Helm auf für einen guten Zweck
Die Financial Times Deutschland ist nicht das einzige deutsche Medium, dass in diesen Tagen mit wirtschaftlichen Negativ-Schlagzeilen von sich reden macht, aber eines der auffälligsten: Die Wirtschaftszeitung wird am 7. Dezember, dem Freitag dieser Woche, zum letzten Mal erscheinen und dann komplett eingestellt.
Zum Abschied bieten die Kollegen viele kleine und große Dinge, die sich in einer Redaktion so ansammeln, in einer Auktion zum Verkauf an. Der Erlös soll, und das finde ich sehr schön, an Reporter ohne Grenzen gehen (Disclosure: Da bin ich auch Mitglied.)
Ein Leser von Augen geradeaus! wies mich auf einen Auktionsgegenstand hin, der vielleicht hier von Interesse sein könnte: Das Schutzset für gefährliche Auslandseinsätze, bestehend aus Helm, Schutzweste und und Gasmasken-Kartuschen – siehe Foto oben. Im Moment liegen die Gebote dafür bei 222,22 Euro…
Es ist ja für einen guten Zweck, und deswegen kann ich mitbieten nur empfehlen. Allerdings, das muss ich auch dazu sagen, würde ich vor der Nutzung dieses Schutzsets in der Praxis noch mal nachfragen: Die (Filter)Kartuschen für die Maske (die selbst nicht dabei ist) sind bereits 2009 abgelaufen; bei der Weste würde ich mich ebenfalls nach dem Alter erkundigen – auch Aramid/Kevlar-Platten altern gerne. Der Helm eher weniger (aber den haben viele meiner Leser vermutlich ohnehin irgendwo rumliegen).
Also (vorsichtshalber) eher was zur Dekoration. Die macht sich dann aber gut.
Nachtrag: Habe jetzt mal den Kollegen gefragt, der die Ausrüstung zuletzt benutzt hat. Das Set wurde für den Irak-Krieg 2003 beschafft. Was meine Vermutung bestärkt, dass man das – bis auf den Helm – eher als Deko ansehen sollte.
oha. T.W. sie verblüffen mich immer wieder. Ich bin mir sicher, das eine grosse Anzahl an Soldaten nicht weiss, das Schutzwesten altern u ihre Wirkung verlieren.
@Roman: ich persönlich bin mir ziemlich sicher, dass das in allen betroffenen Einheiten (= Kampfeinheiten) zu den bekannten Tatsachen gehört.
gab es da vor jarhen nicht mal einen fall bei den zivilen waffenträgern, wo das zu erheblichem unmut geführt hat ?
Es ist mir ja schon fast peinlich, dass man als Feldjäger das nicht wusste, wenngleich vermutete. Kann man mir zum Thema „Altern und Nutzungsdauer von Schutzwesten“ mal einen brauchbaren Link liefern – der Haushälter verlangt ja immer eine gute Begründung, warum man nach 5 Jahren schon wieder eine neue braucht….
Aramidfasern altern. besonders schnell wenn sie feucht werden und noch schneller wenn man sie UV aussetzt. da reicht schon dauerbestrahlung mit ner leuchtstoffröhre. das zeug zerfällt dann regelrecht zu staub.
Das problem haben auch andere Kunststoffe, man denke nur mal an das langsame bröseln von gartenmöbeln…
„harte“ westen mit stahleinlage sind von der problematik natürlich erheblich weniger betroffen, aber afaik gibt es heute nur noch wenige produkte am markt, die ausschließlich auf metal oder keramik setzen
@ markus
Ja. Ich glaube in Bayern wurden damals die Westen wie geschnitten Brot verkauft. Weil neu, bessere Farben, gute Passform (mit passenden Dellen für die Frauen) und sehr viel leichter als die bislang dienstlich gelieferten. Und ultrateuer. Und nach zwei drei Jahren waren die dann auch hinüber. Das wurde sogar erst nach nem Zwischenfall mit Waffengebrauch herausgefunden.
vll seh ich das jetzt etwas naiv, aber wie kann jemanden NICHT klar sein, dass material altern kann und damit seine schutzwirkung verliert 0_o
manchmal kann man sich nur wundern…
@ HansG
Ganz einfach. Wenn es darum geht, aus diesem Fakt die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Wenn jemand wie derMike zum Materialwart geht und sagt: „Meine Platten sind jetzt 12 Jahre als, ich brauche neue.“ Dann kostet das letztendlich Geld. Nun ist die Weste von derMike nicht die einzige Weste in Benutzung. Zudem kommen neben dem Altersverschleiss zusätzliche Belastungen wie Feuchtigkeit, Wärme und Stoßbelastung aus dem Tagesgebrauch.
Ich bezweifle, dass es genügend Austauschplatten jemals gab und gibt. Nicht nur einmal war beim Durchsehen der Einsatzausrüsten Uraltmaterial dabei. Da werden die alten Platten wohl immer wieder in den Umlauf gebracht. Wenn nicht mehr in AFG, dann eben auf den Schiffen (was man dank SAP ja gut nachverfolgen kann) oder bei irgendwelchen Einsatzgestellungen von NRF etc. im Ausland.
Geht man mal von den Hochleistungswesten der höchsten Schutzstufe weg und jeder trete mal an seinen Spind und schaue sich seine Splitterschutzweste an. Selbes Spiel, eigentlich sogar noch schlimmer, da es ja in den Verbänden nur in der Regel einen Handvorrat gibt, der ständig neu ausgegeben wird. Also zieht man zur Wache nicht selten mit einer völlig durchgenudelten Weste auf. Oder geht damit zum schießen, zum Sprengen etc.
Wer hier im Forum noch Chef etc. ist, kann ja mal seinen NdF/VU morgen zum Thema befragen.
@Roman
Irgendwie ist da schlimme daran, dass es wirklich Sorglosigkeit ist. Ich gebe zu, dass das S4-Geschäft für mich immer ein Buch mit sieben Siegeln war und ist. Ich denke auch, dass die Fachaufsicht da „lieber mal nicht nachsieht“ weil sonst wieder Fragen und Bedarf kommt – ich werde mal bei unseren Personenschützern nachfragen, wie die das handhaben.
Meinen VU brauch ich nicht zu fragen – ZfNwG-StUffz ohne Lehrgang. Hauptsache Stelle besetzt. S4Abt hat derzeit andere Probleme (SASPF). Ich trag das am Besten mal lieber zu jemandem, der was zu verlieren hat….der Kdr seine Karriere eventuell…..
@ der_Mike
Sorglosigkeit und mangelnde Erfahrung. Ja. Und leider fehlendes Fachpersonal. Wie oft wurden wir auf Truppenübungsplätzen wie die Aliens angekuckt, wenn wir unsere Westen zum trocken zerlegt haben. Selten traf man auf andere Einheiten, die das auch so handhabten, obwohl wir alle am Tag im gleichen Regen standen. Manchmal sah man aber auch den umgekehrten Fall. Da lagen die Einschübe, die Hüllen gespreitzt schön in der Sonne. Den Schaden merkt man dann nicht gleich, sondern Jahre später. Ist halt so, wie die Scheibe vom WBG putzen.
nunja, letztendlich scheiterts wohl immer am lieben geld…
noch als hinweiß:
auch im privaten vergnügen auf intakten schutz achten. beim kettensägenlehrgang wurde anschaulich demonstriert, was eine schnittschutzhose nach 4 jahren gelegentlicher waldarbeit noch aushält. oder eben auch nicht….
Da muss ich im Sinne von HansG auch was sagen und da es hier um Helme geht, nicht ganz OT. Fahrradhelme, gerade von Kindern, gerne sehr oft neu kaufen! So häufig wie die durch die Gegend purzeln (die Helme), verlieren die bei starken Stößen auch Ihre Schutzwirkung.
folgt man der diskussion, so kann man sich sicher sein, dass DIESE Schutzweste
auch nach abgelaufenem haltbarkeitsdatum noch ein paar arme seelen gerettet hat ;)
Ups. Leute. Fahrradhelme, Schnittschutzhosen…. es wird schon sehr OT hier.
Ohne Angabe der Schutzklasse sowieso die Katze im Sack.
@T.W.
Darf ich Sie auf eine sprachliche Unkorrektheit hinweisen:
Es heißt „Atemschutzmaske“ bzw. mil. „ABC-Schutzmaske“.
In der Grundi wären das jetzt mind. 10 Liegestütze (also ganz früher jedenfalls…)
@Pedant
Ach, wissen Sie, als anerkannter Kriegsdienstverweigerer kenne ich mich da nicht so aus ;-)
T.Wiegold | 03. Dezember 2012 – 20:17
@Pedant
Ach, wissen Sie, als anerkannter Kriegsdienstverweigerer kenne ich mich da nicht so aus ;-)
Das ist keine Entschuldigung. Selbst unter wiki heißt es: http://de.wikipedia.org/wiki/Atemschutzmaske :im militärischen und Zivilschutzbereich ABC-Schutzmaske
Solche Kleinigkeiten steigern sich dann: mit einem Fahrer unter Vollschutz
http://augengeradeaus.net/2012/12/bereitet-syrien-sarin-fur-den-chemiewaffen-einsatz-vor/comment-page-1/#comment-48243
Der Fahrer trägt Teile seiner persönlichen ABC-Schutzausstattung und zwar im Bedrohungsangepassten Schutzzustand (BAS 3): Persönliche ABC-Schutzbekleidung tragen (Kapuze aufgesetzt) und die ABC-Schutzmaske (hier eine Dräger M2000 mit Filter F2000 http://www.draeger.de/sites/assets/PublishingImages/Products/cds_m2000/Attachments/sicherheit_lange_einsaetze_br_9044991_de.pdf ) ist aufgesetzt.
So schlecht ist wiki auch hier nicht: http://de.wikipedia.org/wiki/ABC-Abwehr_aller_Truppen_%28Bundeswehr%29
selbst der Spitzname „Atomkoffer“ hat es in den Artikel geschafft.
Die Persönliche ABC-Schutzbekleidung, auch „Overgarment“ ist wenngleich farblich etwas different, auch hier im Einsatz: http://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/CBRNSchutz/Schutzausr/PSABund/psa-bund_node.html#doc1997222bodyText3
Der lamoryant Gaskartuschen-Satz beteichnete Filter und Ersatzfilter ist hier: http://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/CBRNSchutz/Schutzausr/PSABund/psa-bund_node.html#doc1997222bodyText9 wie in Ihrem Bild ein ABEK2 Hg P3-Filter nach EN 141.
Das kann man wissen.
Entschuldigen Sie bitte den belehrenden Ton. Das kommt nicht wieder vor.