Gipfelbeobachtung: ‚Sea Guardian‘ statt ‚Active Endeavour‘ im Mittelmeer

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Die NATO will mit einer neuen maritimen Sicherheitsmission im Mittelmeer aktiv werden: Sea Guardian (Meereswächter) soll die neue Operation heißen, die die seit mehr als einem Jahrzehnt laufende Operation Active Endeavour (OAE) ersetzen soll. Das kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf dem Gipfel des Bündnisses in Warschau am (heutigen) Samstag an:

And third, we will launch a new maritime security operation in the Mediterranean Sea, Operation Sea Guardian. It will have a broad scope, including the situational awareness, counter terrorism and capacity building.
We intend to work closely with the European Union’s Operation Sophia in the Central Mediterranean. Building on our swift and effective cooperation with the EU to cut the lines of international human smuggling in the Aegean.

Mit der neuen Mission setzt die Allianz nicht nur etwas andere Schwerpunkte – sie verabschiedet sich vor allem von einer Operation, die – praktisch als letzte – noch auf der Ausrufung des NATO-Bündnisfalls nach den Angriffen auf New York und Washington am 11. September 2001 beruhte. Vor allem Deutschland hatte seit Jahren (genauer: seitdem die SPD wieder in der Koalitionsregierung ist) darauf gedrungen, diese Mission nach dem Artikel 5 des NATO-Vertrages einzustellen oder zu verändern. Im Dezember hatte deshalb der Bundestag die deutsche Beteiligung an OAE auch nur für ein halbes Jahr verlängert. Die Bundesregierung hatte allerdings deutlich gemacht, dass eine Aufhebung des 2001 beschlossenen Bündnisfalls praktisch nur von Deutschland verfolgt werde und deshalb eine Änderung der Mission sinnvoller sei als auf einen formalen Beschluss des Bündnisses zur Aufhebung hinzuwirken.

Allerdings hatte die Deutsche Marine in den vergangenen Jahren immer nur punktuell an dieser Mission teilgenommen – meist wurden Einheiten auf dem Weg in andere Einsätze, zum Beispiel die EU-Antipiraterimission Atalanta vor Somalia oder die UNIFIL-Mission vor dem Libanon, während des Transits OAE unterstellt.

Das könnte sich mit Sea Guardian ein wenig ändern. Zumal die NATO damit die bereits laufende EU-Mission vor Libyen  (EUNAVFOR MED/Operation Sophia) unterstützen wird, wie Italien bereits im April in Aussicht gestellt hatte und Stoltenberg jetzt bestätigte. Andererseits dürfte die – ebenfalls unter deutscher Beteiligung, derzeit sogar unter deutscher Führung – laufende Grenzüberwachung in der Ägäis zwischen der Türkei und Griechenland auch in die neue Mission eingegliedert werden.

Stoltenberg kündigte zugleich weitere Maßnahmen an, die die Staats- und Regierungschefs der Allianz unter der Überschrift Projecting Stability insbesondere für den Nahen Osten beschlossen:

• Wie erwartet, sollen AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeuge der NATO auch Daten für den Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen im Irak und in Syrien liefern. Darüber gebe es eine prinzipielle Verständigung, sagte Stoltenberg.

We have now agreed in principle that NATO’s AWACS surveillance aircraft will provide direct support to the Coalition forces. A clear signal of our resolve to help tackle terrorism.

Wie die im Detail aussieht, wird vor allem für Deutschland interessant: Für diesen Einsatz, bei dem die Bundeswehr normalerweise mit etwa einem Drittel der AWACS-Besatzungen beteiligt ist, wird ein zusätzliches Mandat des Bundestages erforderlich.

• Die NATO soll mit einer Ausbildungsmission für irakische Sicherheitskräfte künftig im Irak selbst präsent sein. Bislang findet das Training in Jordanien statt; ein Erkundungskommando soll nun die Voraussetzungen für die Verlagerung prüfen.

Das ganze Statement Stoltenbergs mit noch ein paar Details hier zum Nachlesen.

(Foto: NATO Secretary General Jens Stoltenberg, Chancellor of Germany Angela Merkel and the President of Poland, Andrzej Duda – NATO Photo)