Ukraine-Sammler: Mögliches Umdenken in den USA, Waffenlieferungen denkbar

Die Lagemeldungen des anhaltenden Kriegs – und die Bezeichnung ist sicherlich gerechtfertigt – im Osten der Ukraine können hier nicht in allen Details nachvollzogen werden (auch wenn in den Kommentaren hier viel dazu gesammelt wird). Deshalb zum Auftakt eines neuen Ukraine-Sammlers der Hinweis auf einen möglichen Game Changer: In den USA deutet sich ein Umdenken in der Frage an, ob die Ukraine künftig nicht nur nicht-tödliche Ausrüstungshilfe, sondern auch amerikanische Waffen erhalten soll.

Ein derzeit in den Nachrichten viel zitierter Bericht der New York Times (mehr dazu unten) beruft sich unter anderem auf eine am (heutigen) Montag veröffentlichte Studie der Brookings Institution, an der unter anderem der frühere NATO-Oberbefehlshaber James Stavridis und der ehemalige US-NATO-Botschafter Ivo Daalder mitgearbeitet haben. Aus der zusammenfassenden Empfehlung der Studie Preserving Ukraine’s Independence, Resisting Russian Aggression: What the United States and NATO Must Do:

The U.S. government should provide Ukraine $1 billion in military assistance as soon as possible in 2015, followed by additional tranches of $1 billion in FY 2016 and FY 2017.
Additional non-lethal assistance should include: counter-battery radars, unmanned aerial vehicles (UAVs), electronic counter-measures for use against opposing UAVs, secure communications capabilities, armored Humvees and medical support equipment.
Lethal defensive military assistance should include light anti-armor missiles, given the large numbers of armored vehicles that the Russians have deployed in Donetsk and Luhansk and the abysmal condition of the Ukrainian military’s light anti-armor weapons.
Other NATO members should provide military assistance as well. Of particular use to the Ukrainian military would be equipment and weapons from NATO members who operate former Soviet equipment compatible with the arms currently in the Ukrainian inventory.

Laut New York Times neigt nun auch der derzeitige NATO-Oberbefehlshaber, der US-General Philip Breedlove, der Ansicht zu, dass die USA zumindest (Panzer)Abwehrwaffen an die Ukraine liefern sollten. Das gleiche gelte anscheinend auch für die Sicherheitsberaterin Susan Rice, die sich bislang gegen die Lieferung tödlicher Ausrüstung ausgesprochen hat, heißt es in dem Bericht U.S. Considers Supplying Arms to Ukraine Forces, Officials Say:

With Russian-backed separatists pressing their attacks in Ukraine, NATO’s military commander, Gen. Philip M. Breedlove, now supports providing defensive weapons and equipment to Kiev’s beleaguered forces, and an array of administration and military officials appear to be edging toward that position, American officials said Sunday.
Secretary of State John Kerry, who plans to visit Kiev on Thursday, is open to new discussions about providing lethal assistance, as is Gen. Martin E. Dempsey, the chairman of the Joint Chiefs of Staff, officials said. Defense Secretary Chuck Hagel, who is leaving his post soon, backs sending defensive weapons to the Ukrainian forces.
In recent months, Susan E. Rice, Mr. Obama’s national security adviser, has resisted proposals to provide lethal assistance, several officials said. But one official who is familiar with her views insisted that Ms. Rice was now prepared to reconsider the issue.

Schon am Wochenende hatte der US-Botschafter in der Ukraine angekündigt, dass es ab März ein amerikanisches Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten geben werde (danke für den Leserhinweis):

A US programme to assist Ukraine’s military is set to begin in March, according to Geoffrey Pyatt, the US Ambassador to Ukraine. The US is supporting the Ukrainian army with USD 120 million for 2015, much of which will be used for training.
Pyatt told Ukraine’s Weekly Mirror: „We have purchased armored vehicles, night vision devices, radar systems, and encrypted radio communications equipment. Now we consider the most important assistance to be training and retraining Ukrainian military formations. We will start the appropriate programme in March.“

Das sieht nach Veränderung in dem Konflikt aus – parallel zu den bislang nicht sehr erfolgreichen politischen und diplomatischen Bemühungen. Und nicht nach einer Veränderung Richtung Entschärfung.

Nachtrag: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für Deutschland die Lieferung von Waffen an die Ukraine (erneut) ausgeschlossen. Aus dem Transkript des Bundespresseamtes von der gemeinsamen Pressekonferenz Merkels mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán beim Besuch in Budapest:

Frage: Es war viel von Frieden, von Waffenstillstand in der Ukraine die Rede, aber können Sie sich vorstellen, dass Deutschland die Ukraine mit Waffen unterstützt, wenn es doch keinen Frieden geben sollte? Diese Frage möchte ich auch an den Herrn Ministerpräsidenten richten: Ist es denkbar, dass Ungarn die Ukraine mit Waffen unterstützen würde, wenn es in absehbarer Zeit keinen Frieden in der Ukraine gibt?
BK’in Merkel: Von meiner Seite aus kann ich sagen: Deutschland wird die Ukraine nicht mit Waffen unterstützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Konflikt militärisch nicht gelöst werden kann. Deshalb setzen wir darauf, auf der einen Seite, wenn es notwendig ist, Sanktionen zu verhängen – das haben wir im Übrigen in Europa gemeinsam getan -, und auf der anderen Seite alle diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um diesen Konflikt durch Gespräche beizulegen oder zumindest zu mildern.
Was die Aussage des ungarischen Ministerpräsidenten anbelangt, man richte sich strategisch an Deutschland aus, so muss das sicherlich – bei aller allgemeinen Aussage – in jedem Fall jedes Land immer wieder prüfen. Es gibt ein hohes Maß an Übereinstimmung; wir sind in der Nato, wir sind in der Europäischen Union. Wir müssen jeweils gucken: Was entspricht unseren Interessen, was entspricht unseren Wertvorstellungen? Ich glaube aber, wenn man sich die vielen außenpolitischen Konflikte der Welt anschaut, kann man feststellen, dass wir doch an vielen Stellen ein sehr gemeinsames Vorgehen haben.
MP Orbán: Nur auf diese Frage beschränkt: Nein.

Nachtrag 2: Eine Meldung dazu von Associated Press vom Montagmittag (US-Zeit):

President Barack Obama is reconsidering whether to send lethal assistance to Ukraine, a senior administration official said Monday, but continues to have concerns about the effectiveness of that step and the risks of a proxy war between the U.S. and Russia.
The official said Obama is specifically concerned about the besieged Ukrainian military’s capacity for using high-powered, American-supplied weaponry. The president has also argued that no amount of arming the Ukrainians would put them on par with Russia’s military prowess.

(Foto: Ein slowenischer Soldat beim Training mit einer Javelin-Panzerabwehrrakete in Hohenfels in Bayern – U.S. Army photo by Spc. Tristan Bolden)