Konservative Sozialdemokraten wollen Bundeswehr mit „mindestens 200.000 Soldaten“

20160121_incirlik_dikkat

Der Seeheimer Kreis, der konservative Flügel der Sozialdemokraten, will die deutschen Sicherheitsbehörden gestärkt sehen und dafür unter anderem die Bundeswehr auf mindestens 200.000 Soldatinnen und Soldaten vergrößert wissen. Das geht aus einem Positionspapier der Gruppierung mit dem Titel Handlungsfähig, entschlossen, selbstbewusst – Für eine Stärkung unserer Sicherheitsstrukturen hervor, über das zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtete (Link aus bekannten Gründen nicht).

Interessant ist, dass – zumindest formal – dem Seeheimer Kreis  der Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzende  Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann angehören. Allerdings macht das ein Positionspapier dieser Gruppe noch nicht zu einer Mehrheitsmeinung in der SPD.

Zur Bundeswehr Ausschnitte aus diesem Papier (den kompletten Text gibt es auf der Seeheimer-Seite zum herunterladen):

Wir sehen uns mit immer mehr und immer vielfältigeren Herausforderungen konfrontiert, die das friedliche Zusammenleben der Gemeinschaft genauso bedrohen wie die Freiheit und die Sicherheit des Einzelnen. Gleichzeitig wurden in den vergangenen Jahrzehnten die Ausgaben für die innere und äußere Sicherheit auf allen Ebenen mehr und mehr zurückgefahren. Ursächlich dafür war die Erwartung einer Friedensdividende, auf die sich unsere Gesellschaft nach dem Zusammenbruch der Staaten des Warschauer Paktes vor dem Hintergrund einer vermeintlich entspannten Bedrohungslage eingestellt hat.
Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit waren immer ein Kernthema der deutschen Sozialdemokratie, nichtsdestotrotz folgten auch Regierungen mit SPD-Beteiligung dem allgemeinen Trend zu Einsparungen und Personalabbau bei den deutschen Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern. Spätestens mit den zusätzlichen Herausforderungen durch Terroranschläge in Europa und seit Beginn der Flüchtlingskrise zeigt sich, dass dies einerseits zu einem wachsenden Gefühl der Unsicherheit in weiten Teilen der Bevölkerung führt und andererseits die Handlungsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden stark eingeschränkt hat. Für den Seeheimer Kreis ist damit klar: Wir brauchen eine Trendumkehr und wir brauchen sie jetzt! (…)
Jeglichen Einsatz der Bundeswehr im Inneren über die im Grundgesetz beschriebenen Aufgaben hinaus lehnen wir kategorisch ab. Umso dringlicher ist es, die einzelnen staatlichen Akteure in die Lage zu versetzen, auch in Extremsituationen ihre Aufgaben im Sicherheitssystem der Bundesrepublik Deutschland erfüllen zu können. Dazu zählen wir nicht nur die Sicherheitsbehörden und die Streitkräfte, sondern beispielsweise auch das Technische Hilfswerk, das als zivile Komponente des Katastrophenschutzes und der Nothilfe im In- und Ausland wertvolle Arbeit leistet. (…)
Wie alle Sicherheitsbehörden ist die Bundeswehr mit einer zunehmenden Komplexität der Herausforderungen und einer Zunahme der Aufgaben konfrontiert. Die Sicherheit Deutschlands zu garantieren, ist und bleibt die Kernaufgabe unserer Armee, was besonders durch die näher rückenden militärischen Konflikte am Rande Europas deutlich geworden ist.
Die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen darf dabei nicht wie derzeit die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im Ganzen in Frage stellen. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat mit Vorlegen seines Jahresberichtes 2015 verdeutlicht: Die Streitkräfte arbeiten in einigen Bereichen am Limit und darüber hinaus. Deshalb halten wir eine – über die Besetzung der bereits jetzt vakanten 7.000 Planstellen hinausgehende – permanente Erhöhung des Personalbestandes von derzeit ca. 177.000 auf mindestens 200.000 Soldatinnen und Soldaten zuzüglich ziviler Beschäftigter für erforderlich. Allein die Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie führt zu einem erheblichen Mehrbedarf, um die Ausbildung und Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte sicherzustellen.
Mit dem zusätzlichen Personal soll vor allem das Heer in die Lage versetzt werden, zwei der bestehenden drei Divisionen vollumfänglich so auszustatten, dass die Bundeswehr jederzeit auf bereitstehende Kräfte für Auslandseinsätze, Hilfsmissionen und Bündnisverpflichtungen zugreifen kann. Außerdem soll die durch Auslandsmissionen stark beanspruchte Marine entlastet werden. Bei der Beschaffung von Ausstattung ist den erheblich gestiegenen Herausforderungen und Belastungen ebenso Rechnung zu tragen wie der geforderten Aufstockung des Personalkörpers.
Die Gewinnung neuen Personals für die Streitkräfte in dieser Größenordnung wird nur mit einer deutlichen Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufes gelingen, beispielsweise durch die Anhebung der unteren Besoldungsstufen auf die jeweils nächst höheren und die Aufhebung der Laufbahnbeschränkungen. Die erheblichen Leistungen von bereits aktiven Soldatinnen und Soldaten sollen durch die Flexibilisierung bei der Abgeltung von Überstunden gewürdigt werden. Gleichzeitig müssen die Soldaten durch die Auflösung des Beförderungsstaus enger an die Truppe gebunden werden.

Das wird eine interessante Debatte – ob das in der SPD durchsetzbar ist, halte ich noch nicht für ausgemacht. Eher finden die Seeheimer da Verbündete beim Koalitionspartner CDU.