G36-Sammler: Warten auf den Bericht, und neue Vorwürfe

Afghanistan - Joint Patrol FDD Programm

Auch wenn der für den (heutigen) Freitag angekündigte zusammenfassende Bericht des Verteidigungsministeriums zu den Problemen beim Sturmgewehr G36 bis zum frühen Abend noch nirgendwo aufgeschlagen scheint – es gibt auch genügend anderen Stoff. Oder, um eine Twitter-Äußerung zu zitieren: Popcorn bereithalten!

Erstmal zum grundlegenden Verständnis: Die Vorgeschichte habe ich für die Krautreporter aufgeschrieben: Die Braut, der man nicht traut

Zum Bericht hat der Sprecher des Verteidigungsministeriums heute in der Bundespressekonferenz schon mal vorab ausführlich Stellung genommen. Wichtigste Aussage: Nach derzeitigem Stand gibt es keine Grundlage für Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller.

Und weiter gehts:

Die Vorschriften für die Qualitätskontrolle beim G36-Hersteller Heckler&Koch sollen jahrelang missachtet worden sein, berichtet der Spiegel:

In der Affäre um das Bundeswehr-Sturmgewehr G36 legen interne Dokumente des ehemaligen Bundesamts für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) den Verdacht nahe, dass BWB-Beamte und Mitarbeiter der Waffenschmiede Heckler & Koch bei der Qualitätskontrolle des Problemgewehrs G36 über Jahre Vorschriften missachtet haben.
Im Dezember 2006 meldete ein Ingenieur des BWB-Bereichs „Qualitätssicherung Waffen“ der BWB-Spitze, Heckler & Koch verfüge im Werk – gegen alle Vorschriften – über eine Lasersoftware mit dem amtlichen Prüfsiegel, mit dem das Unternehmen seine Waffen selbst als amtlich geprüft markieren könne. Die Firma führe somit „diese ‚Hoheitliche Maßnahme‘ mit eigenen nachgemachten Siegeln“ aus.

Spiegel Online hatte zuvor gemeldet, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sei bereits im März 2014 über einen geplanten Bericht des Bundesrechnungshofes informiert worden, in dem die Treffer-Probleme aufgelistet wurden. Dazu hat die Sächsische Zeitung weiter gehende Informationen – eine hochrangige Besprechung dazu habe es schon im November 2013 gegeben:

Bereits im November 2013 plante das Verteidigungsministerium eine Verbesserung des Sturmgewehrs G36. Doch die spätere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verfolgte dieses Vorhaben nicht. Das berichtet die in Dresden erscheinende „Sächsische Zeitung“ (Samstag) unter Berufung auf Militärkreise.
Nach Informationen der Zeitung war Mitte November 2013 die gesamte militärische Führung aus Ministerium und Bundeswehr zusammengekommen, um über mögliche Probleme mit dem G36 zu sprechen. An der Sitzung nahmen die beiden beamteten Staatssekretäre [Rüdiger Wolf und Stéphane Beemelmans, T.W.], der Generalinspekteur [Volker Wieker, T.W.], der Inspekteur des Heeres [Bruno Kasdorf, T.W], die drei Leiter der militärischen Abteilungen im Ministerium, der Präsident des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr [Harald Stein, T.W.], der Präsident des Amtes für Heeresentwicklung und mehrere hochrangige Mitarbeiter teil. Die 20-köpfige Gruppe kam überein, dass es keine belastbaren Berichte über Unzuverlässigkeiten des Sturmgewehrs aus dem Einsatz gebe.
Generalinspekteur Volker Wieker und General Markus Kneip, Abteilungsleiter Einsätze, bestätigten dies. Zudem hatte ein Probeschießen des Ernst-Mach-Instituts in Freiburg ergeben, dass Unzuverlässigkeiten nur bei Verwendung fehlerhafter Munition auftraten. Gleichwohl erging ein Auftrag an das Amt für Heeresentwicklung, zu prüfen, ob es einen Bedarf gibt, das G36 angesichts veränderter Einsatzszenarien zu ertüchtigen. Sollte dies der Fall sein, müsse ein Beschaffungsverfahren gestartet werden.
Im März 2014 legte das Amt für Heeresentwicklung den im November geforderten Bericht vor. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat darüber berichtet. In dem Vermerk des Amtes für Heeresentwicklung wird eine Fähigkeitslücke beschrieben und eine Anpassung des Gewehrs an aktuelle und künftige Einsatzerfordernisse empfohlen. Ministerin von der Leyen folgte jedoch dieser Empfehlung nicht, sondern gab drei Monate später eine erneute Untersuchung des Gewehrs in Auftrag.

(Zur Einordnung noch mal der Hinweis auf eine Besprechung zum Thema im August 2013 beim BAAINBw.)

Übrigens hatte ich ganz vergessen (danke für den Leserhinweis in den Kommentaren), dass es 2013 noch eine interessante Geschichte gab, bei der es aber nur nebulöse Informationen gab – ob das mit der aktuellen Debatte in Verbindung stand, kann ich nicht belegbar sagen.

Weiter nach Entwicklung.

(Eine erste, natürlich unvollständige  Übersicht über die Ereignisse seit April 2012 hatte ich hier schon mal veröffentlicht, die muss ich wohl demnächst neu zusammenstellen. Alle Einträge zum Thema G36 auf Augen geradeaus! hier.)

(Archivbild Januar 2010: Deutsche Feldjäger mit G36 auf Patrouille im Marmal-Gebirge bei Mazar-e Sharif – Timo Vogt/randbild.de)