NH90: Orientierungslos am Hindukusch (Update, mehr Einzelheiten)

Beim Einsatz der Hubschrauber vom Typ NH90, die die Bundeswehr in Afghanistan zur Rettung von Verwundeten auch aus Kampfzonen (Forward MedEvac) einsetzt, gibt es offensichtlich gravierende technische Probleme über die bereits bekannt gewordenen Unfälle hinaus. Unter bestimmten Bedingungen falle die gesamte Navigationsanlage aus, heißt es in einer Sachstandsmeldung des Einsatzgeschwaders in Masar-i-Scharif an das Einsatzführungskommando. Das sei auch während eines Einsatzes passiert, nicht nur bei Übungs- und Einweisungsflügen. Darüber hinaus gebe es Kommunikationsprobleme, unter anderem, weil die vorgesehenen Antennenanlagen nicht in das Einsatzland geliefert wurden. Über die Meldung hatte zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) berichtet.

Die Sachstandsmeldung des Kommodore Einsatzgeschwader wurde 6. Juni verfasst, also vor der Meldung der Einsatzbereitschaft der NH90-Helikopter am Hindukusch. Unklar bleibt damit vorerst, ob die gemeldeten Probleme weiterhin bestehen oder inzwischen behoben wurden. Nach Ansicht des Verteidigungsministeriums ist die Einsatzfähigkeit der Hubschrauber für die Rettung von Verwundeten nicht gefährdet, unter anderem deshalb, weil die Maschinen immer zu zweit unterwegs seien und ein Ausfall der Navigationsanlage bei einer Maschine damit nicht zur Orientierungslosigkeit führe.

Der Ausfall der Navigationsanlage wird nach dem Bericht durch eine echte Truppenlösung überbrückt: Die gesamte Anlage wird während des Fluges resettet – dafür wurde ein Loch in die Abdeckung gefräst, durch das eine Sicherung gezogen werden kann. Außerdem sollten als Backup-Lösung speziell für die Luftfahrt vorgesehene tragbare GPS-Geräte beschafft werden. Allerdings, so warnte das Einsatzgeschwader, könne unter den Bedingungen eines echten Rettungseinsatzes der Ausfall der Navigation mit einem solchen Backup nicht hingenommen werden.

Neben der Navigation macht(e) den Hubschrauberbesatzungen vor allem das Problem der Kommunikation mit der Leitstelle und innerhalb der Besatzung die Verbindung zwischen Piloten und Sanitätern zu schaffen. Unter anderem sei der verschlüsselte Funkverkehr eingeschränkt, was manche Einsätze von vorherein ausschließe. Aufgrund technischer Änderungen fehlten für die Sanitäter an Bord der Rettungshelikopter zugelassene Funkgeräte, so dass die Kommunikation problematisch werde, sobald die Retter den Hubschrauber verließen.

Die Sachstandsmeldung zeigt, wie der Name schon sagt, den Sachstand Anfang Juni. Was davon noch aktuell ist (und bleibt), ist im Moment nicht klar – ich bemühe mich weiter um Details.

Nachtrag (pardon, ein bisschen verspätet): Natürlich habe ich auch bei Eurocopter dazu nachgefragt; die haben mir eine Stellungnahme für den (morgigen) Freitag angekündigt.

(Foto: NH90 bei der Informationslehrübung 2010)