Gerichtsentscheidung zum G36: Geliefert wie bestellt (Zusammenfassung, mit Nachtrag)

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Im Streit um das Sturmgewehr G36 hat das Landgericht Koblenz am (heutigen) Freitag eine Entscheidung getroffen, die beide Seiten – der Hersteller Heckler&Koch wie das Verteidigungsministerium – als Bestätigung werten dürften: Das Gericht entschied, dass die Oberndorfer Firma nicht, wie vom Ministerium behauptet, mangelhafte Gewehre geliefert hat. Und das Ministerium darf hoch halten, dass das Gericht doch gar nicht über die Frage der Sachmängel entschieden habe… sondern nur über die Frage der Gewährleistung.

Den Prozess hatte Heckler&Koch angestrengt, um mit einer so genannten negativen Feststellungsklage gegen Mängel-Aussagen und Gewährleistungsansprüche der Bundeswehr vorzugehen: Nach Ansicht des Verteidigungsministeriums sind die Treffer-Abweichungen der Standardwaffe der Truppe bei heißgeschossenem Gewehr und bei klimatisch bedingter Aufheizung nicht hinnehmbar. Die Firma berief sich dagegen darauf, sie habe doch exakt geliefert, was die Bundeswehr vor mehr als 20 Jahren bestellt habe.

Die 8. Zivilkammer des Koblenzer Landgerichts  folgte der Firmen-Argumentation im Wesentlichen:

Zur Begründung führt die Kammer aus, dass eine Abweichung der gelieferten Gewehre von der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des Kaufvertragsrechtes nicht gegeben sei. So habe die Entwicklung eines auf die besonderen Bedürfnisse der Bundeswehr abgestimmten Sturmgewehrs keinen Eingang in die ausdrücklichen vertraglichen Regelungen gefunden. Im Rahmen ihrer rechtlichen Prüfung ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass keine negativen Abweichungen der Eigenschaften und Anforderungen der streitgegenständlichen Versionen des Sturmgewehres G36 gegenüber der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit bestehen. Die streitgegenständlichen Gewehre hätten unstreitig die in den Technischen Lieferbedingungen vorgesehene und zwischen den Parteien vereinbarte Abnahme- bzw. Güteprüfung bestanden, so wie dies in den zugrundeliegenden Kaufverträgen ausdrücklich gefordert werde.

und setzte noch einen drauf:

Weiter legt die Kammer in ihrer Begründung dar, dass auch kein Mangel dergestalt vorliege, dass die streitgegenständlichen Gewehre nicht für die vertragsmäßige Verwendung geeignet wären. Die Beklagte habe ein konkretes Sturmgewehr gekauft. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vertragsschlüsse sei das G36 bereits seit rund 18 Jahren bei der Beklagten im Einsatz gewesen; die Beklagte habe in diesem Zeitraum bereits eine hohe Zahl von Sturmgewehren mit der Bezeichnung G36 in verschiedenen Versionen (z.B. Kurzlauf und Langlauf) erworben.

Mit anderen Worten: Wer seine Verträge so abschließt wie in diesem Fall, und zudem über fast zwei Jahrzehnte sich nicht beklagt, der kann nicht hinterher kommen und behaupten, dass er was Mangelhaftes geliefert bekam.

Was das Ministerium natürlich trotzdem tut. Vor allem ein Ergebnis der technischen Untersuchungen wird dabei gerne genannt, mit dem Hinweis, das sei doch bei einem Sturmgewehr nicht hinnehmbar:

Bei der Untersuchung zur Auswirkung von Umwelteinflüssen auf die Systemtemperatur (nicht schussinduziert) – Temperaturänderung von 30 °C – sank die Treffwahrscheinlichkeit des Systems G36 im Mittel auf 30% ab. Derartige Temperaturschwankungen an der Waffe (z.B. durch Sonneneinstrahlung, Abwärme von Motoren, Auskühlen beim Ablegen der Waffe etc.) sind in vielen Einsatzgebieten und im europäischen Raum keine Seltenheit. Dieser Effekt ist insbesondere bei einer Temperaturänderung von +15 °C auf +45 °C ausgeprägt, hier fiel die Treffwahrscheinlichkeit im Mittel sogar auf 7% ab. Das bedeutet für den Soldaten im Einsatz, dass der Gegner mit den ersten Schüssen nicht gezielt getroffen werden kann, sondern zunächst der neue Haltepunkt erkannt werden muss.

Gerade mal sieben Prozent Treffwahrscheinlichkeit, so die Argumentation, da könne man doch nicht von einem Sturmgewehr sprechen. Interessanterweise war das in den Jahren zuvor nie aufgefallen.

Darüber hat das Gericht allerdings nicht geurteilt, sondern nur über die Vertrags-Frage – und eben keine technischen Untersuchungen angestellt.

Dennoch will das Ministerium voraussichtlich die Klage in die nächste Instanz bringen, wie Ministeriumssprecher Jens Flosdorff vor der Bundespressekonferenz ankündigte:

BPK_G36_02sep2016     

 

(Die Tonqualität bitte ich zu entschuldigen; das Transkript reiche ich nach, wenn es vorliegt.)

Nachtrag1: Die schriftliche Erklärung des Verteidigungsministeriums dazu hier.

Faktisch wird allerdings die Gerichtsentscheidung, ob jetzt oder in einer weiteren Instanz, für die Bewaffnung der Bundeswehr keine Auswirkung haben.Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte ja im vergangenen Jahr erklärt, das G36 habe in seiner derzeitigen Konstruktion keine Zukunft in der Bundeswehr. Die Entscheidung, dass nach einem neuen Sturmgewehr für die Truppe gesucht wird, ist getroffen – und das Verfahren dafür wird sich voraussichtlich bis nach der Bundestagswahl hinziehen. Dennoch wird die Truppe noch einige Jahre mit dem G36 leben müssen, die Neu-Beschaffung wird ja Jahre dauern.

Der größte Treppenwitz dabei ist aber: Die geplante Nutzungszeit des Mitte der 1990-er Jahre beschafften Sturmgewehrs G36 in der Bundeswehr endet eigentlich ohnehin nach 20 Jahren, also jetzt. Hätten die Beamten und Soldaten ihre Arbeit anständig gemacht, wäre der Prozess für ein Nachfolgesystem schon vor Jahren begonnen, die Beschaffung eines neuen Gewehrs eingeleitet worden. Ganz ohne die öffentliche Auseinandersetzung zwischen Herstellerfirma und Ministerium – und ohne die Notwendigkeit, zur Gesichtswahrung der Ministerin auch noch Prozesse zu führen.

Nachtrag 2: Heckler& Koch hat sehr knapp dazu Stellung genommen (interessanterweise nicht auf der Webseite mit Pressemitteilungen, sondern der für Investor Relations – ein Trick, den man sich merken sollte):

Presseinformation 2. September 2016
Stellungnahme von Heckler & Koch zur Entscheidung des Landgerichts Koblenz über Gewährleistungsansprüche G36
Das Urteil entspricht der Auffassung von Heckler & Koch. Es steht uns nicht zu die Vorgehensweise und das mediale Verhalten unseres Kunden zu kommentieren. Wir bauen die besten Sturmgewehre der Welt. Viele Armeen der westlichen Welt verwenden unsere Waffen. Wir freuen uns schon jetzt auf die neue Sturmgewehrausschreibung der Bundeswehr, bei der wir unsere Leistungsfähigkeit erneut unter Beweis stellen werden.

… und, wie oben angekündigt, das Transkript aus der Bundespressekonferenz:

FRAGE: An das Verteidigungsministerium. Herr Flosdorff, Ihr Haus hat heute Vormittag eine rechtliche Niederlage gegen Heckler & Koch erlitten. Welche Auswirkungen hat das auf die Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs?

FLOSDORFF: Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, einiges klarzustellen.

Es ist richtig, dass es eine Verhandlung vor dem Landgericht Koblenz gab, die sich mit einer sogenannten negativen Feststellungsklage der Firma Heckler & Koch befasst hat. Das Unternehmen wollte festgestellt haben, dass wir rechtlich nicht befugt sind, Mängelansprüche geltend zu machen. Das hat die erste Instanz so gesehen, wie der Prozessgegner argumentiert hat. Wir haben eine andere Rechtsauffassung. Ich kann schon einmal ankündigen: Sollte das Gericht seine heutige Entscheidung auf dieselben wackeligen rechtlichen Argumente stützen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Sommerpause angeführt wurden, dann wird das zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Berufung gehen, was diese Frage angeht.

Die Frage, was dort überhaupt verhandelt worden ist, geht ein bisschen durcheinander. Es ging in der Verhandlung nicht darum festzustellen, ob die bekannten technischen Einschränkungen an dem Gewehr bestehen, die durch umfangreiche Testserien und Gutachten festgestellt worden sind, sondern es ging um die Klärung der rechtlichen Frage, ob ein Mangel vorhanden ist oder nicht, ob man überhaupt auf Basis eines alten Vertragsverhältnisses und des langen Beschaffungsvorgangs daraus heute noch Ansprüche geltend machen kann. Dieses hat das Gericht nicht so gesehen.

Es bleibt sozusagen bei der technischen Feststellung, dass es den militärischen Anforderungen nicht genügt. Die Gründe sind bekannt. Es hat erhebliche Präzisionseinschränkungen bei Dauerfeuer, aber auch bei äußerer Erwärmung gegeben. Das heißt, wenn das Gewehr zum Beispiel durch Sonnenlicht von 15 auf 35 Grad erwärmt wird, sinkt die Trefferwahrscheinlichkeit auf sieben Prozent. Das ist bei allen anderen unbestrittenen Vorteilen, die das Gewehr auch sonst bietet, auf Dauer kein verantwortbares Risiko. Deswegen war auch diese Entscheidung des Generalinspekteurs und der Ministerin, dass dieses Gewehr perspektivisch Schritt für Schritt abgelöst wird und eine neue Generation Sturmgewehr in der Bundeswehr eingeführt wird, richtig – unabhängig davon, was in diesem Verfahren verhandelt worden ist.

Worum ging es dort? Um es klar zu sagen: Es ist allein die rechtliche Frage, ob die Bundeswehr nach mehr als 25 Jahren theoretisch Gewährleistungsansprüche geltend machen könnte. Da schaut man in die vertraglichen Beziehungen: Welche Absprachen gab es? Wie haben sich die Vertragspartner über die Zeit verhalten? Das Gericht war der Meinung, dass man nach dieser Zeit und aufgrund des Verhaltens und der Absprachen, die zwischenzeitlich getroffen worden sind, nicht mehr kommen und für zwei Chargen G36 das einzige, was nicht verjährt ist noch einmal Ansprüche geltend machen kann. Wir sehen das anders. Wir werden das in einer weiteren Instanz noch einmal der Überprüfung unterziehen.

Es ändert sich nichts an der Grundsatzentscheidung, dass nach 20 Jahren eine neue Generation Sturmgewehr eingeführt werden soll. Es ändert sich auch nichts daran, dass der Beschaffungsvorgang für die Ablösung des G36 planmäßig weiterläuft.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, es gibt keine aufschiebende Wirkung bis zur letztinstanzlichen Klärung?

FLOSDORFF: Was meinen Sie?

ZUSATZ: Mit der Beschaffung eines Ersatzes.

FLOSDORFF: Die Beschaffung eines Gesetzgewehres läuft davon unabhängig. Das geht auf die militärische Entscheidung zurück, dass bestimmte sachliche, technische Fehler festgestellt worden sind, die aus militärischer Sicht nicht hinnehmbar sind und für die Bundeswehr auf Dauer nicht hinnehmbar ist, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Auslandseinsätzen oder generell damit tätig sind. Das Gericht hat sich allein mit der rechtlichen Frage beschäftigt und hat die Frage „Mangel – ja oder nein“ beiseite getan und ob wir sozusagen nach dieser ganzen Zeit auf der vertraglichen Basis und nach den rechtlichen Voraussetzungen, die wir mit der Firma haben, einen Mangel geltend machen dürfen das ist ein Unterschied und nicht, ob der Mangel besteht. Das hat das Gericht nicht nachgeprüft. Es gab keine Beweisaufnahme; es gab kein Gegengutachten; es gab keine eigenen Testserien.

Das, was wir in den Testserien festgestellt haben, wurde durch das Gericht nicht bestritten. Es hat sozusagen unjuristisch gesagt: Wir tun das beiseite. Selbst wenn es so ist, dass das Gewehr diese Mängel hat, könnt ihr sie heute nicht mehr geltend machen. Das ist der Richterspruch von heute. Wir haben eine andere rechtliche Auffassung dazu. Deswegen bleibt es nach den festgestellten technischen Mängeln, die auch durch eine zweite Testserie in diesem Frühjahr bestätigt worden sind der Hersteller des Gewehres hat inzwischen versucht, an dem Gewehr nachzubessern, was auch zeigt, dass er selbst sieht, dass es ein Problem gibt , bei der Entscheidung, dass das Gewehr langsam ausgemustert wird und ein neues Gewehr beschafft wird. Dieser Beschaffungsvorgang läuft. Das Gerichtsverfahren hat darauf keine Auswirkungen.

FRAGE: Herr Flosdorff, können Sie präzisieren ich glaube, es geht um Ausgleichszahlungen, die im Raum stehen , in welcher Größenordnung sich diese Ausgleichsforderungen bewegen?

FLOSDORFF: In diesem Verfahren geht es nicht um eine bestimmte Geldsumme.

ZUSATZ: Aber die folgt ja daraus.

FLOSDORFF: Ich drösle das Verfahren noch einmal auf: Als wir festgestellt haben, dass das Gewehr Mängel hat, haben wir weil wir als öffentlich-rechtlicher Auftraggeber dazu verpflichtet sind, dürfen wir mögliche Ansprüche nicht einfach beiseitelassen, sondern müssen sie prüfen und klären lassen, ob dem Steuerzahler vielleicht Geld zusteht eine Mängelrüge für bestimmte Chargen des G36 eingelegt, die in den vergangenen Jahren noch zugelaufen waren. Das war noch nicht verjährt.

Wir sind selber damit nicht vor Gericht gezogen, sondern haben nur die Verjährung unterbrochen. Dann ist der Hersteller Heckler & Koch, weil er natürlich an seinem Ruf interessiert ist und nicht nur uns als Kunden hat, sondern auch andere Kunden hat, vor das Gericht gegangen und hat gesagt: Ich möchte festgestellt haben, dass dem Verteidigungsministerium oder dem Amt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr kein durchsetzbarer Gewährleistungsanspruch zusteht. Das hat das Gericht jetzt bestätigt. Das Gericht hat sich nicht mit der Frage inhaltlich auseinandergesetzt: Besteht ein Mangel – ja oder nein? Das Gericht hat eine rechtliche Bewertung vorgenommen. Ist ein Mangel da oder nicht – egal. Ihr könnt auf jeden keinen Anspruch mehr daraus geltend machen.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie die Gewährleistungsforderungen erheben könnten, um welche Summen geht es dabei?

FLOSDORFF: Es geht, was diese Chargen angeht, die überhaupt noch justiziabel sind, um einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Das spielt in diesem Prozess nur an der Stelle eine Rolle, wenn es um den Streitwert geht, also um die Bemessung der Gerichtskosten. Wenn das Gericht einen Titel erteilt, geht es nur um die Rechtsfrage: Dürfen sie Gewährleistungsansprüche überhaupt geltend machen? Es geht nicht um die Frage, ob jemand eine Summe bekommt oder nicht, sondern es geht nur darum, ob sie Gewährleistungsansprüche geltend machen dürfen.

Wenn wir schriftlich die Urteilsgründe haben, sie analysieren und sich herausstellt, dass die Urteilsgründe für den heutigen Entscheid auf denselben rechtlichen Argumentationen fußen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Sommerpause geäußert worden sind, dann werden wir in Berufung gehen, weil wir sie nicht für tragfähig halten.

FRAGE: Abgesehen von dem Rechtsstreit heute: Bleibt Ihr Ministerium denn bei der Einschätzung, dass das G36, das kein schweres Maschinengewehr, sondern ein leichtes Sturmgewehr ist jeder, der mit einem Maschinengewehr geschossen hat, kennt den Unterschied , bei Dauerfeuer nicht trifft, wie übrigens kaum ein Gewehr? Bleibt man dabei, obwohl das Bundesamt für Beschaffung am 17. April vorigen Jahres festgestellt hat, dass das Gewehr zuverlässig, funktions- und betriebssicher ist?

FLOSDORFF: Das ist ein weit bekannter Irrtum, den wir auch häufig gegenüber einigen Medien aufgeklärt haben. Zuverlässig und betriebssicher heißt nicht, dass man damit trifft, sondern das heißt, dass man sich nicht selbst verletzt, wenn man mit diesem Gewehr schießt. Betriebssicher heißt, dass man sich nicht verbrennt, dass es praktisch keine Rückschläge und so etwas gibt. Das heißt das. Etwas anderes ist sozusagen die Trefferwahrscheinlichkeit. Das ist aufgeklärt, alles berücksichtigt und Bestandteil der umfangreichen Testberichte.

Wir haben Testserien mit mehreren unabhängigen Institutionen durchgeführt, unter anderem dem Ernst-Mach-Institut in Freiburg und dem Fraunhofer-Institut. Das ist in einer ersten Serie im vergangenen Jahr ausgetestet worden und darauf bezieht sich der Bericht. In einer zweiten Testphase ist das noch einmal wiederholt worden. Man hat geschaut, ob sich die Ergebnisse bestätigen sie haben sich bestätigt und warum sie wahrscheinlich bestehen. Dafür gibt es zwei Ursachen. Die eine ist die Geschichte mit dem Dauerfeuer, die Sie erwähnt haben. Sie haben vollkommen Recht, dass das viele Gewehre haben. Es gibt eine Streukreisaufweitung; das ist nicht weiter erstaunlich. Das Zweite ist aber ein gravierender Grund, der häufig unterschlagen wird. Ein zweites Ergebnis dieser Tests war, dass bei externer thermischer Erwärmung es ist keine große externe thermische Erwärmung, wenn Sie von 15 auf 45 Grad erwärmen die Streukreisaufweitung eine Treffsicherheit von sieben Prozent hat. Das Erste kann man korrigieren, indem man einfach ein Maschinengewehr mit in den Einsatz nimmt. So kann man den Nachteil, den das G36 in Bezug auf die Präzision hatte, ausgleichen. Bei dem Zweiten ist es so, dass, wenn man im Ausland ist, es häufig durch die Sonneneinstrahlung in den Fahrzeugen, die wir nutzen, eine Ersttrefferwahrscheinlichkeit von sieben Prozent gibt, wenn man plötzlich das Gewehr benutzen muss. Das ist kein hinnehmbares Risiko, mit dem wir auf Dauer zufrieden sein können. Deswegen ist damals angeordnet worden, dass wir ergänzend in einem Waffenmix andere Präzisionsgewehre mitnehmen, die diesen Nachteil nicht haben.

Weil Sie das Thema anschneiden: Im Übrigen sind auch im Zuge der Tests, die bis zum Frühjahr dieses Jahres durchgeführt worden sind, viele andere Gewehre durchgetestet worden, die diesen Nachteil nicht aufweisen, also sowohl bei Dauerfeuer die Präzisionsanforderungen erfüllen als auch keine starken Abweichungen bei externer Erwärmung zeigen. Es gibt Gewehre am Markt, die diese Nachteile nicht haben und deswegen die Grundsatzentscheidung. Die Bundeswehr wird in den nächsten Jahren eine neue Generation Sturmgewehr beschaffen.

FRAGE: Herr Flosdorff, wenn das Gericht zu der Auffassung gekommen wäre, dass das BMVg einen Anspruch hätte geltend machen dürfen, wäre der Schaden, den man dann hätte geltend machen können, und das Geld, dass man vielleicht als Schadensatz hätte erwarten dürfen, in der Größenordnung eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags gewesen?

Könnten Sie zum Vergleich sagen, was die Beschaffung des Ersatzes das Ministerium kostet?

FLOSDORFF: Ich weiß nicht, warum man diese beiden Zahlen ins Verhältnis setzen möchte. Der niedrige einstellige Millionenbetrag kommt daher, dass wir das Gewehr seit bald 20 Jahren nutzen. Das heißt, die meisten Gewehre sind ausgeliefert. Hier geht es praktisch um Nachlieferungen. Es werden also ausgeschossene Gewehre ersetzt oder Ergänzungsgewehre sind vor einigen Jahren beschafft worden. Da sind die Verjährungsfristen noch nicht abgelaufen. Diese Lieferungen hatten den Wert eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob man aufgrund der festgestellten Mängel den gesamten Betrag oder nur einen Teil zurückerstattet bekommen kann. Das wird vielleicht in späteren rechtlichen Auseinandersetzungen zu klären sein.

Das Gesamtvolumen, das die neue Generation Sturmgewehr angeht, kann ich Ihnen heute nicht nennen. Das hängt davon ab, wie viele davon beschafft werden, welche Auswahlentscheidungen im Zuge der Beschaffungsverfahren getroffen werden. Das hängt auch davon ab, welche Änderungen an der Peripherie noch vorgenommen werden müssen. Das ist ja eine große Sache. Ich kann Ihnen nur sagen: Was das G36 angeht, haben wir die ersten Beschaffungsvorgänge im Jahr 1995 begonnen. Es war immer auf eine Nutzungsdauer von rund 20 Jahren ausgelegt, und die haben wir heute auch erreicht.