Kein Krieg der Delfine: InfoWar Ukraine

Die PR-Departments etlicher Staaten machen derzeit offensichtlich Überstunden – fast schon entkoppelt von den realen Geschehnissen in der Ukraine tobt ein Info-War, eine Propagandaschlacht. Zwischen Russland auf der einen und dem – gar nicht so einheitlichen – Westen auf der anderen Seite. (Es mag meiner westlichen Sozialisation geschuldet sein, dass mir die PR-Bemühungen des Westens immer noch überprüfbarer vorkommen als die der russischen Seite…)

Ein sehr hübsches Beispiel dafür ist der Krieg der Delfine im Schwarzen Meer – der findet nämlich nicht statt. Zwar hatte die russische Zeitung Iswestija davon berichtet, was unter anderem von der Agentur RIA Nowosti aufgegriffen wurde:

US military-trained dolphins and sea lions will participate in upcoming NATO military exercises in the Black Sea, the Russian Izvestiya newspaper reported Monday. The paper, citing a spokesman for the US Navy’s marine mammals program, said some 20 dolphins and 10 sea lions will participate in exercises. (…)
„In addition, we plan to test new armor for dolphins developed by a specialized research center based in the University of Hawaii,“ the newspaper said, citing spokesman Tom LaPuzza.

NBC hat dann mal den echten Sprecher des Programms gefragt:

Such items caught the attention of Ed Budzyna, who really is a spokesman for the U.S. Navy Marine Mammal Program in San Diego. For decades, the Navy has been training dolphins and seals to identify explosives, mines and other foreign objects underwater — as have the Russians and Ukrainians.
„There’s no basis to the story,“ Budzyna told NBC News. He said that as far as he knew, the dolphins were staying put this summer.
Budzyna noted that LaPuzza had been a spokesman for the Marine Mammal Program years back, but no longer.

Dabei klang es doch so schön – zumal die Russen ebenfalls mit Delfinen zur Ortung von Minen experimentieren, wie eben auch die USA. Aber diese Geschichte scheint vergleichsweise einfach. Viele andere Behauptungen, die auftauchen, sind schwerer zu beweisen – oder zu wiederlegen.

Das gilt zum Beispiel für die Fotos, die belegen sollen, dass Soldaten russischer Spezialeinheiten in der Ukraine unterwegs sind – und genau diese Soldaten zuvor schon mal in anderen Einsätzen fotografiert wurden. Solche Bilder veröffentlichten sowohl die New York Times als auch CNN, und die Bilder wurden offensichtlich hilfreich von staatlichen Stellen der Ukraine zur Verfügung gestellt. Aber, das ist der Unterschied, das machen die US-Medien auch klar:

CNN cannot independently confirm the photographs, some of which were first published in The New York Times.

Was ja nicht heißt, dass es nicht stimmt. Aber es wird zumindest klar, dass es dafür keine unabhängige Bestätigung gibt. Die BBC schaut sich diese Fotos sogar noch deutlich skeptischer an.

Ein bisschen Vorsicht ist halt immer angebracht, und auch die eigene Seite verfolgt eine Agenda. Wie die in diesen Tagen recht häufigen Videos, die die demonstrative Unterstützung für die osteuropäischen NATO-Verbündeten zeigen.

Nur ein Land ist in diesem PR-Konzert recht zurückhaltend: Deutschland. Da hat die russische Seite schon längst verkündet (und den Spin gesetzt, den sie setzen möchte), dass Außenminister Sergej Lawrow mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier telefoniert hat. Beim Auswärtigen Amt gab’s bis auf Weiteres nichts dazu.  Sollte der etwas merkwürdige Versuch, jedes Gespräch mit einem russischen Botschaftsmitarbeiter in die Nähe eines strafrechtlich relevanten konspirativen Agententreffens zu rücken, die einzige deutsche PR-Anstrengung gewesen sein? (Wobei ich zugeben muss: Ich weiß nicht, ob dieser Spin vom Verfassungsschutz gesetzt wurde oder durch die Kollegen der Welt da rein kam.)

Ach so, einen realen Hintergrund gibt es natürlich für alle diese Anstrengungen schon. Wenn sich US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem Besuch in der Ukraine demonstrativ an die Seite Kiews stellt – dann ist das schon mehr als PR.

Nachtrag: Das wird nicht schön. Nicht direkt genannte US-Quellen erzählen jetzt in Washington, dass russische Spezialkräfte in der Ukraine so erfolgreich agieren hätten können, verdankten sie doch –  der Ausbildungshilfe durch die deutsche Rheinmetall AG:

U.S. officials, now looking back, are privately expressing anger and frustration about the German work with the Russian military. While definitive proof is hard to come by, these officials look at the radical upgrade of Moscow’s forces–especially its special operations forces–experienced since they last saw major action in 2008’s invasion of Georgia. The U.S. officials believe that some of the German training over the last few years was given to the GRU Spetznaz, the special operations forces that moved unmarked into Crimea and who can now be found stirring up trouble in eastern Ukraine.

(Nach den unschönen Erfahrungen mit den Kommentaren zur Verfassungsschutz-Warnung erneuere ich die dringende Bitte, in der Debatte hier sachlich zu bleiben. Danke.)

(Foto: SAN DIEGO (March 12, 2012) Chairman of Joint Chiefs of Staff Gen. Martin E. Dempsey visits the U.S. Navy Marine Mammal Program and is given a tour by Sailors assigned to Explosive Ordnance Disposal Mobile Unit (EODMU) 1. The Marine Mammal Program uses bottlenose dolphins operated by EODMU-1 as a means of locating and marking mines. (U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Joshua Scott via Flickr unter CC-BY-Lizenz)