Bundeswehr übernimmt Bekleidungsgesellschaft komplett

Bundeswehr

Die vom ehemaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping eingeleitete Privatisierung der Bundeswehr-Bekleidung, also der Ausstattung mit Uniformen und Arbeitskleidung, ist endgültig gescheitert. Das Verteidigungsministerium bestätigte Informationen des Grünen-Haushälters Tobias Lindner, nach denen der Bund die Bekleidungsgesellschaft LHBw vollständig übernimmt. Das Unternehmen, an der der Bund bislang gut ein Viertel der Anteile hält, war in eine wirtschaftliche Schieflage geraten – durch Geschäfte, die mit den Lieferungen an die Bundeswehr nichts zu tun hatten.

Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich Verteidigungsministerium und die Gesellschafter der LHBw am (gestrigen) Dienstagabend auf einen vertragliche Regelung verständigt, die vor allem verhindern soll, dass die Truppe auf einmal ohne Uniformen dasteht. Die Eckpunkte, wie sie Lindner veröffentlichte (und die vom Ministerium im Wesentlichen bestätigt wurden):

  • Der Bund übernimmt die LHBW, anders als geplant, komplett mit allen Enkelgesellschaften und versucht anschließend, das Unternehmen zu entflechten.
  • Der Kaufpreis beträgt 1 Euro.
  • Die LHBW hat derzeit offene Verbindlichkeit von 37 Millionen Euro.
  • Von den Einlagen der privaten Gesellschafter i.H.v. EUR 12,5 Mio. erhalten diese 8,75 Mio. zurück erstattet durch den Bund.
  • Schließungskosten, sollte Drittgeschäft nicht veräußert werden, in Höhe von 4 Millionen.
  • Ein neuer Geschäftsführer wird erst bestellt, wenn es einen Vorvertrag über den Kauf gibt.

Unterschiedliche Angaben gibt es bei der Höhe der offenen Verbindlichkeiten; die bezifferte das Ministerium auf Anfrage von Augen geradeaus! auf 34 Millionen Euro.

Aus Sicht des Verteidigungsministeriums ist diese Variante nicht nur aus Gründen der Versorgungssicherheit deutlich besser als die sonst drohende Insolvenz: Vor allem sei so sichergestellt, dass die Hersteller und Lieferanten auch weiterhin ihre Ware an das Unternehmen liefern und die Truppe mit der benötigten Ausrüstung ausgestattet werden kann. Zudem könne auf diese Weise das fachkundige Personal gehalten werden. Bislang mündete dieses Verhandlungsergebnis in eine Absichtserklärung („Letter of Intent“), der Vorvertrag dazu steht noch aus. Für die endgültige Billigung ist die Zustimmung des Bundestags-Haushaltsausschusses erforderlich.

Der Oppositionsabgeordnete Lindner sieht im Gegensatz zum Ministerium wirtschaftliche Nachteile, aber auch grundsätzliche Probleme:

Die Bundeswehr wird die LHBw mit allen Enkelgesellschaften übernehmen. Das eigentliche Verhandlungsziel des Ministeriums, die Entflechtung, um dann nur das Kerngeschäft zu übernehmen, wurde damit nicht erreicht. Die Versorgung der Soldatinnen und Soldaten ist zwar sichergestellt, was zu begrüßen ist – der Summenstrich ist aber noch nicht gezogen. Das Ergebnis scheint nicht wirtschaftlich. Durch den Ankauf werden 37 Millionen Euro an offenen Verbindlichkeiten übernommen.
Das Ministerium will die Enkelgesellschaften sofort wieder verkaufen. Es stellt sich jedoch die Frage, wer defizitäre Unternehmen kaufen soll. Ob und zu welchen Konditionen sich die Bundeswehr vom Drittgeschäft trennen kann, ist absolut unklar. Es drohen weitere Schließungskosten. Der fade Beigeschmack des Deals wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass die privaten Gesellschafter bei einem gewinnbringenden Verkauf von Enkelgesellschaften mitkassieren sollen, ohne weiter ein Risiko zu tragen.
Die privaten Gesellschafter haben sich gegenüber dem Verteidigungsministerium durchgesetzt. Sie sind ihm in den vergangen Wochen und Monaten auf der Nase herum getanzt.
Die desaströsen Vorgänge bei der LHBw müssen nun lückenlos aufgeklärt werden. Die Ursachen müssen offen gelegt und Konsequenzen gezogen werden. Zivil- und strafrechtliche Schritte sind gegebenenfalls zu prüfen. Es muss sichergestellt werden, dass sich solch ein Fiasko nicht bei anderen Beteiligungen der Bundeswehr wiederholt.

(Archivbild: Einkleidung von Rekruten – ©Thomas Imo/photothek.net)