NH90-Splitter: 25-Mio-Vorlage kommt; 4 Stunden Fliegen pro Woche muss reichen

Der Hubschrauber, der rostet, bevor er fliegt – das ist für meine Journalistenkollegen ein zu schönes Thema, als dass sie dran vorbei kämen (auch wenn es technisch gesehen Korrosion ist und nicht Rost; auch wenn ich nicht verstehe, warum sich praktisch alle Medien darauf beziehen, was die Bild-Zeitung berichtet, was der Generalinspekteur dem Haushaltsausschus vorgetragen hat, was ihm die Niederländer zu dem Thema mitgeteilt haben – statt sich gleich die veröffentlichte Originalquelle aus Den Haag anzusehen. Aber sei’s drum.) Tatsache ist: die Probleme mit dem NH90 als Marinehubschrauber, den auch die Bundeswehr beschaffen will, sind jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Da ist es um so merkwürdiger, dass ein Detail der Ausschussberatungen am (gestrigen) Mittwoch bislang so gar keine Beachtung gefunden hat: Das Verteidigungsministerium ist nun unter der neuen Chefin Ursula von der Leyen bereit, das Gesamtpaket der Hubschrauber-Beschaffung beim Hersteller Airbus (früher EADS) dem Bundestag erneut zur Beschlussfassung vorzulegen. Aus dem Bericht, der dem Ausschuss zuging:

Der Abschluss des Änderungsvertrages zum Beschaffungsvertrag NH90 bedarf noch der Zustimmung der übrigen NAHEMO (NATO Helicopter Management Organisation) Nationen (Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal und Belgien). Die Nationen wurden am 24. Februar 2014 um Zustimmung gebeten. Diese Zustimmung ist eine Voraussetzung für den Abschluss des Änderungsvertrages. Die Antwort der Nationen steht noch aus und wird für Ende März 2014 erwartet.
Für die Aufnahme des Flugbetriebs und die Herstellung der Einsatzreife des Marinetransporthubschraubers SEA LION besteht gegenüber der BMF-Vorlage VS-NfD 95/13 weiterer Finanzbedarf. Der Finanzbedarf für die Aufnahme des Flugbetriebs und die Hersteller der Einsatzreife des SEA LION sowie der Vertragsentwurf zur Umsetzung des MoU werden im Rahmen einer 25 Mio. €-Vorlage dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vor Vertragsabschluss zur Billigung vorgelegt.

Und im letzten Satz steckt die Neuerung. Wir erinnern uns: Vor genau einem Jahr, Mitte März 2013, hatte das Verteidigungsministerium den Abschluss des Memorandums of Understanding (MoU) mit (damals) EADS bekannt gegeben – einschließlich der überraschenden Nachricht, dass als Kompensation für die geringere Abnahme von Tiger-Kampfhubschraubern und NH90-Transporthelikoptern 18 Marinehubschrauber NH90 beschafft werden sollen. Im Juni vergangenen Jahres hatte der Haushaltsausschuss, gegen den Widerstand der Opposition (zu der damals auch die SPD gehörte), das MoU grundsätzlich gebilligt. Die aus dieser Erklärung folgenden endgültigen Verträge, so die damalige Position des Verteidigungsministeriums, sollten den Abgeordneten nur zur Kenntnis gegeben werden. Aber nicht in einer erneuten 25-Millionen-Vorlage zur Beschlussfassung.

Das hat sich im BMVg under new management jetzt wohl geändert – und die Sachlage ist nicht mehr, dass die damalige Zustimmung des Haushaltsausschusses zum MoU auch ein endgültiges Durchwinken der Beschaffung bedeutet. Mit anderen Worten: Die Karten werden neu gemischt.

Im Zuge der ganzen NH90-Fakten, die mit den niederländischen NH90-Problemen und der Befassung mit dem Gesamtpaket diskutiert werden, bin ich auch noch auf ein interessantes Detail gestoßen (die Experten und die Heeresflieger kannten es bestimmt schon längst; öffentlich habe ich das so noch nicht gesehen): Die Geräusch- oder besser Lärmproblematik, über die die Niederländer bei ihrem Marine-NH90 klagen, ist weder auf die Niederlande noch auf die Marineversion beschränkt. Auch in den deutschen NH90-Cockpits wird es arg laut – so laut, dass Piloten und Co-Piloten nach derzeitigem Stand gerade mal vier Stunden die Woche mit der Maschine in die Luft gehen dürfen.

Zwar werden, sagt das Bundesamt für Ausrüstung, IT und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), die gesetzlichen Grenzwerte für den Schallschutz in dem Hubschrauber eingehalten. Zahlreiche Beschwerden der Piloten führten aber zu der Einschränkung (auch das deckt sich mit den Klagen, die die Niederländer veröffentlicht haben). Jetzt soll zunächst der Lärmschutz im Pilotenhelm nachgebessert werden; weitere grundsätzliche technische Änderungen werden untersucht. Auf die Einsatzfähigkeit des Hubschraubers, der derzeit in Afghanistan als MedEvac-Flieger eingesetzt ist, habe das aber keinen Einfluss, versichert das BAAINBw. Aufs Training allerdings…

Nachtrag 18. März: Dank Leserunterstützung hier zum Nachlesen im Original: Die Weisung des BAAINBw vom Dezember 2013 zu den eingeschränkten Flugstunden wg. Lärm (zur Beruhigung: Das Schreiben ist nicht eingestuft): NH90_Laerm_BAAINBw_20131210

(Foto: NH-90 im Anflug auf Mazar-e-Scharif – Bundeswehr/ Maik Schilaske via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)