Boote versenken im Mittelmeer: Der Unterschied zwischen vorher und nachher
Da scheint, nicht nur in meiner Branche, eine gewisse Verwirrung zu herrschen. Nachdem am (heutigen) Sonntag die Bild am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht) berichtet hatte, die Deutsche Marine zerstöre nach der Rettung von Flüchtlingen von ihren meist seeuntüchtigen Booten im Mittelmeer eben diese Boote, wird das offensichtlich gerne mit dem EU-Plan durcheinandergebracht, die Boote von Schleusern zu zerstören, bevor die Migranten damit die gefährliche Überfahrt antreten.
Deshalb zur Unterscheidung: Dass die Marine die – leeren – Boote versenkt, ist nicht neu und war von dpa bereits vor einer Woche gemeldet worden. Hauptgrund ist, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr heute noch mal erläuterte, dass die leeren und zudem in der Regel nicht seetüchtigen Boote ein Hindernis und eine Gefährdung für die Schiffahrt darstellen. Zudem ist ein zuständiger Flaggenstaat in der Regel ebenso wenig ermittelbar wie ein Eigner des Bootes – außer den Flüchtlingen ist meist niemand an Bord.
Ein ganz anderes Problem ist die Debatte darüber, ob die EU die Infrastruktur von Schleusern – und damit auch solche Boote – zerstören kann, darf und soll, bevor diese Boote auf den Weg gebracht werden. Darüber werden die Außen- und Verteidigungsminister am (morgigen) Montag beraten. Und da stellt sich in der Tat die Frage nach der rechtlichen Grundlage und ebenso danach, wie man eigentlich zweifelsfrei feststellt, ob ein Boot für eine solche Migranten-Schleusung genutzt werden soll – oder vielleicht doch ein ziemlich heruntergekommenes Fischerboot ist. Zumal diese Grenzziehung bisweilen gar nicht möglich ist.
(Bei diesem Thema setze ich gerne die Kommentare alle auf moderiert.)
(Foto: Ein Schlauchboot mit 107 Personen an Bord im Mittelmeer 83 Kilometer nordöstlich von Tripolis am 14. Mai. Die Migranten wurden von der Fregatte Hessen aufgenommen – Bundeswehr/Kruse)
In der BILD Meldung steht auch das der Einsatz der Berlin und Hessen erstmal nur auf 30 Tage begrenzt ist und dann eine Ablösung erfolgen soll. Ist da schon was bekannt wer dann los soll? Bei knapp 10 Tagen Anmarsch müsste sich ja langsam was auf den Weg machen.
Oder wird mal wieder kurzfristig der Einsatz verlängert?
Offtopic: Bin erst seit ein paar Wochen begeisterter Leser dieses Blogs, und wenn hier auf andere Websites verwiesen wird, dann „aus bekannten Gründen ohne Link“ . Was ist denn dieser, scheinbar jedem außer mir, bekannte Grund?
@N.B.
Oben steht ein Link zu den FAQ ;-)
(Punkt 8)
Nachdem ich hier nun seit einiger Zeit „stille“ Mitleserin bin, möchte ich mich heute auch mal zu Wort melden.
@ J. H.: Laut Info von der Berlin soll der Tender Werra aus Kiel Ablösung sein. Ob und wer für die Hessen ablöst weiß ich aber leider nicht.
Ich hoffe, der Einsatz wird nicht verlängert.
Ist der „Boden“ eines deutschen Militärschiffes eigentlich deutsches Hoheitsgebiet, wenn es in internationalen Gewässern unterwegs ist? Wenn ja, würden Flüchtlinge dann deutsches Hoheitsgebiet betreten, wenn sie vom Militär darauf gerettet werden?
Ist bereits ein Konzept bekannt, wie diese „Boote“ präventiv zerstört werden sollen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer wirklich auf die Idee kommen kann, entlang der nordafrikanischen Küste schrottreife Kähne zu versenken. Wobei der Begriff Kahn bei dem Titelbild dieses Artikels schon ein Euphemismus ist.
Selbst mit UN Mandat klingt so etwas nach Aktionismus.
Geordnete politische Verhältnisse sind meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit den Transfer der Flüchtlinge über das Meer zu verhindern.
Das wärs jetzt noch. Den Wenigen, die versuchen Ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Art und Weise mit Fischfang zu bestreiten Ihre Boote gleich mit zu vernichten. Wenn scheiße, dann doch gleich richtig liebe EU.
Nur mal so am Rande bemerkt, wieso ist eigentlich gerade hier im Blog ständig von Migranten die Rede? Ich finde das ist zu kurz gegriffen. Auch wenn es von der Bedeutung sicherlich richtig ist, aber für mich sind diese Personen mehr als „Auswanderer“ und der Begriff Migranten verharmlost das ganze, finde ich. Klinkt ehr technisch, bürokratisch und wird der Tragödie nicht gerecht.
So genug OT
@Eike Henning
Ich werde wohl nie einen Begriff finden, der hier allen passt… Migranten ist aus meiner Sicht umfassender als ‚Flüchtlinge‘, weil die Gründe, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen (müssen), viel vielschichter sind.
Ich hänge nicht an diesem Begriff. Aber einen zu finden, der alles umfasst, nicht diskriminiert, hinreichend wertneutral ist… gibt’s den?
@Götz 17. Mai 2015 – 20:34
Deutsche Kriegsschiffe sind kein „deutscher Boden“ und auch nicht exterritorial.
Sie sind rechtlich betrachtet „Geltungsgebiet deutschen Rechts“ – u.a. genau aus dem Grund, dass es nicht möglich sein soll, an Bord einen gültigen Asylantrag in Deutschland zu stellen.
So zumindest die Aussage des damals eingeschifften RBs……
@Pilgrym Danke für die Information. Ist ja praktisch, dass es da alle Pflichten gibt, aber nicht alle Rechte :-)
Bonusfrage: Das Seerecht gestattet die Versenkung maroder Schiffe auf offener See? Die müssen nicht in den nächsten Hafen geschleppt werden? Eine Gefahr für die deutschen Marineschiffe dürfte von den Nussschalen beim abschleppen ja eher nicht ausgehen.
@Götz
Es gibt natürlich noch andere Teilnehmer am Seeverkehr. Das Versenken maroder Schiffe ist rechtlich unschädlich (Gefahrenabwehr).
Abschleppen: wer zahlt das (sowie die Verschrottung), an wen sollen die Wracks übergeben werden – meldet sich der Eigentümer?
@Eike Henning
Migrant und Migrantin in hoher Zahl …… oder Illegal Einreisende in die EU, besser?
@Götz
Von welchen Pflichten sprechen sie in diesem Zusammenhang?
Und ja das ist sehr praktisch, denn sonst würde jemand auf jedem Schiff unter deutsche Flagge zB einen Asylantrag stellen können (ok die Flotte unter deutscher Flagge schrumpft zunehmends, aber ist trotzdem noch beträchtlich).
Zu ihrer Bonusfrage, das Seerecht gestattet das Beseitigen (zB versenken) von für die Schifffahrt gefährlichen Objekten. Wenn nun die wirtschaftlichste, zweckmäßigste und schnellste Lösung das Versenken ist, warum sollte man dann das Treibzeugs in irgend einen Hafen schleppen? (Am besten gleich nach Libyen zurück, damit das Material wieder recycled werden kann.)
Cheers
Flip
Wie darf ich mir eigentlich die Zerstörung der leeren Boote auf See vorstellen? Werden selbige dann beschossen oder gesprengt? Also wie läuft sowas praktisch ab? (Reine Neugier)
Wozu abschleppen? Diese Fahrzeuge dürften idR Schrottwert haben, und die Migranten/ Flüchtlinge/ Asylbewerber/ Reisenden ;-) wollen ja irgendwann auch mal wieder festen Boden unter den Füßen haben, und die Einheit will möglichst zügig für einen weiteren Einsatz zur Verfügung stehen. Schleppen ist langsam.
Zielübung mit 27mm um die aufgenommenen Flüchtlinge mal so richtig zu erschrecken? Wohl eher nicht. Luft raus, Ventile auf, Lecks erzeugen, volllaufen lassen reicht aus, sofern das Fahrzeug nicht zu widerspenstig ist.
@Thomas „Das Versenken maroder Schiffe ist rechtlich unschädlich (Gefahrenabwehr).“ – im Einzelfall vielleicht, aber das wird ja auf mehr als eine halbe Handvoll Schiffe rauslaufen. Da hat der Umweltschutz (Öl/Diesel etc. im Wasser) wohl noch nicht mitgezogen und die Gefahrenabwehr bzw. „es ist bequemer den Stöpsel zu ziehen als es in den Hafen zu schleppen“ haben Vorrang.
@Flip: Ich hatte gedacht, dass Marineschiffe einen anderen Rechtsstatus haben als x-beliebige Handelsschiffe unter deutscher Flagge. Schnell ist versenken natürlich, und bequem auch.
Und wahrscheinlich hat die Versenkerei, da sie am Grundproblem genau nichts ändert, keinen nennenswerten Effekt auf die Flüchtlingsströme, und die Schleuser machen weiter (vor 1989 wurden solche Leute hierzulande übrigens auch manchmal gerne Fluchthelfer genannt).
@Götz
Ich glaube sie haben da eine etwas einfache Vorstellung von seeuntüchtige Schiffe abschleppen. Zu erst, dies sind ja in der Regel große Schlauchboote, bedingt/gar nicht seetüchtig ausgestattet mit einem Außenborder mit gerade soviel Sprit um nach Italie zukommen(wenn überhaupt). Da ist der Einfluss auf die Umwelt im Vergleich zu sonstigem verklapptem Müll/Ballastwasser bzw Ölverschmutzung und durch Handelsschiffe weitaus gravierender.
Diese seeuntüchtigen Boote werden dann auch nicht eben per Tau ans Heck der Fregatte gefriemmelt und mit normaler Marschgeschwindigkeit (ca 13-15kn?) Richtung Italien gezogen. Die Geschwindigkeit ist so vermute ich bei eher 5-6Kn anzusetzen (Marinierte bitte Aufklären), ab gesehen davon, dass dies deutlich länger dauert, wird dem Marineschiff die Möglichkeit genommen schnell wieder im Einsatzraum zur Verfügung zu stehen. Ich denke da ist der Schaden für die Umwelt, dem Retten von in Seenot befindlichen Personen eindeutig unterzuordnen.
Cheers
Flip
PS: Marinierte, bitte korrigieren wenn ich falsch liege.
Erstmal von mir auch vielen Dank für dieses Blog :)
bzgl Boote abschleppen: Ich meine, ich hätte in der Zeit gelesen, dass die Italiener in Küstennähe die alten Botte abgeschleppt haben und dort auch eine eigene Stelle für deren Verschrottung angelegt haben.
Versenken ist natürlich schneller und einfacher und dürfte zumindest bei den Schlauchbooten auch kein Problem sein. Fragt sich natürlich, ob auch größere Schiffe mal so eben versenkt werden können oder wird das dann nicht ein riesiges Geballer oder braucht man doch irgendwie Sprengstoffexperten?
SPON zitiert Mogherini zu den erheblichen Risiken:
„Die Gefahren beschreibt Mogherini drastisch: Die Milizen besitzen demnach hochmoderne Waffen, Flugabwehr und Boden-Luft-Raketen, die auch für westliche Militärjets und Hubschrauber „eine robuste Gefahr“ darstellten, der man nur mit einer ebenso martialischen „force protection“ begegnen könne. Für die Einsätze an Land müsse man zudem mit einer „feindlichen Umgebung“ rechnen.“
–> Diese Idee darf man also ersteinmal gestrost beerdigen, denn sonst droht „Newsbreak: EU beginnt (kleinen) Krieg zur Abwehr von Migrationsströmen“. Es bleiben somit verdeckte Operationen und geheimdienstliches Handeln sowie vor allem Einflussnahme.