Von der Leyen wertet Stellung von MAD und innerer Führung auf
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat nach der Debatte über rechtsextremistische Tendenzen in der Bundeswehr und den herabwürdigen Umgang mit Untergebenen die Rolle des Militärgeheimdienstes und des Zentrums Innere Führung gestärkt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Zentrum Innere Führung werden künftig direkt dem Ministerium unterstellt. Der militärische Nachrichtendienst erhalte damit im Behördengefüge die gleiche Stellung wie der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz, heißt es in einem Tagesbefehl der Ministerin vom (heutigen) Montag.
Der Tagesbefehl gilt nicht allein diesen beiden Einrichtungen, sondern sieht grundlegende Umstrukturierungen in der Streitkräftebasis (SKB) vor. Deren Inspekteur Martin Schelleis verliert zwar den Zugriff auf MAD und Zentrum Innere Führung, bekommt dafür aber direkten Zugriff auf die Kommandos für ABC-Abwehr und Feldjäger: Damit soll er als so genannter Nationaler Territorialer Befehlshaber im Inland schneller agieren können, aber auch beim Einsatz der SKB in der Landes- und Bündnisverteidigung.
Der Tagesbefehl, wie er vom Verteidigungsministerium veröffentlicht wurde, im Wortlaut zum Nachlesen*:
Soldatinnen und Soldaten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!
Die sicherheitspolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre erfordern es, die Bundeswehr an neue Herausforderungen anzupassen. Mit dem Weißbuch haben wir die entscheidenden Schlussfolgerungen formuliert. Seitdem setzen wir sie praktisch um. Hier spielt die Streitkräftebasis eine besondere Rolle, denn Unterstützung ist eine elementare Voraussetzung für die Befähigung zur Führung, Aufklärung und Wirkung aller militärischen und zivilen Organisationsbereiche.
Da geht es zum einen um die wachsende Relevanz der Landes- und Bündnisverteidigung für die Bundeswehr. Unmittelbare Folge dessen ist die gestiegene Bedeutung Deutschlands als zentral gelegenes strategisches Transitland und logistische Drehscheibe für unsere Verbündeten bei der Stärkung der NATO-Ostflanke. Dadurch sind wir nicht nur als Gastgebernation gefordert, sondern wir müssen unsere Verbündeten bei Anlandung und geordnetem Weitermarsch in die Übungs- und Einsatzgebiete in vielfältiger Weise unterstützen – nicht nur bei der logistischen Versorgung, sondern auch beim Schutz und bei der Zusammenarbeit mit zivilen Behörden und der gewerblichen Wirtschaft. In dieser Form und Intensität war das seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr erforderlich. Jetzt müssen wir unsere Fähigkeiten für Unterstützungsleistungen ausbauen und multinational abstimmen. Dies ist Kern der Weiterentwicklung der SKB, die künftig noch besser auf ihren Unterstützungsauftrag ausgerichtet und damit gestärkt werden soll. Dazu entwickeln wir unter anderem das logistische System der Bundeswehr ganzheitlich und prozessorientiert weiter.
Die gestiegene hybride Bedrohung und die besondere Verantwortung Deutschlands als logistische Drehscheibe machen es erforderlich, den Inspekteur der Streitkräftebasis in seiner Rolle als Nationaler Territorialer Befehlshaber zu stärken. Die dazu erforderliche Führungsorganisation werden wir in der SKB weiterentwickeln. Das ABC-Abwehrkommando und das Kommando Feldjägerwesen der Bundeswehr werden dem Inspekteur der Streitkräftebasis unmittelbar unterstellt. Dies verkürzt fachliche Abstimmungs- und Entscheidungswege und ermöglicht es der SKB, sich mit Blick auf ihre Rolle im Rahmennationenkonzept nach außen sichtbar als multinationale Plattform für Kooperationen auszubauen. Das ist wichtig, denn unsere Verbündeten in NATO und EU erwarten, dass wir gerade bei der Weiterentwicklung unterstützender Fähigkeiten Verantwortung übernehmen und in Vorleistung treten.
Gleichzeitig wird das Zentrum Innere Führung direkt dem Ministerium unterstellt. Damit wird das Zentrum Innere Führung auch organisatorisch mit der Führungsakademie und dem Bildungszentrum der Bundeswehr auf eine Ebene gestellt. Die truppendienstliche Führung obliegt künftig dem Generalinspekteur der Bundeswehr.
Durch den Unterstellungswechsel wird das Zentrum Innere Führung gestärkt, um seine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Programms „Innere Führung Heute“ wahrnehmen zu können. Das Zentrum Innere Führung ist das anerkannte und richtungsweisende Kompetenzzentrum für alle Fragen und Handlungsfelder der Inneren Führung. Durch den Unterstellungswechsel kann die Weiterentwicklung der Inneren Führung künftig aus einer Hand auf höchster militärischer Verantwortungsebene direkt gesteuert werden.
Als Folge einer Prüfung, die seit Anfang des Jahres erfolgt ist, wird auch der Militärische Abschirmdient (MAD) als zivile Bundesoberbehörde direkt dem Ministerium unterstellt. Das MAD-Amt nimmt damit künftig im Behördenaufbau eine Stellung vergleichbar der des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein, die Ressourcen- und Leistungsverantwortung werden zusammengeführt. Denn nicht erst die aktuellen Vorkommnisse um die Soldaten A. und T. zeigen, dass der Eigenschutz der Bundeswehr und damit auch die Extremismus- und Terrorismusabwehr hohe Prioritäten genießen.
Durch diesen Unterstellungswechsel wird der besondere gesetzliche Auftrag des MAD gegenüber allen Organisationsbereichen der Bundeswehr herausgestellt und eine Kooperation mit anderen Behörden unmittelbarer möglich. Der MAD-Präsident wird in seiner Verantwortung und Gestaltungshoheit gestärkt.
Dr. Ursula von der Leyen
(*Angesichts der absehbaren Umstellung der Ministeriums-Webseite auf ein neues System dokumentiere ich Sachen zum Nachlesen lieber direkt)
(Foto: von der Leyen beim Friedensgottesdienst auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag am 26. Mai 2017)
@Memoria | 31. Mai 2017 – 20:07
„Das vom DBwV veröffentlichte Schreiben sagt unfreiwillig sehr viel über das echte Führungs- und Haltungsproblem. Offenbar war der GI nicht in der Lage in seiner Weisung die Absicht und linke und rechte Grenze klar zu machen.“
Böse formuliert, aber leider nicht ganz falsch :(
„Hammerstein-Eqourd hat uns gewarnt – offensichtlich vergeblich.“
Ja, aber da er ja auch abgehangen werden musste, passt das ja ;) u. :(
@Memoria | 31. Mai 2017 – 20:07
Uiuiui…
Ziffer 3a oder ggfs der ganze Führungsvorgang (ja ich weiß Führungsprozeß) nicht richtig umgesetzt?
Möchte da gar nicht weiter drauf rumdenken….aber nachdem was bei der Truppe „unten“ ankahm wundert mich nichts mehr.
+1
@ Memoria 31. Mai 20:13
+1
Genau das ist der wahre Skandal in dieser Angelegenheit. Diese erbärmliche, nicht wirklich aufbereitete Liste mit Meldungen der OrgBer, die die Verzweiflung in deren Meldung sehen lassen mit wenigen, nichtssagenden Kommentaren versehen herauszugeben ist an Armseligkeit kaum zu toppen.
@Memoria | 31. Mai 2017 – 20:07
„Hammerstein-Eqourd hat uns gewarnt – offensichtlich vergeblich.“
@Koffer | 31. Mai 2017 – 20:17
Ja, aber da er ja auch abgehangen werden musste, passt das ja ;) u. :(
Ja. Jetzt kann man sich wenigstens herleiten, warum man ihn „vorsichtshalber“ abhängen lassen musste. :(
@Sachlicher | 31. Mai 2017 – 22:06
„Ja. Jetzt kann man sich wenigstens herleiten, warum man ihn „vorsichtshalber“ abhängen lassen musste. :(“
Naja, da habe ich so meine Zweifel ob „man“ das „musste“. Es hat wohl auch bei dieser Aktion einige mit mehr und einige mit weniger Rückgrat und/oder Intelligenz gegeben als andere.
Ein Vorbild kann hier (scheinbar?!) der Bereich KdoLw sein. Da hat man wohl mit wesentlich mehr Augenmaß gearbeitet als bei Heer und (teilweise) Marine und der InspLw hat letzte Woche einen TSK-Befehl erlassen (im Rahmen eines Inspekteurbriefes), den ich äußerst bemerkenswert finde und der m.E.n. auch für alle anderen TSK/milOrgBer vorbildhaft sein könnte.
Allerdings nach meiner persönlichen Einschätzung nicht ganz mit dem übereinstimmt was die IBuK so in Interviews und Ansprachen ohne Befehlscharakter öffentlich erklärt hat, bzw. hat erklären lassen.
Aber wie gesagt (und ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal so sagen würde) hier habe ich großen Respekt für das Vorgehen der Luftwaffe (oder zumindest des InspLw) gewonnen…
Hier wird gerade über einen Artikel des DBwV diskutiert, der mit dem ursprünglichen Thema nichts gemeinsam hat. Bitte Nochmal die Überschrift lesen. Diese Themenwechsel finde ich sehr anstrengend. Kommt in letzter leider öfter vor.
@Der Müller:
Aud den ersten Blick richtig.
Aber wenn die Innere Führung gestärkt werden soll (siehe Überschrift), dann ist dieses Schreiben doch durchaus lehrreich.
Das Schreiben wäre auch eigener Thread wert, aber der Hausherr hat dieser Tage zweifellos viel zu tun.
Was noch fehlt ist die Weisung des GI im Wortlaut.
Der gesamte Vorgang ist ein Paradebeispiel für Innere Führung.
Die Presseberichterstattung spricht weiter von 400 Wehrmachtsverdachtsfällen (z.B. ZON).
Inhalt, Form und Art dieses Schreibens sind ein echtes Zeugnis für den Zustand der Bundeswehr.
Zudem fragt man sich wer überhaupt noch Leitungsvorlagen liest.
@Koffer | 31. Mai 2017 – 22:21
Naja, da habe ich so meine Zweifel ob „man“ das „musste“.
Ich hätte es als kennzeichnen sollen als das was es sein sollte: zynischer Spott. Also: kein Dissenz zu Ihnen und @memoria.
Es hat wohl auch bei dieser Aktion einige mit mehr und einige mit weniger Rückgrat und/oder Intelligenz gegeben als andere.
Es ist ein rechtmäßiger und verbindlicher Befehl, ein Bildnis von Kurt von Hammerstein – Equord abzuhängen. Einmal qualifizierter Widerspruch ist ganz sicher drin, aber dann ist er auszuführen. Punkt. Darin dürften wir uns einig sein.
Insofern geht die Kritik an den „Urheber“ des Befehls, wer auch immer das dann war bzw. es gilt zuvorderst, sich mit den Umständen, die zu diesem Befehl führten, kritisch auseinanderzusetzen.
@Der Müller
„Hier wird gerade über einen Artikel des DBwV diskutiert, der mit dem ursprünglichen Thema nichts gemeinsam hat. Bitte Nochmal die Überschrift lesen. Diese Themenwechsel finde ich sehr anstrengend. Kommt in letzter leider öfter vor.“
…und worin lag die Ursache der Maßnahme?
Ein sehr vernünftiges Interview mit OTL Wüstner:
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/interview-der-woche/swr2-interview-der-woche-andre-wuestner-der-vorsitzende-des-bundeswehrverbandes/-/id=659202/did=19398926/nid=659202/1y71oc7/
Den MAD anders unterstellen geht eben am Kernproblem vorbei: Verlorenes Vertrauen in die aktuelle Führung in vielen Bereichen und Ebenen. Wohl unwiederbringlich verlorenes Vertrauen.
Ich finde es weiterhin interessant auf wieviel Interesse das Thema hier allgemein stieß, jedoch die nun vom BMVg vorgelegte und vom DBwV veröffentlichte Liste wenig Beachtung findet. Es sind doch genau diese tieferen Einblicke, die eine Diskussion hier von den allgemeinen Diskussionen hierzu unterscheiden.
Zur etwas allgemeineren Einordnun noch der Hinweis auf einen Aufsatz aus der Sicht der Wirtschaft auf den aktuellen Zustand der Bundeswehr: „JOINT FUTURE WORK UND BUNDESWEHR- Teil 1: Die Folgen des Unverständnisses der eigenen CI“.
Spätestens die offizielle Liste hätte ja an verschiedenen Stellen große Fragezeichen erzeugen müssen.
Wenn man sich eine post-philosphische Interpretation von Clausewitz (Fortsetzung der Politik mit militärischen …..etc..) zu eigen macht, und dieses Clausewitz’sche Axiom a. als „zeitlos“ gültig betrachtet, und b. es dann bezogen auf die sicherheitspolitische „Jetztzeit“ weiter denkt, dann kommt man natürlich zu dem (Trug)Schluß, dass es wohl am besten ist, wenn die konservativen, deutschen „Meister-Strategen der militärischen Mittel“ wohl auch die Federführung in der Verteidigungspolitik übernehmen sollten, zumal die „militärische“ Inkompetenz der politischen „Jetztzeitführung“ ja wohl für Jedermann sichtbar ist. Und damit sie noch sichtbarer wird, muß man natürlich all die verteidigungspolitischen „Strukturreformfehler“ der letzten 20 Jahre – die zumeist unter fachlicher Beratung eben dieser konservativen Meister-Strategen in Flecktarn unter Führung uniformgrau gekleideter Militär-Eminenzen aka GI zustande gekommen sind – auf die Frau projezieren, die diese „traditionelle“ politisch-strategische Kompetenz der Herren in Anzug-und Uniformgrau in Frage stellt.
Die deutsche Gesellschaft erwartet von einem Soldaten nur dann sich „in extremis“ töten zu lassen, wenn Deutschland den Verteidigungsfall ausgerufen hat – genau deswegen durften ja GWDL nicht bewaffnet im Ausland eingesetzt werden, und daran hat sich goar nix geändert durch die Aussetzung der Wehrpflicht. Und wenn die BW ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, dann auch in Sachen mehrheitlicher gesellschaftlicher Erwartungshaltungen inkl. „Vertrauen“ an die politische Führung der BW, dass „mehr Verantwortung“ in der Welt nicht den grundgesetzlichen Gesellschaftsvertrag in Sachen Verteidigung Deutschlands untergräbt.Herr Rauschenberger und Herr Wüstner stecken in einer post-clausewitz’schen Echokammer mit gräulichem Anstrich, der ganz schön blättert.
Ist natürlich ärgerlich, dass im post-philosophischen Zeitalter eine Frau eine größere politische Inkompetenzkompensationskompetenz (Odo Marquard) besitzt als die Herren Strategen, die immer noch nicht akzeptieren wollen, dass das post-philosophische Zeitalter zugleich auch das post-strategische Zeitalter ist
Man sollte also diese post-clausewitz’sche, populistische „Logik“ des politischen Versagens nun endlich einmal beerdigen. Am tarditionellen deutschen „Armee-Wesen“ wird die Welt garantiert nicht genesen ;-)
@klabautermann:
Dann mal viel Erfolg bei der weiteren Fortsetzung der Inkompetenzkompensationskompetenz mit anderen (?) Mitteln.