Attraktivität? Hört auf, euch zu verstecken.

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Es ist eine europäische Erfolgsgeschichte, es ist eine Erfolgsgeschichte der Verbindung zweier vor 70 Jahren noch verfeindeter Staaten: Ein kompletter Truppenteil der niederländischen Streitkräfte, die 11 Luchtmobiele Brigade, wurde am (heutigen) Donnerstag der deutschen Division Schnelle Kräfte unterstellt. Eines dieser Leuchtturmprojekte, auf die die Politik und auch das Deutsche Heer seit langer Zeit hingearbeitet haben.

Und wie verkaufen Verteidigungsministerium, Deutsches Heer und die Division selbst dieses wegweisende Ereignis? Sozusagen gar nicht. Bis zum Nachmittag fand der Termin auf den Webseiten von Ministerium (trotz Anwesenheit zweier Verteidigungsministerinnen) und Heer nur mit einer kleinen Meldung statt, in der es vor allem um die beiden Ministerinnen ging. Auf der Seite des Deutschen Heeres gab es am Rand eine Pressemitteilung zum Herunterladen mit dem, nun ja, nicht gerade fetzigen Titel Appell der Division Schnelle Kräfte. Und selbst diese Pressemitteilung mit der Ankündigung der Unterstellung der Niederländer gibt es erst seit knapp einer Woche – obwohl so etwas Monate zuvor geplant wird und, wie ich vergangene Woche schon geschrieben hatte, die Einladungen an Vertreter der Rüstungsindustrie ein paar Wochen vor der Einladung an die Medien rausgingen. (Noch dazu verschickte das Heer die Presseeinladungen an einen kleinen Verteiler; über das Verteidigungsministerium in Berlin kam da gar nichts. Korrektur: Das BMVg hatte die Einladung über seinen Verteiler verschickt; ich hatte mich an der Stelle geirrt.)

Das Ergebnis ist entsprechend. Eine kurze Google-News-Suche am Nachmittag fördert außer Meldungen der Lokalpresse und einer kleinen dpa-Ankündigungsmeldung nichts zutage. Leuchttumprojekt? Europäisches Zusammenwachsen? Nö, offensichtlich ein Regionalereignis in Stadtallendorf, irgendwo im nordhessischen Niemandsland. (Dass es auch, überregional, anders geht, zeigt der Aussriss oben von der Webseite des niederländischen Rundfunks.)

Und der große Divisionsappell unt die Unterstellung einer ganzen niederländischen Brigade unter den einstigen Kriegsgegner Deutschland ist keine Ausnahme. Die Botschafterin der Niederlande beim sicherheitspolitischen Komittee der EU twittert heute stolz den Hinweis auf ihren Besuch bei der künftigen EU-Battlegroup, die am Juli in Bereitschaft steht. Die wird von Belgien geführt, und ihr gehören (neben Niederländern) auch deutsche Soldaten an. Welche deutschen Soldaten? Wer diese Frage im Bundesministerium der Verteidigung stellt, muss die Antwort hinnehmen, dass das leider eine Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch sei. Sorry, keine Einzelheiten. Macht aber gar nichts, denn die Zusammensetzung der Battlegroup, unter anderem mit deutschen CH53-Helikoptern des Hubschraubergeschwaders 64 aus Laupheim, haben die Belgier freundlicherweise auf ihrer Webseite veröffentlicht.

Da können Arbeitsgruppen in Truppe und Ministerium noch so sehr über Attraktivität nachdenken, da kann Ursula von der Leyen noch so überzeugend ihre Attraktivitätsoffensive verkünden: Wer mit Bildern von glücklichen Mechatronikern und schönen Schreibtischjobs für die Freiwilligenarmee Bundeswehr wirbt, dieses Unternehmen mit seinem Kerngeschäft aber vor der Öffentlichkeit versteckt, hat ein Problem. Nicht nur mit dem Nachwuchs.

Nachtrag: Das Verteidigungsministerium weist mich darauf hin, dass im Nachgang zur Veranstaltung in Stadtallendorf selbstverständlich in allen Bundeswehrmedien berichtet werde. Davon gehe ich ohnehin aus, und das war nicht mein Punkt. Was hätte die Beteiligten daran gehindert, unter dem Aspekt Europa wächst zusammen vor diesem und für dieses Ereignis zu trommeln? Warum hat nicht der Heeres- oder gar der Generalinspekteur dieses Leuchtturmprojekt vorher mal in Berlin in einem Pressegespräch erläutert, vielleicht zusammen mit einem niederländischen Kameraden? Und, ganz verwegener Gedanke: Früher gab es Verteidigungsminister, egal von welcher Partei, die bei politisch wichtigen Ereignissen in the middle of nowhere eine Trall für Medienvertreter – und auch Abgeordnete u.ä. – von Tegel aus an den Ort des Geschehens haben fliegen lassen, zumal gleich zwei Ministerinnen dort erschienen. Vielleicht gab es das sogar diesmal auch für die Abgeordneten; für Journalisten gab es das jedenfalls nicht (noch ’ne Korrektur: bis auf einige wenige, die die Ministerin mitgenommen hat). So bleibt mein Fazit: An Publicity für dieses europäische Leuchtturmprojekt bestand nicht wirklich Interesse.