EuroHawk: Vermerk vom Dezember 2012 legt „bemannte Alternative“ zur Drohne nahe (mit Stellungnahme BMVg)

EURO HAWK®
(Northrop Grumman Pressefoto)

Das Rennen um die Papiere, die eine frühere Information von Verteidigungsminister Thomas de Maizière über das drohende EuroHawk-Debakel belegen sollen, hat aktuell der Kollege Christoph Hickmann von der Süddeutschen Zeitung gewonnen. In der heutigen Ausgabe und online (Link aus bekannten Gründen nicht) zitiert das Blatt ausführlich aus dem vorbereitenden Vermerk für einen Besuch bei der EADS-Tochter Cassidian, den der Minister am 10. Dezember vergangenen Jahres erhielt – dieser Vermerk war bei der Sitzung des Verteidigungsausschusses am vergangenen Montag von der SPD-Opposition erwähnt worden, bislang aber in seinen Einzelheiten nicht bekannt.

Pikant an diesem Vermerk ist, dass de Maizière nach wie vor vehement erklärt, Klarheit über das nötige Ende des Projekts habe er erst mit der ministeriellen Entscheidungsvorlage am 13. Mai dieses Jahres gehabt – während sich nach Darstellung der Süddeutschen bereits in dem Dezember-Vermerk deutliche Hinweise auf die fehlende Zulassungsmöglichkeit der Riesendrohne finden. So enthalte das 38-seitige Papier als Sprechempfehlung die Formulierung, „aufgrund der Zulassungsproblematik und weiterer Unsicherheiten“ sei „derzeit keine Grundlage gegeben, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu treffen“. Eine Musterzulassung lasse die vorliegende Dokumentation nach den derzeit gültigen Normen nicht zu.

Natürlich hat die SZ auch das Verteidigungsministerium dazu um eine Stellungnahme gebeten – nach dessen Auffassung, so das Blatt, stelle der Vermerk heruas, dass das Problem zu dem damaligen Zeitpunkt noch lösbar zu sein schien, entweder über ein alternatives Zulassungsverfahren oder „Alternativen bei der Trägerplattform“.

Da wird es dann aus anderen Gründen interessant. Denn die Firma Cassidian ist nicht nur einer der Partner an der EuroHawk Gmbh – während der US-Hersteller Northrop Grumman das Flugzeug, also die Trägerplattform lieferte, baute die EADS-Tochter das vorgesehene Aufklärungssystem ISIS und integrierte es in die Drohne – sondern auch über ihren Mutterkonzern ein möglicher Anbieter einer alternativen, vor allem einer bemannten Trägerplattform. Bei seiner Pressekonferenz am Montag hatte de Maizière erklärt, der Zeitpunkt der Entscheidung für den EuroHawk-Stopp im Mai sei der richtige gewesen, um EADS die Fertigentwicklung des Aufklärungssystems zu ermöglichen. Mit diesem Vermerk zeichnet sich ab, dass der europäische Luftfahrtkonzern bei dem Gesamtsystem auf einen noch größeren Anteil hoffen durfte und vielleicht darf – nämlich neben dem Aufklärungssystem auch die Lieferung der Trägerplattform für die Sensoren.

Nachtrag: Das Verteidigungsministerium hat zu dem Bericht der Süddeutschen Stellung genommen:

Zur Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung vom 12.06.2013 zum Besuch des Verteidigungsministers bei der Firma Cassidian am 10.12.2012 in Manching erklärt der Sprecher des BMVg:  
Es bleibt auch im Zusammenhang mit der rund 50-seitigen Gesprächsunterlage zum Besuch des Ministers bei der Firma Cassidian am 10. Dezember 2012 festzuhalten, dass
– bis zu der Entscheidungsvorlage der beamteten Staatssekretäre,
– die den Minister am 13. Mai 2013 erreicht hat,
– ihm gegenüber keine unlösbaren Probleme formuliert worden sind.
Die zur Vorbereitung des Gesprächs mitgereichte Anlage zum Thema Euro Hawk vermittelt zwar, dass sich das Gesamtprojekt in einer kritischen Phase befindet. Die Gesprächsvorbereitung stellt aber vor allem auch heraus, dass das Schlüsselproblem noch über Alternativen bei der Zulassung oder Alternativen bei der Trägerplattform lösbar zu sein scheint.
So ist unter anderem eine ganze Reihe von Problemen gelistet, die bis zu diesem Zeitpunkt zu einer 35-monatigen Verzögerung des Projekts geführt hatten, letztendlich aber doch gelöst worden waren.
In den Unterlagen ist – wie in solchen Gesprächsvorbereitungen üblich – eine Formulierungshilfe für ein mögliches Gespräch zu dem Thema angefügt. Darin ist ein mögliches mittelfristiges Vorgehen seitens des BMVg enthalten. Nämlich dass auf Grund der Zulassungsproblematik und weiterer Unsicherheiten auch hinsichtlich der Zukunft der US Air Force GLOBAL HAWK Flotte und der Missionsplanung derzeit keine Grundlage gegeben ist, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu beschaffen.

Entscheidend – vor allem für die Bewertung, ob Probleme lösbar oder unlösbar waren – ist folgender Satz in den Unterlagen:
„Auf Weisung der Staatssekretäre Beemelmans und Wolf ist die Zulassung des Euro Hawk bis 31. Dezember abschließend zu bewerten, eine Entscheidung zur Serie und die weitere Vorgehensweise im Hause BMVg bis 31. Januar 2013 vorzubereiten und bis 31. März 2013 abgestimmt vorzulegen.“
Damit wird deutlich, dass sich bei allen Schwierigkeiten, das Verfahren immer noch in der Prüfung befindet und noch nicht abgeschlossen ist. Deshalb sind Probleme immer noch als lösbar anzusehen.
Aus heutiger Sicht betrachtet hätte der Minister im Dezember 2012 eine Informationsvorlage zu dem Thema einfordern können. Im Ergebnis hätte sich dadurch aber nichts geändert. Denn die Prüfung einer Entscheidung zur Serie und die weitere Vorgehensweise im Hause BMVg war auf Weisung der Staatssekretäre bis 31. Januar 2013 vorzubereiten und bis 31. März 2013 abgestimmt vorzulegen. Dies mündete in die Entscheidung der Staatssekretäre, die der Minister am 13. Mai 2013 zur Kenntnis genommen und gebilligt hat.

(Hervorhebung/Unterstreichung im Original, T.W.)

Die Opposition fühlt sich durch den SZ-Bericht in Ihrer Haltung bestätigt. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles (im Wortlaut):

Das ist der Beweis: De Maizière hat gelogen! Entgegen seiner Einlassung vor dem Parlament und der Öffentlichkeit hat Minister de Maizière bereits im Dezember 2012 von den massiven Problemen des Euro Hawk schriftlich erfahren. Seine Glaubwürdigkeit ist damit vollends erschüttert. De Maizière hat Parlament und Öffentlichkeit belogen. Er muss endlich die Verantwortung übernehmen. Ich fordere den  sofortigen Rücktritt von Minister de Maizière.

Für die Chronologie noch der Hinweis (wie auch schon in Kommentaren hier erwähnt): Der Untersuchungsausschuss dazu beginn erst Ende Juni seine Arbeit, wie Reuters meldet:

Der Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Aufklärungsdrohne Euro Hawk wird erst Ende Juni eingesetzt. Die Bundestagsfraktionen einigten sich am Mittwoch nach Angaben des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, darauf, dass die Opposition den Ausschuss erst in der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause beantragen wird.