Exercise Watch: ‚Siil‘, Estlands größtes Manöver (Nachtrag zu ‚Dynamic Mongoose‘)
In Estland beginnt in diesen Tagen die Übung Siil (zu deutsch Igel, englisch Hedegehog), für die das kleine baltische Land so viele Soldaten wie noch nie mobilisiert hat. Unter den 13.000 Teilnehmern sind rund 7.000 estnische Reservisten – angesichts von 3.500 Wehrpflichtigen, die jedes Jahr ausgebildet werden, und einer Gesamtstärke von 60.000 Reservisten eine enorme Zahl.
Mehr Details dazu auf der Seite des estnischen International Centre for Defence and Security:
The Siil (Hedgehog) exercise will take place from 4 to 15 May in different parts of the country. The objective: the staging of the 1st Infantry Brigade for the first time in full (personnel, equipment, supplies), this being the main manoeuver unit and strike force of the Estonian Defence Forces. A total of 13,000 are expected to participate, including reservists, conscripts, active-duty personnel, officials, Defence League members and allied troops. (…)
The exercise is taking place both at Defence Forces training grounds and in the midst of everyday life in public areas (conditions in which the battlefield would be located in a real war).
Unter den zahlreichen Truppen aus anderen NATO-Ländern sind auch 80 Bundeswehrsoldaten. Sie beteiligen sich mit Flugabwehrtrupps auf Ozelot an der Übung. Die können sich dann auf die Abwehr von A-10 Erdkampfflugzeugen der USA, britische Eurofighter und polnische Su-22 einstellen.
Siil ist Teil der Manöverserie Steadfast Javelin und sicherlich auch ein demonstratives Zeichen der Allianz in dem Land an der Grenze zu Russland. Sehr interessant finde ich in den beiden verlinkten estnischen Berichten, wie sehr die Einbindung der Bedvölkerung in die Verteidigungsbemühungen betont wird.
Die Russen haben das natürlich auch im Blick: Major War Games Kick Off in Estonia
Nachtrag: In den Kommentaren hier ist schon eine andere Übung angesprochen worden, die ebenfalls heute beginnt: Dynamic Mongoose, eine U-Boot-Abwehrübung im Nordatlantik. Von der Deutschen Marine ist (unter anderem? ich weiß es nicht, auf der Marineseite gibt’s noch nix dazu) das U-Boot U33 dabei, wie das Foto bei dieser Meldung von Reuters zeigt:
NATO launched one of its biggest-ever anti-submarine exercises in the North Sea on Monday, inviting non-member Sweden for the first time, amid increasing tensions between Russia and its northern neighbours.
More than a dozen vessels from 11 countries are participating in the „Dynamic Mongoose“ exercise. NATO will simulate detecting and attacking submarines in one of the most hostile seas, with rugged but shallow underwater canyons, rapid currents and unusually high sound pollution from freshwater pouring in from Norway’s fjords.
(Archivbild: Estnische Soldaten bei einer Übung im März 2015 – Estonian Defence Forces)
@ Roman: Natürlich sind die „Berufsreservisten“ auch gute Kameraden! Die ursprüngliche Idee des Reservisten als Bindeglied zwischen Streitkräften und Gesellschaft ist aber eine andere.
Der zweite Kardinalfehler nach der Aussetzung der Wehrpflicht war es, auf nebulöse Rekonstitution statt auf schlagkräftige Reserven zu vertrauen. Die besonders in der Ära Jung/Schneiderhan ausufernden Hilfskatastrophenschutzallüren haben dann der Reserve den Rest gegeben. Man hätte seinerzeit viel stärker auf den Schutz kritischer Infrastruktur setzen müssen, aber das war ja politisch nicht gewollt.
@boots on the ground
BEAMTE
Moin,
vielleicht könnte man die Arbeitgeber von Spezialisten auch mit sowohl der der Reserve, als auch dem Beruf zuträglichen Lehrgängen unterstützen, so dass alle etwas davon haben. Dies ist aber nicht ganz günstig und der Arbeitnehmer ist noch länger weg.
Trennung
Bevor der Hausherr uns durch die Leitung zieht, da wir doch sehr vom Thema abkommen, könnten wir Ihn fragen, ob er für die Reserve nicht einen eigenen Threat aufmachen will.
@ Stubenviech:
Ich warte schon seit gestern drauf …
( Und da alle hier ja ausnahmslos durchtrainiert und IGF-vollschlank sind, wäre das ein Leichtes …)
;-)
Der Chef ist doch weit weit weg und es geht ja auch gesittet zu :-) Zudem ist der Reservebezug im Artikel ja auch vorhanden, zeigt uns das Beispiel Estland, wie man es auch machen „könnte“
Die Zahl 7000 wird ja hier als hoch bewertet. Aber sind das nicht gerade mal 10 Prozent aller Wehrpflichtigen im Verlauf der letzten 20 Jahre?
Ich finde es werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.
Die Estnische Armee ist grundsätzlich auf den Einsatz von Reservisten ausgelegt und angewiesen. Bei uns bin ich mir nicht mehr sicher worauf die Bundeswehr ausgelegt ist. Bezüglich der Reservisten ist es bei uns aber so, dass diese ja zumeist in aktive Einheiten eingegliedert werden und dort Spiegeldienstposten/Vertretungen machen. Dabei ist der Anteil an Reservisten dann meist weit unter 10% der Einheitsstärke. Um also 7000 deutsche Reservisten an einer Übung teilnehmen zu lassen, müsste diese mindestens 63000 aktive Soldaten beinhalten.
Bei den Esten wird das Rahmenpersonal von Aktiven gestellt, der größte Teil einer Einheit sind regelmäßig übende Reservisten.
Daher irritiert mich hier diese Festlegung auf die verschiedenen Konzeptionen der Reserve. Wäre nicht die Frage warum DEU nicht mal eine Übung mit 10% der gesamten Bundeswehr auf die Beine stellt die „richtigere“?
Trennung
Meine persönliuche Erfahrung ist es, dass man als angehender Reservist von der Bundeswehr außer ein paar Faltblättern keine Informationen über die Möglichkeiten als Reservist bekommt. Auch in den Einheiten gibt es nur wenige die sich auskennen und da Hilfestellungen geben können.
Ich habe das Glück, dass ich aus einem aktiven Btl komme und dort noch viele Ansprechpartner persönlich kenne. Dies trifft aber auf immer weniger Reservisten zu (Auflösung der alten Einheiten).
Sobald man als Reservist allerdings erstmal eine Wehrübung geleistet hat, sinkt auch die Unsicherheit und der bürokratische Aufwand. Bei uns sind mittlerweile z.B. keine Beorderungsdienstposten mehr zu bekommen, da sich so viele dafür melden.
Ich glaube der Reservist aus der guten alten Zeit der BW Wehrpflicht wird hier etwas zu stark glorifiziert. Zumindest war das höchste Ziel der Manschaftsdienstgrade nach dem Ausscheiden aus Wehrdienst schon immer jeglichen weiteren Kontakt mit der BW zu vermeiden. Wer ausgekleidet wurde galt als Gewinner, der Rest fürchtete sich schon vor der ersten Reserveübung und informierte sich was zur Vermeidung zu tun war.
Wer den Rückhalt der BW in der Bevölkerung vermisst, der sieht auch das Ergebnis von fünf Jahrzehnte Behandlung von Wehrpflichtigen. Man kann es konkreter an der Conversion Rate zur Zeit der Wehrpflicht festmachen. Also der Rate von Wehrpflichtige die man während ihrer Dienstzeit für eine lange aktive Verpflichtung gewinnen konnte. Zu meiner Zeit war sie lächerlich gering, und leider konnte man man häufiger die Falschen als die Richtigen gewinnen. Nie war die BW so unattraktiv für jemanden als während seiner Wehrdienstzeit. Was dort an Motivation vernichtet wurde …
Wenn es Estland gelingt ca. 12% seiner 60000 Reservisten zu mobilisieren ist das eine echte Leistung, nicht zuletzt im Bereich der Motivation. Wenn ich es richtig gesehen habe, dann hat Deutschland auf dem Papier 90000 Reservisten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gelingen könnte davon 10800 zu mobilisieren.
Aktuell beschränkt sich die Reservistenarbeit der BW sowieso auf Unteroffiziere und Offiziere der Reserve. Vielleicht bekommt man wirklich noch genug Häuptlinge zusammen, aber Indianer?
Hmmm, ihre Einschätzung beisst sich irgendwie mit der jahrzehntelang verkündeten Behauptung (ich habe gerade die Quellen nicht im Kopf), dass rund 70% der SaZ oder BS sich erst im Laufe ihrer Grundwehrdienstzeit für eine Karriere in der BW entschieden.
Vielleicht hat man bei vielen GWDLern auch die Motivation gekillt, aber mir sieht es so aus, dass man immerhin eine nfesten Rekrutierungsstamm hatte, der mit Aussetzung der Wehrpflicht jetzt natürlich weggefallen ist.
Zusammengefasst (nach ‚DefenseNews‘ vom 20. April.) die bemerkenswerten mil Anstrengungen der baltischen Staaten, rüstungstechnische wie Fuchs1A8, bleiben unberücksichtigt, da bereits mehrfach thematisiert.
1. Die baltischen Staaten verbessern ihre Kooperation als Reaktion der RUS Agression in der Ukraine. Dabei arbeiten alle drei Staaten auch an der Aufstockung der Truppenstärken, Litauen führt sogar für zunächst fünf Jahre die Wehrpflicht wieder ein.
2. Das litauische Parlament hat als letztes der Aufstellung einer „joint brigade“ gemeinsam mit Polen und der UKRAINE (!) unter der Bezeichnung LITPOLUKRBRIG zugestimmt. Das HQ wird im POL Lublin errichtet werden. Die Brig soll jedoch, soweit eine Einschränkung sicherlich der Mitgliedschaft der UKR geschuldet, hauptsächlich mit Ausb und Üb beauftragt sein.
3. Estland führt in Mai die größte Übung seit seiner Unabhängigkeit 1991 durch, als Volltruppenübung mit einer U.S.- PzKp und M1A2. Die M1 sind im Übungszeitraum auf dem nordestnischen Übungsplatz TAPA mit relativer Nähe zur RUS Grenze stationiert.
3. Die drei baltischen Staaten begannen im April das erste gemeinsame Ausbildungsvorhaben im Rahmen des tri-nationalen BALTBAT. Seitens des lettischen Staatspräsidenten wurden Gedanken zu einer möglichen Vereinigung der nationalen Streitkräfte geäußert, was in Sachen Finanzierung und Effizienz zu begrüßen wäre.
4. Mit Blick auf weitere Unterstützung seiner NATO-Partner hat Estland angekündigt, 40 Mio € in die Hand zu nehmen, um in den kommenden fünf Jahren Unterkünfte und Ausbildungsmöglichkeiten zu verbessern.
Zusammengefasst, wie an anderer Stelle schon verdeutlicht, für die Balten eine außerordentliche Leistung. Zu hinterfragen sind die Anlässe, mit Blickrichtung Osten keinesfalls – und mit Blickrichtung Westen? Wer sich seiner Partner sicher ist, wird derjenige derart aktiv, was sagt das also über Beistandszusagen und den Art. 5 NATO-Vertrag aus?
Moin,
grundsätzlich muss der Grundsatz des „Schaffens von Reserven“ sich nicht nur auf die operative Ebene beschränken, sondern sich wieder auch auf das Schaffen einer personellen und materiellen Reserve beziehen.
Wie schon angeklungen kommen die baltischen Staaten in vielen militärischen Bereichen zu brauchbaren Lösungen, von denen wir sicherlich auch im Hinblick auf die europäische Integration von Streitkräften lernen können: http://de.wikipedia.org/wiki/Estnische_Verteidigungsstreitkr%C3%A4fte#Baltische_Kooperation
Abgesehen davon sind auch einige Dinge außerhalb des sicherheitspolitischen Bereiches, vor allem in Estland, durchaus nachahmenswert.
Weiß jemand was NATO zu LITPOLUKRBRIG so sagt, defacto Zusammenarbeit NATO-UKR?
Zur deutschen Beteiligung:
http://www.luftwaffe.de/portal/a/luftwaffe/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9nHL9cJBsSqpecn5eagmILEnNK8kEkulFiSX5RXoF-UUlOSCZ0qIioIxeZop-pIGhi5OBmQEMGNZYhjs5-5oZmpu5eDoF6Rfk5joCAE_nYY8!/
Danke – aber auch hier lieber der gekürzte Link…
https://bw2.link/tS5QK
Laut unterschiedlicher deutscher Medien werden die drei baltischen Verteidigungsminister eine ständige NATO-Präsenz in Form einer (mech) Brigade für das Baltikum fordern, sie spielen dabei auf den Schutz durch die frühere Berlin-Brigade der drei Westalliierten für Berlin an.
Sicherlich ein geschickter Schachzug, zum einen durch den früher unmittelbaren Frontstatus zu (ehemals) sowjetischen Truppen, der heute zu russischen besteht, zum anderen in Bezug auf DEU, das damals erster Profiteur der alliierten Präsenz war und heute weitgehend als Bremsklotz hinsichtlich ständiger Stationierung von NATO-TrTl in Osteuropa betrachtet wird.
Dass deutsche Vorbehalte nicht zuletzt im 2+4-Vertrag zu sehen sind, wird bewusst ausgeblendet.
http://www.stripes.com meldet dazu, dass Jens Stoltenberg die Besprechung des Antrags zugesagt hat, sich jedoch nicht wertend äußerte.
Wie auch immer, offizielle Anträge von gleich drei NATO-Staaten können nicht einfach „mal so“ beiseite geschoben werden. Da bedarf es schon „Hardware-Argumenten“, z.B. durch Truppe, oder diplomatischer, die kaum öffentlich gehandelt werden dürften. Gleichzeitig wird in Zusammenhang mit einem möglichen Art-7-Einsatz der EU im Mittelmeer auch die Solidarität der Balten gefordert werden. Da bietet sich doch ein Junktim an, oder?