Helmut Schmidt und das Uniform-Bild: Uni-Präsident lädt zum Gespräch (Nachtrag)

Nachdem Augen geradeaus! am (gestrigen) Donnerstag als erstes Medium über die Entfernung eines Bildes an der Hamburger Bundeswehr-Universität berichtet hatte, das den Namensgeber Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform zeigt, haben am Freitag viele Medien nachgezogen – und das hat zu einer recht emotionalen, auch öffentlichen, Debatte geführt.

Der Präsident der Universität, Wilfried Seidel, reagierte darauf am Freitag mit zwei Rundschreiben an alle Angehörigen der Helmut-Schmidt-Universität, die Augen geradeaus! vorliegen. Darin wendet er sich dagegen, den späteren Verteidigungsminister und Bundeskanzler Helmut Schmidt auf seine Zeit in der Wehrmacht zu reduzieren und ihn in Wehrmachtsuniform als Vorbild zu sehen: Das Tragen der Uniform der Bundeswehr und der Uniform eines Unrechtsregimes bilden keine Gemeinsamkeit. Seidel bot zudem  allen Studierenden der Bundeswehr-Universität ein Gespräch an, auch um etwaige Missverständnisse auszuräumen.

Nachtrag: Das erste Rundschreiben liegt mir erst seit Samstag vor; hier zur Dokumentation beide Bulletins des Universitätspräsidenten:

• Erstes Bulletin

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Zuge der Berichterstattung über den Fall des beschuldigten Oberleutnants Franco A. sind immer wieder auch die Universitäten der Bundeswehr erwähnt worden. Vor allem ist dabei auf eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr aus dem Jahr 2007 Bezug genommen worden, in der die politische Einstellung von Studierenden untersucht wurde.
Ein Ergebnis der Studie war auch, dass sich diese damals nicht signifikant vom Bevölkerungsdurchschnitt unterschieden hat. Einer Vorverurteilung oder gar einem Generalverdacht widerspreche ich entschieden.
Gleichwohl haben die Vorgänge rund um den Fall des beschuldigten Oberleutnants Franco A. eine so hohe Brisanz, dass es aus meiner Sicht erforderlich ist, genauer hinzuschauen. Entgegen der Äußerung eines früheren Universitätsmitgliedes hat Franco A. nicht an der HSU studiert. Das entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit diesem Thema.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat in der vergangenen Woche alle Dienststellen der Bundeswehr angewiesen, ihre Liegenschaften auf Gegenstände zu überprüfen, die vom Traditionserlass der Bundeswehr berührt sein könnten. Diese Bestandsaufnahme, von der auch wir nicht ausgenommen sind, war bis heute abzuschließen. Die Disziplinarvorgesetzen, die alle Gemeinschaftsräume in den Wohnheimen der Studierenden besichtigt haben, fanden dabei keine Hinweise auf rechtsextreme Gesinnung.
Vor allem Online-Medien haben gestern und heute darüber berichtet, dass die Helmut-Schmidt-Universität angewiesen hätte, ein Foto zu entfernen, das unseren Namensgeber in Wehrmachtsuniform zeigt.
Das trifft zu. Der zuständige Disziplinarvorgesetze hat den Studierenden der fraglichen Wohnebene nahegelegt, eine weniger missverständliche Darstellung unseres Namensgebers zu wählen.
Es mag aus Sicht der studierenden Offizieranwärter und Offiziere gute Gründe für die gewählte Darstellung geben. Ich teile jedoch die Einschätzung des Disziplinarvorgesetzten, das Abhängen des Bildes zu veranlassen. Das Tragen der Uniform der Bundeswehr und der Uniform eines Unrechtsregimes bilden keine Gemeinsamkeit.
Die Tatsache, dass die aktuellen Bewohner dies Bild nicht selber aufgehängt, sondern von früheren Generationen übernommen haben, mag als bloße Gedankenlosigkeit gewertet werden. Diese halte ich aber – insbesondere vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Geschehnisse – für gefährlich.
Ich habe daher den Leiter des Studierendenbereichs angewiesen, Gespräche zwischen Vorgesetzten und Studierenden zu initiieren, um die Motivationslage der Soldaten auszuloten.
Prof. Dr. Wilfried Seidel

• Das zweite Bulletin:

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir wichtig, hervorzuheben, dass sich die Universität in keiner Weise von ihrem politischen Gründungsvater und Namenspatron distanziert.
Wir alle schätzen Helmut Schmidt für seine politischen Leistungen als Hamburger Innensenator, Verteidigungs- und Finanzminister, Bundeskanzler und „Elder Statesman“. Dafür trägt die Universität seinen Namen, und darauf sind wir stolz.
Die vom zuständigen Disziplinarvorgesetzten verfügte Entfernung des Fotos, das Helmut Schmidt auf seine Zeit als Offizier der Wehrmacht reduziert, hat in der Studierendenschaft und in der öffentlichen Meinung ein geteiltes Echo gefunden.
Ich werde kurzfristig mit Vertretern der Studierendenschaft zu einem Round Table-Gespräch zusammenkommen, um im Dialog die Positionen auszutauschen und etwaige Missverständnisse auszuräumen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Wilfried Seidel

Die Studierenden hatten auf die Anordnung des Leiters des Studienfachbereichs A, das Foto im Flur eines Wohngebäudes zu entfernen, mit der oben abgebildeten Notiz reagiert. Zuvor hatte an der Stelle dieses Bild gehangen:

Wie schon gestern stellen sich für mich bei diesem Vorgang zwei Fragen: Ist für die Bedeutung Helmut Schmidts für die Bundeswehr und Deutschland seine Zeit in der Wehrmacht das Maßgebliche? Und: Hat der Vorgesetzte, der die Entfernung dieses Bildes befohlen hat, vielleicht überlegt, genau diesen Punkt für eine Debatte zu nutzen und dabei auch die Frage zu stellen, ob nicht ein anderes Foto von Schmidt die Gemeinsamkeit zwischen dem Namensgeber und den studierenden Offizieren und Offiziersanwärtern besser zum Ausdruck gebracht hätte?

An dieser Stelle auch noch der Hinweis zu weiteren, in diesem Zusammenhang diskutierten Ereignissen oder Nicht-Ereignissen: Nein, es gibt keine Überlegungen, das Eiserne Kreuz der Bundeswehr als Hoheitszeichen abzuschaffen – ich habe eigens deswegen am Freitagabend beim diensthabenden Sprecher des Verteidigungsministeriums nachgefragt. Und der Vorgang Liederbuch der Bundeswehr: Da wurde bereits im Januar, wie auch Spiegel Online berichtet und vom Ministerium bestätigt wurde, der Auftrag zur Überarbeitung erteilt; das Buch wurde nicht verboten.

(Wie bei diesem Thema leider nötig, werden alle Kommentare moderiert.)

(Fotos: privat)