Und jetzt noch: Korruption beim Gewehr-Lieferanten? (Update: wohl eher Untreue)


Von Korruption im Zusammenhang mit Rüstungsprojekten ist in Deutschland – offiziell – erstaunlich selten die Rede; es scheint, als seien die Beschaffungen auch ohne Bestechungsvorwürfe fehleranfällig genug…. Um so auffälliger ist deshalb der (heutige) Bericht der Bild am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht), demzufolge die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen so eines Vorwurfs gegen Mitarbeiter einer Beschaffungsbehörde, einen General im Verteidigungsministerium und Verantwortliche eines deutschen Rüstungsunternehmens ermittelt. Um welche Rüstungsprojekte es dabei geht, deutet das Blatt ebenfalls nur an:

Den Vorwürfen zufolge sollen Gewehre für die Bundeswehr beschafft und an die Truppe geliefert worden sein, obwohl bei wehrtechnischen Untersuchungen der Waffen schwerwiegende Mängel festgestellt wurden. Die Prüfer sollen unter anderem bei Sturmgewehren ungenügende Treffgenauigkeit und zu hohen Verschleiß bemängelt haben.

Das sind alles recht deutliche Hinweise – um so überraschender finde ich, dass Bild am Sonntag mit seiner  juristischen Feuerkraft im Hintergrund erstaunlich vage bleibt, was die Waffen und die Herstellerfirma angeht.

Das hat vermutlich Gründe, deshalb nenne ich hier nur ein paar Fakten zur Einordnung – die Details der Ermittlung kenne ich auch nicht:

Mit Ausnahme von zwei Waffen – das Scharfschützengewehr der Firma Accuracy, in der Bundeswehr als G22 eingeführt, und des schweren Maschinengewehrs 12,7mm der belgischen Firma FN Herstal – stammen alle Gewehre in den deutschen Streitkräften vom deutschen Hersteller Heckler und Koch. Insbesondere das Standard-Sturmgewehr G36 in verschiedenen Varianten und das kürzlich als Designated Marksman Rifle eingeführte G28.

Das G36 war bereits im vergangenen Jahr als Problemfall öffentlich genannt worden: Unter anderem hatten Untersuchungen ergeben, dass die Waffe nach intensivem Gebrauch heiß läuft und die Trefferwahrscheinlichkeit drastisch sinkt. Dieser Problematik hat sich auch der Bundesrechnungshof angenommen.

Außerdem gab’s da noch im vergangenen Jahr eine Ausschreibung für das neue Maschinengewehr MG5, die geforderte Leistung:

Maschinengewehr mittel, MG 5

1. Liefervertrag: Fertigung und Lieferung von 65 Stück Nachweismustern des Maschinengewehres mittel, MG 5 (7,62 mm x 51
NATO) einschließlich Zubehör für die Qualifikation und Einsatzprüfung sowie Realisierung der System-
verträglichkeit Waffe / Munition, insbesondere Hartkernmunition DM151 (modifiziert) und  Manövermunition DM
68 (modifiziert) mit dem Munitionshersteller.

2. Beschaffungsrahmenvertrag: Fertigung und Lieferung bis zu 12.733 Stück Maschinengewehre mittel, MG 5 (7,62 mm x 51
NATO) einschließlich Zubehör nur nach bestandener Qualifikation und Einsatzprüfung.

In Bezug auf den Beschaffungsrahmenvertrag ist der Abschluss nachfolgender Verträge erforderlich:

– Ausbildung von Unterstützungs- und Ausbildungspersonal einschließlich Erstellung von Ausbildungsmitteln (gesonderter
Vertrag)
– Fertigung- und Lieferung des Ersatzteilerstbedarfs (gesonderter Vertrag)

Kurzfassung der Konstruktionsmerkmale des MG 5

– Kaliber 7,62 mm x 51 NATO
– Funktionsprinzip: zuschießender, indirekter Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss
– Technisches Gesamtkonzept und damit Bedienung, Wartung und Instandsetzung möglichst ähnlich zu dem in die
Bundeswehr eingeführten Maschinengewehr MG 4
–  Modularer Aufbau zur Konfiguration in Abhängigkeit von den Einsatzerfordernissen (werkzeuglose Zerlegung in
Hauptbaugruppen)
– MG5 in 3 Basisversionen:
Standard (Rohrlänge ca. 550mm, Zweibein, ZF 4×30, wahlweise längenverstellbare Schulterstütze oder Doppelrichtgriff
montiert)
Infanterie (Rohrlänge ca. 460mm, Sturmgriff mit integriertem Zweibein, ZF 4×30, längenverstellbare Schulterstütze,
Gurttasche zentral unter der Waffe)
Einbauwaffe (Rohrlänge ca. 660mm, Maschinengriffstück mit Verschlusssensor)
– Lafettenschnittstellen am Waffengehäuse identisch zum MG3
– Zielfernrohr 4×30 oder ähnlich (Öffnungswinkel ≥ 8 Grad)
– Patronenzuführung mittels Patronengurt von links mit NATO-Zerfallgurt DM60 / M13, Hülsenauswurf nach unten,
Gurtgliedauswurf nach rechts (Ziel: minimaler Anpassaufwand an eingeführten Lafetten)
– Systemverträglicher Verschuss der in die Bundeswehr eingeführten Munition sowie NATO-qualifizierter Munition gemäß
STANAG 2310
–  zwei wählbare Kadenzen (hohe und mittlere Feuergeschwindigkeit), gewünscht: drei vom Bediener werkzeuglos einstellbare
Kadenzen (ca. 600, ca. 700, ca. 800 Schuss/Minute)
–  in Klimabereichen A1 – A3, C0 – C3, B1 – B3, M1 – M3 gemäß STANAG 4370, AECTP 200 ohne Einschränkungen einsetzbar

Nach dem Rüstungs-Steckbrief, den das Verteidigungsministerium am 25. September vergangenen Jahres an den Verteidigungsausschuss schickte, ist dafür bereits ein Angebot der Firma Heckler und Koch ausgeguckt:

Das neue mittlere Maschinengewehr MG5 (bisherige Bezeichnung: HK 121) der Firma Heckler & Koch wurde im Rahmen des Vorhabens „MG Folgegeneration“ projektiert.
Das MG5 ist im auf- und abgesessenen Kampf sowie fernbedienbar in der Waffenstation FLW 100 bei Tag und Nacht einsetzbar. Es soll das absehbar nicht mehr versorgbare Maschinengewehr MG3 ablösen.

Im Haushalt sind dafür 142 Millionen Euro vorgesehen, drei Millionen in diesem Jahr, 28 Millionen Euro im kommenden und in den Jahren 2015 und 2016 je 45 Millionen Euro; im Jahr 2017 und gegebenenfalls in den Folgejahren 23 Millionen Euro.

Die Beschaffung des MG5 steht noch für diese Legislaturperiode auf der Liste des Bundestags-Haushaltsausschusses.

Update: Nach einer Meldung von AFP ermittelt die Koblenzer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue, nicht wegen Korruption.

Die Koblenzer Staatsanwaltschaft hat bestätigt, dass sie ein Ermittlungsverfahren wegen der Beschaffung von Waffen für die Bundeswehr eingeleitet hat. Dabei werde aber dem Verdacht der Untreue nachgegangen, nicht dem der Korruption, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse in Koblenz.

Macht schon einen kleinen Unterschied:

§ 266
Untreue

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 334
Bestechung

(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Laienhaft ausgedrückt: bei Korruption/Bestechung muss jemand aktiv einen Vorteil anbieten, damit jemand etwas tut. Bei Untreue ist es der Verdacht, ein Amtsträger sei mit dem ihm anvertrauten Geld nicht einwandfrei umgegangen.

(Foto: Deutsche Soldaten in Fayzabad/Afghanistan mit G36 und MG4 – Bundeswehr/Kazda via flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)