Merkposten: Marine gegen Schleuser im Mittelmeer?

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Die grauenvollen Meldungen der vergangenen Tage über die Hunderte ertrunkener Flüchtlinge im Mittelmeer haben vermutlich alle mitbekommen (und es ist, so schrecklich die Ereignisse sind, nicht natürlicherweise ein Thema für dieses Blog). Nach den Beschlüssen der EU-Außen- und Innenminister mit ihrem Zehn-Punkte-Plan für Migration am (gestrigen) Montag muss ich das hier dennoch vorsorglich mal als Merkposten aufgreifen.

In dem Zehn-Punkte-Papier gibt es eine Aussage, bei der mich die dort gezogene Analogie zunächst, sagen wir, irritiert:

A systematic effort to capture and destroy vessels used by the smugglers. The positive results obtained with the Atalanta operation should inspire us to similar operations against smugglers in the Mediterranean;

Der ausdrückliche Verweis auf die EU-Antipirateriemission Atalanta vor der Küste Ostafrikas legt zumindest nahe, dass auch an den Einsatz militärischer Mittel gedacht wird. Ein Hinweis findet sich auch in einem Reuters-Bericht dazu: EU officials said it would be a combined civilian and military operation but gave no more details.

Bislang habe ich in Deutschland nichts weiter dazu bekommen können, ob und wenn ja in welcher Form diese Überlegungen auf europäischer Ebene in (Prüf)Aufträge für die Streitkräfte und damit auch für die Deutsche Marine münden könnten. Zumal allein die rechtlichen Grundlagen dafür offen sind (in einigen Meldungen ist von einem nötigen UN-Mandat die Rede), ebenso wie praktischen Möglichkeiten. Aber wir behalten das mal im Auge.

Nachtrag: Die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) berichtet aus Italien weitere Details der – offensichtlich italienisch vorangetriebenen – Überlegungen, gegen Schleuserbanden vorzugehen:

Die Rede ist von punktuellen Einsätzen der Marine gegen deren Netz und deren Transportmittel, um das Geschäft zu zerstören und weitere Tragödien zu unterbinden. (..)
Wie genau der rechtliche Rahmen für eine solche Intervention aussähe, ist noch nicht klar. Eine militärische Aktion im eigentlichen Sinn scheint ausgeschlossen zu sein, weil sich sonst Libyen in seiner Souveränität verletzt sähe. Wahrscheinlicher sind gezielte Schläge gegen die Banden, vielleicht auch die Zerstörung der Boote, die da in den Häfen bereitliegen. Renzi telefoniert mit allen europäischen Hauptstädten, wirbt für den Plan.

Damit bekommt das Ganze auch eine Verbindung zum Problem des failing state Libyen, direkt gegenüber von Italien. Das EU-Land hatte ja schon länger und mehrfach eine Intervention in Libyen ins Gespräch gebracht.

Nachtrag 2: Die beiden deutschen Minister Frank-Walter Steinmeier (Außen) und Thomas de Maizière (Inneres) sprachen nach dem Treffen in Luxemburg zwar auch die Bekämpfung der Schleuserkriminalität an, blieben allerdings recht allgemein. Lediglich de Maizière sprach von robusten Kräften, die genutzte Boote zerstören können – das müsse zwar schnell, aber auch sorgfältig überlegt werden:

… und der Hinweis eines maltesischen Kollegen:

Nachtrag 3: Die Sprecherin des EU-Außenministerrats, Susanne Kiefer, verweist in einem Tweet ausdrücklich auf das Vorgehen der EU-Antipirateriemission gegen Piratenlogistik an Land:

Da wird’s dann interessant. Vor allem vor dem politischen Streit, den die Zulässigkeit dieses Vorgehens damals in Deutschland auslöste. Zur Erinnerung:

Scharfe Schüsse auf den Strand

Scharfe Schüsse auf den Strand (2): Die Wasserbewegung des Meeres

Atalanta: Am Strand, aber nicht an Land (neu: Mandatstext)

Gespaltenes Parlament weitet Atalanta-Einsatz aus – die Abstimmungsliste

 

(An dieser Stelle vorsorglich die Bitte, hier nicht die Diskussion über die Flüchtlingsproblematik insgesamt führen zu wollen – das würde den Rahmen dieses Blogs sprengen.)

(Archivbild: Flüchtlinge auf der italienischen Insel Lampedusa 2007 – Sara Prestianni / noborder network via Wikimedia Commons unter CC-BY-Lizenz)