Einsatz in Mali: Fünf Grad mehr für den Tiger (m. Transkript)

Im vorangengangenen Eintrag zum deutschen MINUSMA-Einsatz in Mali wird heftig über einen Bericht der Welt (online nicht frei zugänglich) diskutiert: Die Bundeswehr hat in dem Wüstenklima des westafrikanischen Landes Probleme mit ihrem Material, mit der Instandsetzung – bis hin zur Frage, ob die deutschen Tiger-Kampfhubschrauber dort überhaupt fliegen können, bei den Temperaturen.

Das war natürlich auch Thema in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Mittwoch, mit der Frage musste sich BMVg-Sprecher Oberst Boris Nannt befassen (und auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, schaltete sich ein). Eine Aussage, ganz am Schluss: Der Tiger soll für Mali die Genehmigung zum Fliegen bei höheren Temperaturen als bisher bekommen – aber bis zum geplanten Einsatzbeginn am 1. Mai soll noch geklärt werden, ob dafür eine Mali-Ausnahmegenehmigung erteilt oder der Helikopter grundsätzlich für die höheren Temperaturwerte zugelassen wird.

Die Aussagen zum Nachhören:

 

BPK_Mali_19apr2017     

 

 

(Zwischendurch gibt es eine mit einem Piep markierte Auslassung: An der Stelle hat Nannt einen Nachtrag geliefert zum vorangegangenen Thema, dem auch hier debattierten FAZ-Bericht zur Bundeswehrplanung. Dazu kommt später am Nachmittag hier noch was steht hier was.)

Nachtrag: Transkript des Audios oben:

Frage: An das Verteidigungsministerium: In Berlin schneit es, in Mali ist es sehr warm. Können Sie die Probleme mit Fahrzeugen und Hubschraubern der Bundeswehr bestätigen, über die es diverse Zeitungsberichte gibt?

Nannt: Vielleicht eines wieder vorweg: Sie wissen ja, dass wir in den letzten Wochen in Mali massiv aufgewachsen sind; wir haben das Kontingent von derzeit ungefähr 850 Soldaten insgesamt fast verdoppelt. Der wichtige und für mich entscheidende Punkt ist: Das Kontingent vor Ort erfüllt derzeit alle Aufträge, die uns dort von den Vereinten Nationen gestellt werden. Es ist so, dass aufgrund des Aufwuchses an Fähigkeiten, die wir haben – sei es durch die Heron, die wir jetzt eingebracht haben, sei es durch den Tiger oder durch den NH90, die natürlich auch zusätzliche Fähigkeiten im Bereich der Instandsetzung brauchen -, die Einsatzbereitschaftslage aus unserer Sicht nicht zufriedenstellend ist. Wir haben aber bereits im letzten Kontingent Maßnahmen ergriffen, um diese Einsatzbereitschaftslage zu verbessern. Das sieht so aus, dass wir jetzt zum einen die Personalkapazitäten erhöht haben und auch noch weiter erhöhen werden und dass wir jetzt auch weitere Arbeitsplätze im Bereich der Infrastruktur schaffen, um dort mehr Gerät instand zu setzen. Genauso geht es auch um die Rotation von Gerät, und obwohl die Versorgungswege aufgrund der regionalen Lage Malis relativ lang sind, wollen wir dort auch ein Ersatzteillager vor Ort einrichten.

Das heißt, wir haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Einsatzbereitschaftslage dort zu verbessern. Es ist aber so: Mit der Lage, die wir derzeit vor Ort haben, können wir alle Aufträge erfüllen, und das tun wir auch. Gerade unsere Hubschrauber waren ja auch gestern wieder im Einsatz und haben dort malische Soldaten, die verletzt waren, unterstützt. Insofern: Ja, es könnte besser werden; wir arbeiten daran und haben auch schon entsprechende Maßnahmen ergriffen.

Frage: Herr Nannt, können Sie vielleicht konkret beziffern, wie viel Prozent des Materials, welches vor Ort in Mali ist, einsatzbereit ist?

Wieso stellt man sich erst jetzt die Frage nach einem Ersatzteillager?

Nannt: Eine genaue Zahl kann ich nicht beziffern. Ich sage ganz ehrlich, dass das nicht meine Ebene ist. Für die zuständige Ebene im Ministerium ist die entscheidende Frage: Können die Aufträge gewährleistet werden? Ich glaube, das habe ich eben ganz deutlich gemacht.

Wir haben überhaupt keine Sorge, dass es dort zu Einbußen kommen könnte oder dass wir beispielsweise Patrouillen nicht fahren können. Alles, was wir dort an Einsatzbereitschaftslage haben, leisten wir, und das ist genau das, was wir vor Ort brauchen. Nichtsdestotrotz arbeiten wir daran.

Ich bin selbst Logistiker, habe Afghanistan auch erlebt – sogar im Einsatz – und kenne insofern die Verfahren. Wenn es einen massiven Aufwuchs an Personal und an Gerät gibt, muss man diese Kette erst zur Wirkung bringen. Es ist so, dass man um Infrastruktur kämpfen muss, dass man die Infrastruktur ausbauen muss, dass man vielleicht noch eine Halle baut. Das dauert einfach eine gewisse Zeit. Wenn es diesen Aufwuchs gibt, dann ist das nicht vom ersten Tag an einsatzbereit. Das dauert vielleicht ein paar Wochen, und dann hat man eine bessere Situation, was die Einsatzbereitschaftslage angeht.

Noch einmal: Es ist nicht so, dass das etwas Neues ist, was ich heute in der Zeitung gelesen habe, sondern wir haben die Maßnahmen dazu ergriffen, sind dabei, das alles aufzufüllen und gehen davon aus, dass wir das in den nächsten Wochen weiter verbessern. Das hat aber keine Einschränkungen, was unsere derzeitige Situation in Mali angeht.

Schäfer: Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen schon einmal in Gao gewesen ist. Ich hatte einmal das Vergnügen, mit Herrn Steinmeier dort gewesen zu sein. Die Witterungs- und Wetterbedingungen sind wirklich schwer zu ertragen. Es ist unwahrscheinlich heiß. Es ist für mich jedenfalls keine Überraschung, dass das nicht nur an die Menschen, sondern auch an das Material Ansprüche stellt, das eben getestet werden muss. Wir konnten uns damals davon überzeugen – das will ich ganz ausdrücklich sagen -, dass die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium alles in ihrer Macht stehende tun, um nicht nur den Auftrag zu erfüllen, sondern auch den Soldatinnen und Soldaten, die dort am Start sind, ihre Arbeit so leicht wie nur irgend möglich zu machen. Dort Tag für Tag bei 50 Grad im Schatten, bei heißem Saharawind seinem Dienst nachgehen zu müssen, ist kein Vergnügen.

(…)

Frage : Herr Nannt, zur Aufgabe der Bundeswehr in Mali. Sie hatten ja gerade angesprochen, dass dort etwas passiert ist. Unter anderem sollen mutmaßliche Dschihadisten einen Angriff auf einen Armeestützpunkt der malischen Armee verübt haben. Es gab eine Reaktion von unserer Seite. Die französische Armee hat ein sogenanntes Antiterrorkommando entsandt und diese Angreifer neutralisiert. Können Sie uns einmal übersetzen, was das heißt?

Was machen die Franzosen dort? Ich hatte in einer englischen Quelle gefunden, dass sie Luftangriffe fliegen. Hilft die Bundeswehr bei der Aufklärung der Ziele der Luftangriffe der Franzosen?

Nannt: Ich weiß gar nicht, wo ich bei Ihnen anfangen soll, weil ich wahrscheinlich ganz vorne anfangen muss.

Es ist schwierig. Ich sage Ihnen nur eines, um das vielleicht abzurunden: Die Franzosen sind im Rahmen der Mission Barkhane vor Ort, wir sind im Rahmen der Mission MINUSAM vor Ort. Insofern kann ich Ihnen bezüglich der Angaben, die Sie gemacht haben, nicht weiter helfen.

Zusatzfrage : Die haben nichts damit zu tun?

Nannt: Dazu kann ich nichts sagen. Wir waren gestern im Rettungseinsatz, bei dem wir malische Soldaten unterstützt haben. Was die Mission Barkhane angeht, müssten Sie bitte die Franzosen fragen.

Zusatzfrage : Klärt die Bundeswehr mögliche Angriffe für Franzosen auf?

Nannt: Ich glaube, wir haben das Thema deutlich besprochen.

Frage : Herr Nannt, Herr Schäfer hat ja schon gesagt, dass er nicht überrascht war, weil es da so heiß ist. Aber wenn ich den Bericht der „WELT“ lese, war die Bundeswehr überrascht, weil die Flugfreigabe für die „Tiger“-Kampfhubschrauber angeblich auf 43 und irgendetwas Grad beschränkt ist, wie berichtet wird, die Temperaturen dort aber höher sind.

Trifft das zu? Wusste man das nicht vorher, zum Beispiel durch Kontakt mit den Niederländern, die dort auch Hubschrauber betrieben haben?

Nannt: Vorweg: Das Klima dort ist wirklich im Randbereich – sei es durch die Hitze, sei es aber auch durch die Stürme und den Sand.

Es gibt für den Betrieb der Hubschrauber klimatische Höchstwerte; das ist so. Als Beispiel: Die Richtwerte für den Betrieb des NH90 sind völlig unkritisch. Wir sprechen von diesen ganz großen Randbereichen: Mai, Mittagshitze, was eben eine ganz besondere Hitze ist. Es ist so – und das ist der Punkt -, dass wir unsere Einsatzbereitschaft für den „Tiger“ am 1. Mai 2017 melden müssen. Diesbezüglich wird derzeit Erhöhung der Werte um fünf Grad geprüft. Es geht jetzt um die Frage: Geht es darum, eine Ausnahmegenehmigung nur für Mali zu schaffen oder geht es darum, eine generelle Freigabe für den „Tiger“ zu schaffen, dass man die Betriebsgrenze insgesamt um fünf Grad erhöht? Es ist geplant, diese Entscheidung vor dem 1. Mai zu treffen, wenn wir die Einsatzbereitschaft an die Vereinten Nationen melden und dann auch den Auftrag übernehmen.

(Foto: Ankunft der ersten zwei Kampfhubschrauber des Typs Tiger in Gao/Mali im Rahmen der Mission MINUSMA am 25.03.2017 – Bundeswehr/Marc Tessensohn)