EuroHawk: „Deutschland hat kein neues Design gekauft“

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Das war einfach eine andere Kultur, die am (heutigen) Montag im Sitzungssaal des Bundestags-Untersuchungsausschuss zum EuroHawk Platz nahm: Die Vertreter der beiden beteiligten Industriefirmen, Bernhard Gerwert für die EADS-Tochter Cassidian und Janis G. Pamiljans (Foto oben) für den Flugzeughersteller Northrop Grumman. Abgesehen von doch deutlichen Unterschieden im Umgang mit den Abgeordneten (thank you und I appreciate you taking your time von Pamiljans, ein leicht rotziges Das ist Fachsprache, vielleicht ist ja jemand hier, der es umrechen kann zur Flughöhenangabe 50.000 Fuß von Gerwert) zeigten beide Firmenvertreter eines: Ein grundsätzliches Nicht-Verstehen, warum eigentlich das aus ihrer Sicht erfolgreiche Projekt EuroHawk nicht fortgesetzt wird.

Bei aller Verbindlichkeit ließ vor allem der Northrop Grumman Vice President Pamiljans eine grundsätzliche Fassungslosigkeit erkennen: Der Global Hawk, die Riesendrohne, auf der der EuroHawk basiert, sei inzwischen in verschiedenen Mustern seit 15 Jahren mehr als 100.000 Stunden in der Luft und habe eine Zulassung der US Air Force. Und genau das gleiche Design, nur mit minimaler Änderung, hätten doch die Deutschen gekauft. Fast genau die gleiche Maschine, die den US-Truppen rund um die Welt erfolgreich zur Verfügung stehe. Wo liegt da eigentlich das Zulassungsproblem?

Anfangs, so schilderte Pamiljans, seien sich doch alle – Deutsche wie Amerikaner, Industrievertreter wie Behördenmenschen – einig gewesen, dass die Zulassung der Air Force zur Grundlage genommen werden könnte und die Deutschen nur für das Delta, die kleinen Änderungen, zusätzliche Zertifizierung und dafür eine Dokumentation bräuchten. So seien auch die ursprünglichen Vertragsüberlegungen gewesen. Doch dann, auf einmal, kamen neue Leute, die neue Forderungen stellten: New personell introduced new interpretations, new expectations.

Die neuen Wünsche aus der deutschen Zulassungsbehörde, sagte der US-Firmenvertreter, seien weit über das airworthyness certificate der US AirForce hinausgegangen. Das habe auch zu einer Vertragsänderung 2009 geführt, und zu 4.000 Dokumenten, die Northrop Grumman an die Deutschen geliefert habe – weit über den Vertrag hinaus: The bars moved from a taylored approach to a comprehensive certification.

Ein Grund für einen Abbruch des Projekts war und ist für die US-Firma dennoch nicht erkennbar. Der EuroHawk fliege doch mit seiner voläufigen Verkehrszulassung, habe noch genügend Flugstunden in Reserve und könnte gut operationell eingesetzt werden. Doch die Deutschen, sagte Pamiljans, und da klang es erstmals nicht ganz so optimistisch wie vorher, hätten ihn ja noch nicht mal auf offiziellen Kanälen informiert, dass sie nach Ende der EuroHawk-Tests die geplante Serie nicht kaufen wollten. Die Hinweise darauf habe er vom deutschen Rüstungsdirektor Detlef Selhausen bekommen – als er ihn in der ersten Aprilwoche in seinem Büro aufgesucht habe. (Selhausen hatte dieses Treffen bei seiner Zeugenanhörung übrigens nicht erwähnt.)

Dabei könne er die Zahlen der Deutschen für sdie zusätzlichen Kosten einer Musterzulassung der EuroHawk-Serie nicht nachvollziehen, sagte Pamiljans. Die Industrie hatte knapp 200 Millionen Euro errechnet, das deutsche Beschaffungsamt dagegen bis zu 600 Millionen Euro. Wie auch immer diese Zahl zustande gekommen sei: seine Firma halte weiterhin eine Zulassung des Fluggeräts – und nicht nur des Prototypen – für erreichbar und finanzierbar. Außerdem: Das von EADS entwickelte Aufklärungssystem ISIS in ein ganz anderes, nicht so passendes Flugzeug einzurüsten, werde doch erst recht teuer.

Mit anderen Worten: Der EuroHawk ist tot, es lebe der EuroHawk. Das sieht auch Cassidian-Chef Gerwert so – denn selbst wenn der EuroHawk-Prototyp nach Erprobungsende im September nicht mehr genutzt würde, empfehle er dringend, sich eine Alternative fürs Aufklärungssystem ISIS anzusehen: Den GlobalHawk. Ich würde alles dransetzen, einen GlobalHawk als Plattform zu halten, das ist wahrscheinlich die beste Alternative.

Denn der Streit über die Zulassung oder Nichtzulassung für den zivilen Luftraum sei doch ohnehin müßig: Dieses Gerät fliegt nicht im zivilen Luftraum und war auch nie dafür vorgesehen. Aus seiner Sicht, betonte Gerwert, sei das ganze Projekt ja auch nicht abgebrochen worden. Es ist nicht zu einer Beschaffung gekommen.

Über die Details der Zulassungsprobleme, das war den Abgeordneten in ihren Fragen wichtig, habe er mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière nie gesprochen, sagte der Cassidian-Chef. Nur über die grundsätzliche Problematik von Drohnen im europäischen Luftraum.

Ganz am Rande kam auch zur Sprache, dass selbst eine als deutsches nationales Aufklärungssystem angepriesesene Entwicklung wie ISIS bei der Verschlüsselung der Übertragung von den USA abhängig ist. Denn wenn wir zu einer entsprechenden Verschlüsselungstechnik aufgefordert werden, werden wir eine liefern, sagte Gerwert. Im Auftragspaket, soll das wohl heißen, war so etwas nicht.