Lufttransport für Afrika? Der Wehrbeauftragte warnt

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, hat in den vergangenen Tagen schon mehrfach davor gewarnt, bei Fragen nach einem Engagement der Bundeswehr in Krisenregionen einfach mal Lufttransport und/oder medizinische Evakuierung anzubieten – weil die Truppe da inzwischen an ihre Grenze der Belastbarkeit komme. Diese Warnung hat Königshaus in einem Interview der Wochenzeitung Das Parlament des Bundestages noch mal etwas ausführlicher erläutert; die Vorab-Mitteilung des Blattes und das Interview im Wortlaut hier zur Dokumentation:

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, hat davor gewarnt, den europäischen Partnern weitere Kapazitäten der Bundeswehr im Bereich des Lufttransportes für ein militärisches Engagement in Mali und der Zentralafrikanischen Republik anzubieten. Die Bundeswehr verfüge beim Lufttransport bereits jetzt über „kaum noch ausreichende Ressourcen, um selbst die gegenwärtigen Auslandseinsätze verlässlich zu versorgen“. Dies sagte er gegenüber „Das Parlament“ im Interview. Auch mit dem Einsatz des Medevac-Airbuses für den medizinischen Lufttransport seien „Folgen verbunden, die vielleicht noch nicht jeder absieht“. Dafür müsse das entsprechende medizinische Personal aus Bundeswehr-Krankenhäusern abgezogen werden. „Doch genau dort, beim Sanitätsdienst, stoßen wir auf den nächsten Personalengpass in der Truppe. Auch in diesem Bereich lebt die Bundeswehr derzeit von der Hand in den Mund“, mahnte Königshaus.

 

Der Wehrbeauftragte, der in dieser Woche seinen Jahresbericht veröffentlichte, plädierte dafür, die derzeitigen Verteidigungspolitischen Richtlinien zu überprüfen. Das Ziel, zukünftig zwei größere und mehrere Auslandseinsätze gleichzeitig zu stemmen, sei sehr „ehrgeizig“. Personal und Finanzen der Bundeswehr seien jedoch begrenzt. „Und an diesen Stellen besteht ein gewisser Bruch zu den ambitionierten Verteidigungspolitischen Richtlinien“, sagte Königshaus. Die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr lasse sich nicht allein aus dem Umfang der Streitkräfte errechnen.

 

Das Interview im Wortlaut:

 

Herr Königshaus, zum wiederholten Mal haben Sie davor gewarnt, dass die Bundeswehr in vielen Bereichen die Grenze der Belastbarkeit erreicht und teilweise auch überschritten hat. Trotzdem will die Bundesregierung das militärische Engagement in Afrika verstärken. Nimmt man Ihre Warnungen nicht ernst?
Ich weiß natürlich nicht, wie die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen darauf reagiert. Aber es geht ja um die Fakten und nicht darum, wer sie präsentiert. Anfänglich hatte die Ministerin sehr allgemein über Lufttransportkapazitäten der Bundeswehr gesprochen, die Deutschland anbieten könnte. Davon höre ich aktuell aber nichts mehr…

 

…weil gerade der Lufttransport der Bundeswehr seit Jahren zu den extrem beanspruchten Bereichen gehört?
Richtig. Beim Lufttransport haben wir kaum noch ausreichend Ressourcen, um selbst die gegenwärtigen Auslandseinsätze verlässlich zu versorgen. Jetzt wird überlegt, ob die Bundeswehr ihren Medevac-Airbus, den medizinischen Lufttransporter anbieten kann. Aber auch das ist mit Folgen verbunden, die vielleicht noch nicht jeder absieht. Denn im Einsatzfall für den Medevac muss das entsprechende medizinische Personal aus Bundeswehr-Krankenhäusern abgerufen werden. Doch genau dort, beim Sanitätsdienst, stoßen wir auf den nächsten Personalengpass in der Truppe. Auch in diesem Bereich lebt die Bundeswehr derzeit von der Hand in den Mund.

 

Würden Sie sich bei den Einsätzen mehr Zurückhaltung wünschen bis zum Abschluss der Bundeswehrreform, die die Truppe zusätzlich stark belastet?
Diese Frage kann letztendlich nur die Politik beantworten und nicht der Wehrbeauftragte. Im europäischen Bündnis sind die Partner aufeinander angewiesen. Deshalb kann sich Deutschland nicht einfach enthalten. Um so wichtiger ist es aber, innerhalb des Bündnisses zu klären, wer welche Fähigkeiten anbieten kann und diese Fähigkeiten besser abzustimmen als in der Vergangenheit. Auch das hat Ministerin von der Leyen gegenüber den Partnern angesprochen. Mit jeder Initiative, die die Ministerin bislang gestartet hat, stößt sie auf die drängendsten Probleme. Und mein bisheriger Eindruck ist, dass sie diese Probleme auch anpacken und lösen will.

 

Sie haben deutliche Zweifel angemeldet, ob die Bundeswehr durch die Reform wirklich einsatzfähiger, nachhaltig finanzierbar und attraktiver wird. An welchen Stellen der Reform müsste denn nachgebessert werden?
Es gilt ja die durchaus ehrgeizige Zielvorgabe, zukünftig gleichzeitig zwei große Auslandseinsätze etwa wie in Afghanistan und mehrere kleine Einsätze stemmen zu können. Und dies vor dem Hintergrund, dass wir schon mit den aktuellen Einsätzen am Rande der Leistungsfähigkeit angekommen sind. Die Frage, was die Bundeswehr leisten kann, ist aber keine einfache Rechenaufgabe, die sich allein nach der Anzahl der Soldatinnen und Soldaten lösen lässt. Geklärt werden muss vor allem die Frage, wie lange die Bundeswehr solche Einsätze leisten kann. Die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten müssen in regelmäßigen Abständen abgelöst werden. Sonst werden sie durch zu lange Trennungszeiten von ihren Familien entwurzelt. Wir haben nur begrenzte personelle und auch finanzielle Mittel. Und an diesen Stellen besteht ein gewisser Bruch zu den ambitionierten Verteidigungspolitischen Richtlinien. Wir müssen vor allem klären, was die Bundeswehr benötigt, um Einsätze mit einer Vorbereitungszeit von lediglich zwei bis drei Monaten leisten zu können. Keiner der aktuellen Einsätze konnte lange vorher geplant werden. Aus der Sicht des Wehrbeauftragten geht es nicht an, dass wir Soldatinnen und Soldaten in Einsätze schicken und uns erst hinterher Gedanken darüber machen, welches Material und Ausrüstung sie dort benötigen. Dies ist beim Afghanistan-Einsatz am Anfang leider so passiert.

 

Gleichzeitig zur Bundeswehrreform wurde nun innerhalb weniger Jahr zum zweiten Mal die politische Führung des Verteidigungsministeriums ausgetauscht. Bringt das zusätzliche Unruhe in eine ohnehin schon verunsicherte Truppe?
Ich glaube, das Ministerium ist mit der neuen Ministerin gut aufgestellt.

Weil Ursula von der Leyen als ausgewiesene Familien- und Sozialpolitikerin sich auf einen Bereich der Bundeswehr konzentrieren will, der ebenfalls große Probleme, sprich die mangende Familienfreundlichkeit und Attraktivität als Arbeitgeber, bereitet?
Nicht nur deswegen, aber schon das ist ein wichtiger Grund. Auch wenn dies derzeit ja gerne etwas spöttisch bewertet wird. Dabei ist dies ein zentrales Problem. Wenn in diesen Bereichen nicht nachgebessert wird, dann hat die Bundeswehr im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs auf Dauer keine Chance mehr. Die Soldatinnen und Soldaten haben den Eindruck, so berichten sie mir, dass der Familienfreundlichkeit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wer dies als „Gedöns“ abtut, gehört sicherlich nicht zu den Familienvätern, die in der Bundeswehr dienen. Dies hört man nur von Stammtischstrategen, die mit einer gewissen Nostalgie an ihre Zeit in der Bundeswehr als ledige Wehrpflichtige ohne familiäre Verpflichtungen zurückdenken. Frau von der Leyen hat sich sowohl als Familien- als auch als Sozialministerin schnell in die Themen ihres Ressorts eingearbeitet und Durchsetzungskraft bewiesen. Das wird sie gewiss auch jetzt tun. Sie hat schon in den ersten Wochen als Verteidigungsministerin ein sehr hohes Tempo vorgelegt und ich bin da sehr zuversichtlich.

(Archivbild: Der MedEvac-Airbus der Bundeswehr beim Rücktransport in Afghanistan verwundeter Soldaten im Februar 2011 in Stuttgart – Bundeswehr/Dettenborn via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)