EuroHawk: Nachrichten aus dem Paralleluniversum

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In einem früheren Leben war Rüdiger Knöpfel Testpilot. Inzwischen ist er Projektleiter für das geplante System der luftgestützen weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SlwÜA), laienhaft ausgerückt: für die Riesendrohne EuroHawk und das intergrierte Aufklärungssystem darin. Ein Mann aus der Welt der Technik. Vielleicht deshalb wirkte seine Anhörung als Zeuge vor dem EuroHawk-Untersuchungsausschuss des Bundestages am (heutigen) Montag Dienstag wie Nachrichten aus einem Paralleluniversum – weit ab vom Berliner Regierungs- und Parlamentsbetrieb.

Mehre Stunden lang versuchte der Leitende Technische Regierungsdirektor, den Abgeordneten des Ausschusses die Welt des Flugbetriebs, der Zulassungsvorschriften und -überlegungen und das grundlegende Verständnis von einem erfüllten Auftrag zu vermitteln. Nicht durchgängig mit Erfolg, wie Nachfragen – aus allen Fraktionen – bewiesen. Vielleicht auch, weil sich die Definitionen von Erfolg in den beiden Paralleluniversen so sehr unterscheiden.

Zum Beispiel, als es darum ging, das einzige Exemplar des EuroHawk legal dauerhaft in die Luft zu bringen. Handelt es sich doch um einen Prototypen, einen Full Scale Demonstrator. Ursprünglich, so schilderte Knöpfel vor dem Ausschuss, war im Hinblick auf die spätere Serie von fünf dieser unbemannten Flugzeuge geplant, eine Musterprüfung des Prototypen vorzunehmen. Das hätte allerdings viel Geld und Zeit gekostet – und wäre letztendlich unsinnig gewesen, weil schon frühzeitig absehbar war, dass die späteren Serienmaschinen technisch deutlich von dem Prototypen abweichen würden.

Außerdem sei ja geplant gewesen, der Luftwaffe das Aufklärungssystem im EuroHawk möglichst schnell zur Verfügung zu stellen, um die erkannte Fähigkeitslücke bei der Aufklärung zu stopfen. Deshalb wurde auf die Musterprüfung – die für alle Maschinen angelegt gewesen wäre – verzichtet, eine Prototypenprüfung musste reichen, und der Full Scale Demonstrator bekam seine vorläufige Verkehrszulassung.

Mit dieser Entscheidung haben wir ein Problem gelöst und mussten nicht über ein Problem berichten, sagte Knöpfel vor dem Ausschuss. Das Ziel sei doch für den Protoypen ohnehin nur die Vorläufige Verkehrszulassung gewesen – insofern haben wir das Ziel erreicht.

Die Sichtweise Probleme sind lösbar prägt die Wahrnehmung des Apparats. Schwierigkeiten beim Überführungsflug des EuroHawk nach Deutschland, als zwei Mal die Funkverbindung zur Maschine verloren ging? Oh nein, sagte Knöpfel, das seien ja per se nicht meldepflichtige Vorfälle gewesen: Beim ersten Mal hatten die Amis einen falschen Schlüssel für die verschlüsselte Funkverbindung übermittelt – und die deutsche Bodenstation konnte nicht aufschalten, aber über eine Reserve-Frequenz dann doch zugreifen. Und beim zweiten Mal, bereits im deutschen Luftraum, habe die Maschine beim Verlust der Funkverbindung so reagiert wie geplant und sei wieder aufgestiegen: Das war kein technischer Aussetzer. Und dass die USA den Überführungsflug über ihrem Gebiet nicht genehmigten und der deutsche EuroHawk über Kanada nach Europa fliegen musste – nun, das sei den internen Rivalitäten zwischen der US Air Force mit eigener Luftaufsichtskompetenz und der Flugaufsichtsbehörde FAA geschuldet – die Deutschen hätten ja nur eine ausländische Zulassung bieten können.

Der technischen Details gab es noch viele, unterm Strich bleib Knöpfels Botschaft: Es ist doch mehr oder weniger alles so gelaufen wie geplant – und als absehbar war, dass die Serie von fünf Maschinen nur mit erheblichem finanziellen Aufwand zugelassen werden könne, habe man eben darauf verzichtet.

Dass es so weit kam, habe mit den unterschiedlichen Zulassungsmöglichkeiten – nicht Vorschriften! – in den USA und Deutschland zu tun: Etliche Informationen und vor allem auch Dokumentationen des Herstellers Northrop Grumman seien einfach deshalb nicht verfügbar, weil sie in den USA gar nicht gebraucht würden – die US Air Force könne halt unter Berufung auf operationelle Notwendigkeiten ganz anders agieren. Und wo der Betreiber für die Zulassung keine Dokumentation fordere, erstelle sie das Unternehmen auch nicht: schlicht aus wirtschaftlichen Gründen. Das alles für die Deutschen und ihre fünf Maschinen erstellen zu lassen – das hätte die Kosten so explodieren lassen.

Dass eine dauerhafte Zulassung des EuroHawk in DEutschland und/oder Europa an den berühmten black boxes scheitern würde, den Technologien, in die die USA keinen reinschauen lassen – das wiederum wies Knöpfel vor dem Ausschuss rundweg zurück: Es gibt keine black boxes, die uns nicht erschlossen wären, weil es sich um ein reines Luftfahrtsystem handelt.

Mit dem Ende des EuroHawk – der nach Meinung des Projektleiters durchaus mit seiner vorläufigen Verkehrszulassung von der Luftwaffe nach Abschluss der Testflüge im September auch operationell erprobt werden könnte – ist für Knöpfel das System der luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung noch längst nicht tot. Im Gegenteil. Jetzt gehe es darum, die integrierte Sensor-Missionsausstattung endgültig zu erproben – natürlich noch im EuroHawk. Und dann die Überlegungen weiter zu führen, in welches alternative Trägersystem die Aufklärungstechnik eingebaut werden könnte. Immerhin sei der EuroHawk nicht schon vor einem Jahr gestoppt worden: Dann, sagt Knöpfel, hätte ich gar nichts fertig.