Deutsche Drohnen in die Ukraine? Da ist noch einiges offen…

Die Bundesregierung hat, abgestimmt mit Frankreich, zwar am (heutigen) Freitag wie schon angekündigt offiziell den Einsatz deutscher Drohnen für die OSZE-Überwachung eines Waffenstillstands in der Ukraine angeboten. Allerdings sind noch eine Menge Fragen offen – in erster Linie der deutsche (wie französische) Wunsch, die Bedienmannschaften der vorgesehenen Luna-Drohnen (Foto oben) mit einer millitärischen Schutzkomponente abzusichern – vorgesehen sind vermutlich Fallschirmjäger aus Seedorf. Denn das geht auf jeden Fall nicht unter dem OSZE-Mandat, sondern müsste mit der Ukraine gesondert verhandelt und auch vom ukrainischen Parlament bestätigt werden.

Das Angebot machte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Vormittag nach einem Gespräch mit seinem ukrainischen Kollegen Pawlo Klimkin öffentlich:

Wir haben der OSZE gestern ein Angebot unterbreitet, unter welchen Voraussetzungen die deutsche Bundeswehr solche Drohnen zur Verfügung stellen kann. Wir warten jetzt auf die Reaktionen nicht nur der OSZE selbst, sondern auch der Mitgliedsstaaten, der Ukraine und Russlands, wie sie zu diesem Angebot stehen.

Vor allem die Antwort Russlands auf die Frage, wie der Einsatz bewaffneter deutscher (und französischer) Soldaten in der Ost-Ukraine zu bewerten ist, dürfte interessant werden. Zu dem Thema äußerten sich in der Bundespressekonferenz die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz, Außenamtssprecher Martin Schäfer und der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff:

 

BPK_Drohnen-Ukraine_10okt2014     

 

Nachtrag: Die Abschrift zu dem obigen O-Ton:

FRAGE: Eine Frage an das Verteidigungsministerium: Herr Flosdorff, Deutschland und Frankreich haben der OSZE jetzt ein offizielles Drohnen-Angebot gemacht. Könnten Sie vielleicht ein paar Details dazu erläutern? Wie sieht dafür die Personalstärke aus? Sind noch letzte rechtliche Probleme in diesem Zusammenhang zu lösen? Gibt es einen Zeitplan?

FLOSDORFF: Das sind laufende Verhandlungen, die jetzt auch nicht direkt vom Verteidigungsministerium geführt werden. Insofern möchte ich Ihnen dazu jetzt keine Angaben machen. Aber vielleicht möchte mein Kollege vom Auswärtigen Amt das noch ergänzen.

DR. SCHÄFER: Zunächst einmal: Sie sprachen von einem deutsch-französischen Angebot. Richtig ist, dass sich die Außenministerien und auch die Verteidigungsministerien beider Länder in den letzten Wochen auf Anfrage der OSZE überlegt haben, ob und unter welchen Voraussetzungen es möglich sein kann, die Aufgaben der OSZE bei der Überwachung des Waffenstillstands und der Grenzkontrolle in der Ukraine zu unterstützen. Dazu hat es zwischen den Ministerien, aber auch mit der OSZE und mit den Ukrainern intensive Beratungen und Gespräche gegeben. Unter anderem hat es vor einigen Wochen auch eine Erkundungsmission des Verteidigungsministeriums in dieser Frage gegeben; das ist ja auch bekannt. Das Ergebnis dieser verschiedenen Gespräche und Erkundungen ist jetzt in das eingeflossen, was gestern der OSZE übergeben worden ist.

Sie sprachen von einem deutsch-französischen Vorschlag: Das ist förmlich gleichzeitig richtig und falsch. Es ist ein auf französischer und auf deutscher Seite gemeinsam erarbeiteter Plan. Gleichwohl haben beide Länder ich kann jetzt nur für Deutschland sprechen den Vorschlag unabhängig voneinander der OSZE unterbreitet. Der Hintergrund liegt, glaube ich, auf der Hand: Es gibt in den unterschiedlichen politischen und Verfassungssystemen einfach unterschiedliche Fragestellungen, die bilateral besser gelöst werden können.

Jetzt, wo dieses förmliche Angebot vorliegt, sind wir im Gespräch mit der OSZE und auch im Gespräch mit der ukrainischen Regierung. Der ukrainische Außenminister, der hier in Berlin zu Besuch ist, hat dazu heute Morgen auch im Auswärtigen Amt vorgesprochen. Sie können sich vorstellen, dass diese Frage im Mittelpunkt des Gespräches stand, das der Außenminister gerade eben mit Herrn Klimkin geführt hat. Zu diesem Gespräch hat es gerade ja auch eine Pressekonferenz gegeben.

Jetzt müssen wir einmal abwarten, wie die Ukrainer auf dieses Angebot reagieren und wie die OSZE auf dieses Angebot reagiert, und dann müssen wir weitersehen. Der Außenminister hat darauf hingewiesen, dass es noch einige rechtliche und politische Fragen zu klären gibt und hat das auch gleich in der Pressekonferenz erläutert. Eine dieser Fragen hat zu tun mit unserer und der französischen Einschätzung, dass die Sicherheitslage es eben nicht möglich macht, einfach nur unbewaffnete Betriebsmannschaften in die Ukraine zu entsenden, sondern es eine bewaffnete Schutzkomponente geben müsse. Das wiederum setzt nach den Regeln der ukrainischen Verfassung voraus, dass es vertragliche Vereinbarungen zwischen den Entsendestaaten und dem Gaststaat hier der Ukraine gibt, die wiederum vom ukrainischen Parlament ratifiziert werden müssen. Wer sich in der Ukraine auskennt, der weiß, dass dort bald, nämlich am 26. Oktober, Parlamentswahlen stattfinden. Ob, wie und wann die Oberste Rada, also das Parlament der Ukraine, überhaupt noch in der Lage sein kann, die Präsenz einer solchen bewaffneten Komponente eines ausländischen Staates auf dem ukrainischen Territorium zu ratifizieren, muss jetzt alles im Wesentlichen in Kiew geklärt werden. Es steht außerdem Gespräche mit der OSZE aus. All das das werden Sie sicherlich verstehen ist nicht ganz einfach, und deshalb steht das jetzt an.

FRAGE: Eine kurze Lernfrage, Herr Schäfer: Müsste diese Mission im Einvernehmen mit dem OSZE-Mitglied Russland geschehen, oder kann das auch ohne deren Erlaubnis passieren?

DR. SCHÄFER: Die klassische Antwort eines Juristen auf eine solche „einfache Lernfrage“ von Ihnen wäre: Es kommt darauf an. Und es kommt auch darauf an: Es kommt nämlich darauf an, ob das, was aus Deutschland, aus Frankreich und vielleicht auch aus anderen Mitgliedstaaten an Hilfe für die zivile Beobachtermission beigebracht wird, im Rahmen des Mandates für diese zivile Beobachtermission ist, das wiederum nach den Regeln der Einstimmigkeit in der OSZE verabschiedet worden ist. Das heißt das ist jedenfalls mein Verständnis , solange alles, was wir tun, dem Wortlaut und dem Geiste der Ratsentscheidung der OSZE entspricht, mit der die OSZE-Mission ins Leben gerufen worden ist, sind wir im grünen Bereich. Ich hatte gerade aber schon gesagt, dass das für eine mögliche militärische Schutzkomponente eben ausdrücklich nicht gilt. Ob und wie diese Schutzkomponente dann in die Mission integriert werden kann oder außerhalb der Mission mit dem Gastland Ukraine verhandelt wird, sind die Fragen, mit denen man sich jetzt beschäftigen muss und auf die ich Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider keine befriedigende Antwort geben kann einfach, weil ich sie nicht weiß.

FRAGE: Herr Schäfer, gibt es denn von der russischen Seite irgendwelche Signale, dass man damit einverstanden wäre? Es wird ja viel geredet zwischen Moskau in Berlin, insofern ist sicherlich auch darüber schon einmal geredet worden. Können Sie dazu irgendetwas sagen?

Die Kanzlerin hat sich gestern ja geäußert und gesagt, Voraussetzung dafür sei eine dauerhafte Waffenruhe im Osten der Ukraine. Was ist denn das Kriterium dafür? Dass diese Waffenruhe drei Wochen, fünf Wochen oder drei Monate anhält? Wie lange darf es da also keine Gewalt geben, bis man sagen kann: Jetzt ist die Waffenruhe dauerhaft?

DR. SCHÄFER: Ich denke, die Interpretation der Äußerung der Bundeskanzlerin überlasse ich der Regierungssprecherin.

Was Russland angeht: Natürlich ist Russland als Unterzeichnerstaat der beiden Minsker Vereinbarungen, um deren Umsetzung es hier geht, ein ganz wichtiger Ansprechpartner. Es ist auch richtig, dass schon Gespräche geführt worden sind. Zusätzlich hat es gestern auch in Wien bereits Beratungen gegeben, nachdem dort unser Vorschlag eingegangen ist. Diese sind aber zurzeit noch nicht so weit, dass ich Ihnen sagen kann, ob der Daumen in Moskau hoch oder runter geht. Die Gespräche laufen vielmehr, und ich bin nicht in der Lage, Ihnen eine so einfache Antwort zu geben.

SRS’IN WIRTZ: Zu Ihrer Frage an meine Seite: Es ist ja so, dass die Frage der Überwachung der ukrainisch-russischen Grenze ein wichtiger Bestandteil der Vereinbarungen war, die in Minsk am 5. und am 19. September getroffen worden sind. Das heißt, diese Überwachung der Grenze ist ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Vereinbarung. Daran hält die Bundesregierung selbstverständlich fest. Die Bundeskanzlerin hat gestern in ihrem Statement deutlich gemacht, dass es nach wie vor besorgniserregend ist, dass es nach wie vor zu Ausschreitungen an der Grenze kommt und dort auch 300 Menschen in jüngster Zeit ihr Leben verloren haben. Nichtsdestotrotz wird, so wie Herr Schäfer es auch ausgeführt hat, an diesen Gesprächen über den Einsatz von Drohnen, über eine mögliche Hilfe Deutschlands in diesem Zusammenhang, festgehalten, und es wird natürlich weiter ein guter Weg gesucht, um dieses wichtige Ziel einer Grenzüberwachung zu verwirklichen.

DR. SCHÄFER: Ich möchte noch einmal grundsätzlich auf die Dilemmata eingehen, die sich in dieser Frage stellen. Für eine unbewaffnete Mission von welcher Seite auch immer; sei es von deutscher Seite wäre der Waffenstillstand ja gewissermaßen gleichzeitig Voraussetzung und Ziel. Da wir es mit einer sehr brüchigen Waffenruhe zu tun haben, ist eben unsere Erkenntnis, die wir mit unseren französischen Partnern teilen, dass es in der gegenwärtigen Lage einfach nicht machbar ist, ohne diese Schutzkomponente in die Ukraine zu gehen. Das löst Folgeprobleme politischer und rechtlicher Natur aus, die wir Ihnen gerade darzustellen versucht haben.

ZUSATZFRAGE: Ich will hier jetzt keine Textexegese betreiben, aber ich hatte die Kanzlerin gestern so verstanden, dass sie gesagt hat: Wir können da nur hingehen, wenn die Waffenruhe dauerhaft ist. Jetzt haben ich einen anderen Eindruck, nämlich den Eindruck: Wir können auch hingehen, wenn die Waffenruhe nicht ganz so dauerhaft ist, wir müssen uns eben nur schützen. Welcher Eindruck ist richtig?

SRS’IN WIRTZ: Richtig ist so wie Herr Schäfer das gerade auch dargestellt hat , dass man im Hinblick auf eine solche Mission, die natürlich unter dem Dach der OSZE stattfinden müsste, gucken muss: Wie stellt sich die Situation vor Ort dar und wie muss man, wenn man dort unterstützen will mit den Zielen, die ich Ihnen gerade erörtert habe , eine solche Mission dann ausstatten? Es ist jetzt nicht so, dass durch die Kanzlerin eine zwingende Bedingung oder Voraussetzungen formuliert worden sind; vielmehr hat sie darauf aufmerksam gemacht, dass man die Situation vor Ort selbstverständlich in den Blick nehmen muss, um dann zu sehen, wie man eine solche Mission ausstatten kann und muss. Das ist sozusagen der Zusammenhang, den im Grunde genommen auch Herr Schäfer dargestellt hat und der sich da auch nicht widerspricht.

ZUSATZFRAGE: Noch einmal ganz allgemein gefragt: Das ist ja nicht irgendeine Region, sondern das ist ja eine Region, die für Deutschland historisch nicht so ganz unbelastet ist. Spielt das in den Überlegungen irgendeine Rolle?

SRS’IN WIRTZ: Natürlich spielen in diesem ganzen Konflikt, über den wir hier auch schon seit fast einem Jahr sprechen, auch historische Überlegungen eine Rolle. Natürlich kann man so einen Konflikt auch nie ohne die Geschichte denken. Er hat auch immer historische Implikationen.

Aber ganz konkret zu dieser Frage der Grenzsicherung: Das ist, wie gesagt, auf das zurückzuführen, was im September in Minsk vereinbart worden ist. Das ist eben auch ein Ziel, an dem festgehalten wird. Daran jetzt ganz konkret historische Implikationen festzumachen, das kann ich nicht.

DR. SCHÄFER: Ich könnte das allerdings ergänzen; ich weiß nicht, ob das das Ziel Ihrer Frage gewesen ist. Ich kann nicht beurteilen, was die Medienberichterstattung des vergangenen Wochenendes in gewissen deutschen Medien für einen Eindruck gemacht hat. Ich weiß jedenfalls aus unmittelbaren Quellen, dass sie in Kiew und in Moskau Eindruck gemacht hat.

FRAGE: Herr Flosdorff, können Sie sagen, wie so eine Betriebsmannschaft für eine Drohne aufgestellt ist? Wie viele Menschen sind das also?

FLOSDORFF: Auch das, wie der Jurist sagen würde, kommt darauf an, also auf den direkten Drohnenbetrieb. So ein Drohnenzug kann von einigen Dutzend Soldaten bewerkstelligt werden. Aber das hat natürlich damit zu tun, wie die Gegebenheiten vor Ort sind, an was für eine Infrastruktur man andocken kann, ob eine Versorgung mit Lebensmitteln gewährleistet ist, ob es dort irgendwie eine Sanitätsinfrastruktur gibt und ob gewährleistet ist, dass man auch schnell evakuieren könnte.

Um auch noch einmal auf die Frage zurückzukommen: Selbstverständlich brauchen wir dort auch so eine Art von Wachschutz. Diese Frage stellt sich jetzt nicht nur in der Ukraine und ganz unabhängig von historischen Zusammenhängen. Vielmehr stellt sich bei ganz vielen Einsätzen der Bundeswehr immer wieder die Frage: Kann man Soldaten ohne Bewaffnung und ohne Schutz in ein bestimmtes Gebiet schicken, in dem wir aktiv sind, oder bedarf es dafür irgendwie einer Schutzkomponente? Das kennen Sie aus ganz vielen anderen Diskussionen im Zusammenhang mit anderen Einsätzen. Das ist auch keine Frage, die man immer nur statisch beantworten kann mit „Ja“ oder „Nein“, mit „In dem Land“ oder mit „In dem Land nicht“ , sondern das hat etwas damit zu tun, wie die aktuelle Sicherheitslage vor Ort ist, wie die Entwicklung ist, wie die Prognosen sind und ob man es im Moment von der Tendenz her einmal verantworten kann, jemanden ob es jetzt um ein afrikanisches Land geht, ob wir über Afghanistan oder über andere Länder sprechen mit welcher Ausstattung dort hereinzulassen.

Auch noch einmal für Ihren Kontext: Es gibt ja hier auch noch die Vorgeschichte, dass wir es bereits im Frühjahr mit der Entführung militärischer OSZE-Beobachter zu tun hatten. Dabei geht es auch ganz klar um die Sicherheitsfrage, also darum, ob irgendjemand, der vielleicht nur leicht bewaffnet ist, in der Lage ist, Menschen, die einfach nur eine Drohne im Auftrag der OSZE bedienen, zu kidnappen oder zu anderen Dingen zu zwingen. Vor diesen Fragen stehen wir hier, und die müssen dann sorgfältig und verantwortungsbewusst abgewogen werden. Unbestritten ist der Wille, die OSZE bei ihrem Auftrag, diese SMM-Funktion dort zu erfüllen, zu unterstützen.

(Archivbild April 2013: Soldaten vom LUNA-Zug montieren die Aufklärungsdrohne LUNA (Luftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung) am Observation Post OP North in Afghanistan für den Start – Bundeswehr/Bienert via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz mit Freigabe für redaktionelle Verwendung)