriens auf den Plan getreten ist. Genau das habe ich mit meinem Kommentar ja gemeint. Der geopolitische Pragmatismus der USA auch in Sachen Völkerrecht ist ja nun „weltweit bekannt“, aber ein Pragmatiker erkennt auch sehr schnell, dass er völkerrechtlich und geopolitisch nur verliernen kann, wenn er den „Bogen“ militär-taktisch überspannt.
Einen Pragmatiker mit Atombomben können sie nur „überzeugen“ wenn sie selber ein Pragmatiker mit Atombomben sind. Mit Ethik, Moral und Völkerrecht können sie Pragmatiker mit Atombomben nur sehr schwer „überzeugen“, der Versuch ist sicherlich „ehrenwert“, aber letztendlich müßig insbesondere wenn es ein amerikanischer Pragmatiker ist, der nach dem Prinzip „Wer gewinnt hat Recht“ so lange vorgeht bis die Verlustrisiken seine Gewinnchancen übertreffen. Dann einigt er sich zumeist ganz schnell und ganz pragmatisch mit seinem Gegenspieler auf loss-loss-minimization ;-)
Zitat von dailybeast.com:
http://www.thedailybeast.com/us-forces-reposition-over-syria-after-russian-threat
[Ja, auch diesen Text von The Daily Beast hatte ich oben verlinkt. Bekommen wir jetzt – erneut – den Trend, hier eingestellte Links noch mal reinzusetzen, damit jeder was dazu zu sagen hat? T.W.]
@klabautermann:
Da kann ich wenig wiedersprechen.
@T.W.: Vor dem posting habe ich hier nach „beast“ gesucht und nichts gefunden – sorry. Mir ging es jedoch weniger um den link (der dient nur der Quellenangabe), sondern vor allem um das Zitat mit „show of force“ und „called … over the deconfliction channel“. Beides war hier bislang nicht zu lesen.
Einsätze westlich EUPHRAT wie gewohnt, einschließlich ar-Raqqa, auf beiden Euphratufern gelegen.
17/18 Juni.
http://www.inherentresolve.mil/Portals/14/Documents/Strike%20Releases/2017/06June/20170620%20Strike%20Release%20-%20Final.pdf?ver
@ klabautermann/yossarian et. al
mir kommen da zu viele diskursebenen durcheinander:
ad1:
ging es mir darum das man das Handeln der USA (und derivativ das der Restmischpoke inklusive des selbsternannten Völkerrechtspropheten Deutschland) durchaus auch aus dem geltenden (bzw. emergenten) Völker(gewohnheits)recht.
ableiten kann.
Wir haben hier sowohl opinio juris als auch staatepraxis einer stark steigenden (mittlerweile auch gros der EU staaten) Anzahl von Staaten. Es ist keineswegs nur die USA die dieses Prinzip forcieren sondern u.A. auch FRA und GB. Die tatasache das die deutsche Völkerrechtslehre notorische realpolitikneurosen hat und viele entwicklungen nicht sein können weil sie es vermeintlich nicht dürfen ändert daran nichts.
ad2:
bin ich völlig d’accord was die Ausführungen klabautermanns zur realpolitischen Konturierung des Völkerrechts angeht. Tenor: die starken tun was sie können, die schwachen erdulden was sie müssen. ces’t la vie.
ad.3
begeben sich hier einige m.E. in innere Widersprüche weil sie einerseits permanent nach einem UNSC Mandat zwecks legitimation schreien, Selbiger aber durch seine Konstituierenden PArteien paralysiert wird, vulgo handlungsunfähig ist. Ergo plädieren sie letztlich für passivität. das ist dann auch nicht des rätsels lösung und kaum völkerrechtskonform im idealistischen Sinne ( Stichwort: subiectio nur gegen protectio)