Tanker&Tornados: Dokumentation der Minister-Aussagen 26.11.2015

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Fürs Archiv: Die Aussagen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier am 26. November 2015 zur geplanten deutschen Beteiligung am Kampf gegen ISIS – vor allem Aufklärungs-Tornados, Luftbetankung und eine Geleitschutz-Fregatte für den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle.

Aus dem Interview der Verteidigungsministerin im ZDF ist interessant: Die deutschen Aufklärungsergebnisse sind nicht nur als Unterstützung für Frankreich in seinem Einsatz in Syrien gedacht. Sondern die Tornados – wie auch der Tanker – unterstehen nach den Worten von der Leyens der Anti-ISIS-Allianz insgesamt, also der US-geführten Operation Inherent Resolve. Damit ist, wie schon zu erwarten war, dieser Einsatz mehr als nur schnelle Solidarität nach den Anschlägen von Paris.

Zur Dokumentation:

Statements Steinmeier und von der Leyen

Steinmeier: Zum zweiten Mal in diesem Jahr ist Frankreich heimgesucht worden von furchtbaren Attentaten. Mehr als 130 Menschen sind diesen Attentaten am 13. November in Paris zum Opfer gefallen. Wir haben nicht nur Mitgefühl, wir haben auch Solidarität zum Ausdruck gebracht, und der französische Präsident hat gestern in seinem Gespräch mit der Bundeskanzlerin um Unterstützung gebeten im Kampf gegen Terrorismus.

Wir alle wissen, Terrorismus wird sich am Ende nicht allein militärisch besiegen lassen. Deshalb setzen wir auf einen politischen Prozess, der zuletzt in Wien ermutigend begonnen hat. Aber wir werden auch nicht ohne eine Auseinandersetzung, ohne eine militärische Auseinandersetzung mit IS, mit Al-Nusra und anderen terroristischen Gruppierungen in Syrien auskommen. Deshalb haben wir zugesagt, die Unterstützungsbitte sorgfältig zu prüfen.

Wir wissen, dass es Erwartungen gibt, insbesondere im Bereich Aufklärung und Fluglogistik. Frau Kollegin von der Leyen wird das gleich erläutern. Wir haben Unterstützung zugesagt, und ich glaube, es wäre keine gute Geste von der deutschen Seite, wenn wir nicht auch Glaubwürdigkeit bewahren würden. Und Glaubwürdigkeit heißt, dass wir das, was wir können und was wir politisch verantworten können, auch tatsächlich zur Verfügung stellen – zur Verfügung stellen auf Grundlage geltenden Rechts und Völkerrechts.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat erst vor wenigen Tagen zum Ausdruck gebracht, dass IS und Al-Nusra eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit weltweit sind, hat dazu aufgerufen, mit den Möglichkeiten und Mitteln, die wir haben, die Aktivitäten von ISIS und Al Nusra einzuschränken, die Territorien, in denen ISIS sich breitgemacht hat, möglichst zurückzudrängen. Insofern sehen wir uns mit unseren Möglichkeiten, die wir Frankreich zur Unterstützung bereitstellen und bereitstellen können, auf sicherem rechtlichem und völkerrechtlichem Boden.

von der Leyen: Die Regierung hat heute schwere, aber wichtige und notwendige Schritte beschlossen. Wir haben dies gemeinsam getan in dem Bewusstsein, dass wir fest an der Seite Frankreichs stehen. Frankreich ist ins Mark getroffen durch die menschenverachtenden, grauenhaften Anschläge des IS, aber wir wissen alle, dass dieses menschenverachtende Wüten jederzeit auch uns gelten kann und anderen Gesellschaften.

Frankreich hat uns um Hilfe gebeten, und wir haben heute besprochen, wie wir dieser Bitte um Hilfe entsprechen können. Wir können vor allem drei Komponenten zur Verfügung stellen: Schutz, wichtige Aufklärung und Logistik. Schutz, das ist vor allem Schutz für den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“, von dem aus die Luftschläge durch Frankreich geflogen werden. Wir können mit einer Fregatte zu seinem Schutz beitragen.

In Syrien selber ist dringend notwendig ein klares Lagebild, das heißt Aufklärung. Hier können wir zur Verfügung stellen einen deutsch-französischen Satelliten, der sehr präzise den weiten Raum darstellt, und gleichzeitig Aufklärungsflugzeuge, Tornados, die in der Lage sind, sehr viel schneller, zeitnaher, auch Bilder zu liefern. Dies ist wichtig nicht nur für den Kampf gegen den IS, um zu wissen, wo er steht und wie er operiert, sondern es ist auch wichtig zum Schutz der Bevölkerung, für zivile Infrastruktur – auch eine Aufgabe, die wir gemeinsam teilen.

Und wir können, drittens, in der Logistik helfen, nämlich durch Luftbetankung, die dringend notwendig ist. Wir haben Tankflugzeuge, die in der Lage sind, die französischen Jets zu betanken, und würden die auch gern Frankreich zur Verfügung stellen.

Ja, es stimmt, dass wir alle wissen, dass Militär allein einen Konflikt nicht befrieden kann, und umso wichtiger ist der politische Prozess, der zur Zeit um Syrien herum läuft. Es ist wichtig, die ideologische Grundlage dem Terrorregime des IS zu entziehen, aber wir brauchen auch militärische Mittel, um den IS zu stoppen, ihn zu besiegen, um dann in die Aufbauarbeit und die Versöhnung für die verschiedenen Gruppen des Landes einsteigen zu können.

ZDF heute journal: Interview von Marietta Slomka mit von der Leyen

Frage: Ist Deutschland jetzt auch im Krieg?

Antwort: Nein, das ist es nicht, weil wir keinen Staat bekämpfen. Aber wir bekämpfen eine mörderische Terrorbande, und das wird ein harter Kampf werden.

Frage: Ist das nicht auch ein Krieg? Der französische Präsident spricht ja ausdrücklich davon.

Antwort: Nein. Ich kann aus der aktuellen Lage aus Frankreich die Emotionalität vollkommen verstehen, aus der heraus er dieses Wort gebraucht hat. Aber wir würden ja dem IS eher einen Gefallen tun, wenn wir in diese Rhetorik verfallen würden. Er ist kein Staat, sondern er ist eine Terrorbande, menschenverachtend, sehr ernst zu nehmen, sehr schwer zu bekämpfen, aber er ist kein anderer Staat.

Frage: Ähnliches galt für die Taliban in Afghanistan auch. Sprechen wir konkret über den Einsatz deutscher Soldaten. Unter welchem Kommando werden die Luftwaffe und die Marine stehen?

Antwort: Wir sind ja jetzt bereits Teil der Koalition, weil wir im Nordirak bereits Peschmerga ausrüsten und ausbilden. Und innerhalb dieser Koalition werden wir die weiteren Schritte gehen, die wir heute besprochen haben. Das heißt, das Kommando wird in der Koalition besprochen werden und festgelegt werden, so wie das jetzt auch im Irak der Fall ist.

Frage: Es ist also noch nicht festgelegt, ob es ein französisches Oberkommando oder US-amerikanisches oder NATO-Oberkommando sein wird.

Antwort: Es wird in der Koalition koordiniert werden. Das heißt, es wird sicherlich über US-Centcom gehen, über Tampa, das ist klar. Und ein Hauptquartier der Koalition ist in Kuwait, und dann werden die weiteren Schritte festgelegt werden.

Frage: Welche Risiken gehen damit für deutsche Soldaten der Luftwaffe einher. Kann es jetzt auch passieren, dass ein deutscher Pilot über Rakka abgeschossen wird?

Antwort: Die Risiken sind da. Das ist ein gefährlicher Einsatz, ganz ohne Zweifel. Aber es gibt natürlich auch die Schutzmechanismen der Koalition, die dort seit einem Jahr schon Luftschläge fliegt. Und wir wissen, dass seit einem Jahr keine eigenen Flugzeuge abgeschossen worden sind.

Wir haben zum Beispiel ganz klare Regeln, auch wie Evakuierungsteams gegebenenfalls auch retten können. Das heißt, wenn die Rettungskette nicht steht, würden wir nicht fliegen. Das heißt, auch wir kommen nicht in ein völlig neues Gebiet, in nicht eine völlig neue Konfliktsituation, sondern wir treten in der Allianz in Syrien einem Konflikt bei, in dem schon sehr viel etabliert ist.

Frage: Sie sagten gerade, da wird ja schon eine ganze Weile aus der Luft gekämpft. Fragt sich, militärstrategisch, kann man mit solchen Luftschlägen eine solche Gruppe wie den Islamischen Staat überhaupt bekämpfen? Kann das auf Dauer zu einem militärischen Sieg führen, oder braucht man nicht auch letztendlich Bodentruppen in großer Zahl, die dort reingehen und einen sehr schmutzigen, blutigen Häuserkampf machen?

Antwort: Man braucht mehreres. Die Luftschläge sind hilfreich. Ohne die Luftschläge wären wir heute auch nicht so weit. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Kombination von Luftschlägen und lokalen Bodentruppen, also Truppen, die ein vitales Interesse haben, ihr eigenes Gebiet auch wieder zurückzuerobern – es sind die Peschmerga zum Beispiel, im Nordirak, – zu Erfolgen geführt haben. Sie haben den IS gestoppt, sie haben ihn zum Teil empfindlich geschlagen, sie haben ihre Gebiete zurückerobert. Diese Kombination ist die richtige.

In Syrien ist das sehr viel schwieriger, weil es sehr viel schwieriger ist, zuverlässige syrische Truppen zu finden, die man ausrüsten und ausbilden kann. Und deshalb ist die zweite Komponente so wichtig, der politische Prozess, nämlich die Begleitung der Frage, wer ist eigentlich unser Gegner, den wir bekämpfen – der IS, auf den wir uns konzentrieren. Aber wen schützen wir auch? Und das ist der Prozess, der zur Zeit in Wien in Gang kommt.

Frage: Das ist ja unter den verschiedenen Playern in dieser Region sehr umstritten. Die Türken wollen etwas anderes als die Russen, die Iraner wollen etwas anderes als die Saudis. Dieser gemeinsame Feind IS, der steht ja so in Teilen auch nur auf dem Papier dieser imaginären Allianz, die ja noch nicht wirklich geschmiedet ist.

Antwort: Ja, Syrien ist so geschunden inzwischen durch die Auseinandersetzungen, dass es diesen Tiefpunkt brauchte, offensichtlich, bis endlich alle auch verstehen, dass wir uns gemeinsam konzentrieren müssen auf den gemeinsamen Feind, den IS. Deshalb ist ja auch der Prozess in Wien, der begonnen worden ist, wo diese streitenden Parteien – sei es Russland, Türkei, Iran, Saudi-Arabien – und wir mit an einem Tisch sitzen. China ist auch dabei, um gemeinsam zu definieren, wie kriegen wir unter denjenigen, die wir schützen wollen, einen Waffenstillstand hin, gemeinsam, so dass wir uns konzentrieren können auf den gezielten Kampf gegen den IS. Denn eines ist auch klar: Zum Teil rührt die Stärke des IS auch daher, dass bisher seine Gegner sich nicht einig waren.

Frage: Fragt sich trotzdem, ob man eine solche Terrorbewegung militärisch überhaupt bekämpfen könnte… Der IS will ja genau das, dass der Westen gegen ihn in den Krieg zieht.

Antwort: Es sind vier Komponenten nötig. Jeder sieht, dass der IS in der barbarischen Art und Weise, wie er im Augenblick vorgeht, nicht durch Verhandlungen gestoppt werden kann, sondern man muss ihm militärische Mittel entgegensetzen. Aber Sie haben völlig recht, Grundlage für eine wirkliche Veränderung ist der politische Prozess, nämlich die Frage, wie Syriens Staatlichkeit wieder aufgebaut werden kann. Zweite Grundlage ist ein Versöhnungsprozess dann all derer, die zurück in ihre Gebiete kommen, die vorher tiefe Wunden auch erlitten haben der Vertreibung, des Verrates. Und die vierte Komponente ist natürlich auch wieder der wirtschaftliche Aufbau, damit Perspektiven da sind, dass Menschen in Syrien auch wieder Fuß fassen und an die Zukunft ihres Landes glauben. Sehr komplex, aber unverzichtbar.

Frage: Nun fragen sich viele Deutsche, ob mit dieser Beteiligung an dem militärischen Engagement in Syrien auch die Terrorgefahr für Deutschland nun auch noch größer wird, als sie das eh schon war.

Antwort: Wir dürfen uns da, glaube ich, keiner Illusion hingeben. Wir stehen bereits im Fadenkreuz. Der IS hat in seinem Bekennerschreiben bei den Anschlägen von Paris ja bewusst gesagt, dass er das deutsch-französische Freundschaftsspiel ausgesucht hat, die Kreuzfahrernation, wie er uns genannt hat. Und deshalb zeigt es sich auch noch einmal, dass es richtig ist, den IS auch an seiner Wurzel zu bekämpfen.

(Archivbild: Ein Airbus A310 MRTT der Luftwaffe während des Betankungsvorgangs zweier Tornados und zweier Eurofighter am Fliegerhorst Rostock-Laage im Rahmen der Übung SNAP 2015 (Significance of National Air Power) am 20.05.2015 – Bundeswehr/Oliver Lang)