Männer, das geht schneller.

In meiner inzwischen jahrzehntelangen journalistischen Begleitung der Bundeswehr habe ich, bei allen Verschiedenheiten, zwei grundlegend unterschiedliche Typen militärischer Führer kennengelernt. Die einen sparten nicht mit Lob, wenn ihre Männer eine gute Leistung gebracht hatten. Die anderen stellten sich, so gut das Ergebnis auch gewesen sein mochte, vor die ausgepumpten Soldaten und verkündeten: Männer, beim nächsten Mal geht das aber schneller.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist zwar kein militärischer Führer, sondern Politiker – aber auch er scheint eher dem zweiten Führungsstil zuzuneigen. Nachdem am (gestrigen) Samstag erste Zitate aus seinem Interview mit der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht wurden, zeigt ein Blick in das Gesamtinterview: Da hat ein Minister Kritik nach außen getragen, die – vielleicht – intern angebracht sein mag, die aber in dieser öffentlichkeitswirksamen Form die Beschäftigten demotiviert. Ich gebrauche bewusst den Begriff Beschäftigte: Da ist es nicht anders als in einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter sich bei einer derartigen öffentlichen Kritik an ihrem Verhalten auch abgewatscht fühlen müssen.

Was hat de Maizière denn nun gesagt? Die – bereits bekannten – Zitate hat die FAS nicht unberechtigt als Kernaussage des Ministers zum Wunsch seiner Truppe nach Anerkennung vorab veröffentlicht:

Sie haben den verständlichen, aber oft übertriebenen Wunsch nach Wertschätzung. Sie sind vielleicht geradezu süchtig danach. (…) Hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren.

In dem fast ganzseitigen Interview sagte de Maizière natürlich eine ganze Menge mehr, und er leitet auch her, wie er zu dieser Aussage kommt. Gleich zu Beginn anwortet er auf die Frage der FAS-Kollegen, ob der Bundeswehr der öffentliche Zuspruch fehle, mit einem klaren Nein: Durch den Afghanistan-Einsatz sei die öffentliche Zuwendung zu den Soldaten und zur Bundeswehr deutlich größer geworden, die Anerkennung der Arbeit von Soldaten habe zugenommen, und das geflügelte Wort des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler vom freundlichen Desinteresse gegenüber der Truppe sei längst freundlichem Interesse an der Bundeswehr gewichen.

Dennoch, und das ist der Kern der Kritik des Ministers, glaubten etliche Soldaten, dass sie viel weniger anerkannt werden, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Da fällt dann der Satz vom Gieren nach Anerkennung, und de Maizière setzt das mit dem fatalen Betteln nach Zuneigung in einer Beziehung gleich: Die Wertschätzung anderer bekommt man nicht dadurch, dass man danach fragt, sondern dass man gute Arbeit leistet. Wenn unter Eheleuten ein Partner den anderen fünfmal am Tag fragt, ob er ihn noch liebe, erhöht das nicht die Liebe. Auch ein Lob wirkt, wenn es selten ausgesprochen wird, viel stärker.

Das ist eine bestimmte Art von Führungsphilosophie, die kann man gut finden oder nicht. Ob der Umgang mit Untergebenen nach dem Motto Nicht gemeckert ist gelobt genug so viel zur Motivation beiträgt – gerade wenn die Mitarbeiter aufgrund der äußeren Umstände und einer gesellschaftlichen Debatte verunsichert genug sind? Ich hätte daran meine Zweifel. Und ebenso finde ich die These – sagen wir mal: sportlich, den langjährigen Afghanistan-Einsatz als Auslöser von mehr gesellschaftlicher Zuwendung für die Bundeswehr einzuschätzen.

De Maizière ist als Politprofi lange genug im Geschäft, um zu wissen, welche Sätze aus so einem Interview herausgegriffen und zitiert werden – und welche Wirkung sie bei den eigenen Leuten haben dürften. Was intern noch als Reisst euch am Riemen-Aufforderung verstanden wird, wird öffentlich zur Watsche. Und führt dazu, dass sich die Angesprochenen die Frage stellen: steht der da oben noch hinter uns?

Nachtrag: Mittlerweile hatte ich auch ein kurzes Gespräch über die Minister-Äußerungen mit dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. Der empfindet die Aussagen als absolut unangemessen (ähnlich hatte er sich bereits gestern gegenüber der FAZ geäußert). Die Soldaten erführen zu wenig Anerkennung – und die Politik gehe darauf nicht genügend ein. Mir scheint, die Gespräche zwischen de Maizière und Bundeswehrverband dürften ab jetzt in einer deutlich kühleren Atmosphäre stattfinden.

(Foto © Thomas Trutschel/photothek. net)