Vorbereitung auf den Bürgerkrieg: Die Rückkehr der Mujaheddin?
Archivbild: Ismail Khan im Dezember 2010 (Foto: U.S. Embassy Kabul via Wikimedia Commons)
Ismail Khan nach seinem derzeitigen Amt zu beurteilen, wäre ein grober Fehler. Der 66-jährige ist als Minister für Energie und Wasser nur scheinbar nicht einer der wichtigsten Männer Afghanistans: Als früherer Gouverneur von Herat und vor allem als Kommandeur der Mujaheddin im Kampf gegen die sowjetischen Truppen und später gegen die Taliban reicht sein Einfluss weit über das Ministeramt hinaus – und genießt offensichtlich große Popularität.
Deswegen sollte man sich sorgfältig anschauen, was Ismail Khan gestern verkündete (ich habe es gestern Abend nur getwittert, es lohnt aber einen eigenen Eintrag). Kurz gefasst: Die NATO hat nicht nur versagt, die fremden Truppen sind im Grunde der Gegner. Die NATO hat versagt, und die Afghanen müssen sich ihrer Gegner auch im benachbarten Ausland selbst erwehren. (War zuvor ein Missverständnis bei mir.) Die Mujaheddin müssen – und werden – sich deshalb kampfkräftig neu formieren:
Afghanistan’s Minister of Energy and Water Mohammad Ismail Khan on Thursday said that the process of creating a military unit made up of the former mujahedeen fighters is underway to protect and secure Afghanistan because Nato had failed to do so.
Ismail Khan said in a gathering with former regional Jihadi commanders in west and southwest Afghanistan that the Mujahedeen should also be given more roles in the government as the foreign armies – the Nato-led international security assistance force Isaf – had failed to ensure stability in the country.
He emphasised that just as the Mujahedeen had previously driven out the foreign invaders, the Soviets, so too there was now a need for the Mujahedeen to again rescue the country from „foreign conspiracies“.
„The foreigners sidelined those who had fought for ages,“ Ismail Khan said in western Herat province.
„They collected all our weapons, our artillery and tanks, and put them on the rubbish heap. Instead, they brought Dutch girls, French girls, girls from Holland, they armed American girls, they brought white-skinned Western soldiers, and black-skinned American soldiers, and they thought by doing all this they would bring security here but they failed,“ he added.
Für diese Position, behauptete Ismail Khan laut dem Bericht von TOLO News, habe er auch die Unterstützung von Präsident Hamid Karzai. Die Linien für einen möglichen Bürgerkrieg nach dem Ende der derzeitigen ISAF-Mission scheinen jetzt gezogen zu werden.
Tja, wer hätte das gedacht? Eine Ohrfeige für die westliche Welt, eine Blamage für unseren Außenminister und seine Arbeit. Und was macht der? Zettelt im Auftrag der Kanzlerin das nächste Abenteuer an. Und auch dort werden dann deutsche Soldaten wieder völlig umsonst sterben. Völlig umsonst.
Naja, er hat doch recht.
Die Afghanen müssen sich wieder selbst verteidigen, so wie sie es seit jahrhunderten tun.
Nato ist ein witz, und die anspielung auf „Frauen in den Streitkräften“ bestimmt auch nicht ganz fehl am Platz.
Wenn er eine afghanische Truppe aufbaut, um die Ausländer zu töten, nämlich Pakistanis Uzbeken und chechenen die da Morden und Brandschatzen im Namen des Islam, dann ist das etwas gutes. Taliban sind Tiere, und man muss sie alle töten.
Zumindest haben die nicht Manchetten, das zu tun was nötig ist, um ihr land zu befrieden. Im gegensatz zu uns.
Wir westler baden nur allzu gerne in unserer Ethik, RoE und arroganz.
Das scheitern der Nato in Afghanistan ist der Realitätscheck .
@Peter
Realitätschecks hin oder her: Sätze wie Taliban sind Tiere, und man muss sie alle töten will ich hier nicht lesen. Ich denke wir verstehen uns.
Aber wir gewinnen doch gerade deswegen, richtig? Und wir ganz besonders, weil wir ja auch noch die innere Führung haben. Also sind wir die größten Gewinner von allen dort. Richtig?
Und mit den Frauen. Tja, ohne jetzt zu sehr vom Thema abzuweichen: Die Geschichte gibt ihm wohl Recht.
Aber werden wir die die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen? Werden wir das Scheitern unserer Philosphien, unserer Moralvorstellungen eingestehen und die richtigen Lehren entwickeln?
An wen halten wir uns in Zukunft in AFG?
„Dutch girls, …, girls from Holland“
Wie darf man das verstehen?
Hat der sich wiederholt oder eigentlich German girls gemeint?
Dem grenzdebilen, verantwortungslosen Typen kann man doch einfach mal ne Kugel durch den Turban jagen, dann sieht er was er von seinem großen Maul hat. DIE Sprache würde man in Afghanistan sehr gut verstehen.
Ich glaube langsam, der größte Fehler der ISAF ist, sich zu viel von solchen Dummschwätzern gefallen zu lassen. Mit dieser mildtätigen Nichteinmischungsstrategie steht man einfach nur als Schwächling da, und wird auch so behandelt, wie man hier sehen kann.
Dutch (engl., über ndd.: dütsch, hd.: deutsch) und niederländer sind geschl. gesehen genauso deutsch wie Österreicher, Südtiroler, Schweizer, Luxemburger, Elsässer, Ungarn, Amisch uvm deusch ist eben Sprache und Kultur und nicht nur Staatsbürgerschaft :-)
@TheDude:
Heut keine Milch zum Kaffee bekommen?
Oder woher die schlechte Laune
„The hard way“ klappt bekanntlich auch nicht (siehe u.a. Anfangsphase der Sowjets in AFG).
Oder wollen sie die ja laufenden Kill/capture-Operationen auf die afghanische Regierung ausweiten? Kill’em all, god will sort out?
Hier einige Einsichten zu Kugeln und Turbanen…:
http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/kill-capture/
@T.W.:
Der Bürgerkrieg ist aus meiner Sicht seit Jahren im Gange. Wir im Westen verkennen dies jedoch häufig, da wir das Ganze zu sehr mit unseren Vorstellungen von Staatlichkeit betrachten.
@Roman
……. Und wir ganz besonders, weil wir ja auch noch die innere Führung haben……
Ob ein Auftrag richtig oder falsch ist, ob die Ausstattung und das Mandat richtig oder falsch ist, hat mit Innerer Führung nichts zu tun! Die Innere Führung fordert die Soldaten nur auf Misstände zu benennen und sie nicht einfach unkommentiert hinzunehmen! Da hätte ich mal gerne erfahren welcher Untergebener ihnen lieber ist! nicht „unsere“ Philosophie und Moralvorstellung hat wenig mit den falschen Zielen unserer Regierung zu tun!
P.S. Auch das Befolgen von Befehlen hat mit Innerer Führung nicht zu tun, dafür gibt es das Soldatengesetz!
Wir stecken alle in der PC-Falle !
Keine „rassischtische“, keine „religions-kritische“, keine „kultur-kritische“. keine „gender-kritische“, keine „GEMA-kritische“, keine „Duden-kritische“, keine „Merkel-kritische“……etc, etc Kommunikation, Diskussion und Social Media Interaktion ist „korrekt“ !
So lange das ohne kinetische Argumente erfolgt bin ich sogar für PC, however, wenn wir uns durch PC-Fundamentalisten auch die nicht-kinetischen Argumente aus dem Mund oder von der Tastatur nehmen lassen, dann werden smart media und Meinungsfreiheit und Zivilcourage zur Ponyhof-/RTL2- Farce !
z.B.: oder Q.E.D. @Elahan
„Auch das Befolgen von Befehlen hat mit Innerer Führung nicht zu tun, dafür gibt es das Soldatengesetz!“ ist so ziemlich die bullshittigste Äusserung , die ich je zu diesem Thema gelesen habe.
Vor einigen Wochen hatte ich einen MdB zu Besuch, den meine Antwort „Wie kommen Sie auf das schmahle Brett“ auf seine Bemerkung hin, ich muesste, sollte und/oder duerfte mich zu politischen, militärischen, strategischen Themen als höherer Stabsoffizier nur auf Basis des GG äussern, in die spontane Hechelatmung getrieben hat. Ich hab die Rechnung trotzdem bezahlt.
[Da wurde anscheinend Dein Account gehackt und missbraucht?
Habe das erst mal gestoppt… T.W.]
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Folgende nicht hier schon irgendwo zu Protokoll gegeben habe, aber es verliert auch durch gelegentliche Wiederholung nichts.
Wofür betreiben wir seit Jahrhunderten Geschichtswissenschaften? Und wieso finanzieren wir darum Horden von Historikern aus Steuermitteln? Eigentlich gute Absicht dahinter ist vermutlich der Gedanke, den Erkenntnisgewinn aus dem Handeln in der Vergangenheit dafür zu nutzen, Fehler für die Zukunft zu vermeiden. So weit, so gut.
Wenn das jemals geklappt hätte, hätte Hitler aus der Pleite Napoleons vor Moskau die richtigen Schlüsse gezogen, die Russen aus der britischen Pleite in AFG zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, die USA samt NATO aus dem sowjetischen Desaster am Hindukusch. Und jetzt? Wir sind noch meilenweit vom Abzug aus AFG entfernt, schon schwadroniert der liebe Guido von den nächsten Abenteuern.
Mein Lieblingssatz zur Zeit ist ja, daß es vor allem an der präzisen Zielfeststellung vor dem Beginn einer Handlung mangelt. Vielleicht eine lohnende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die vielen Historiker, die ja ohne Job da stehen werden wenn aus der offensichtlichen Nutzlosigkeit der Geschichtswissenschaften endlich Konsequenzen gezogen werden…
edit: Sorry for OT, der Text hätte zum Mali- Thread gehört.
@iltis
Historiker sind böse, denn sie konsolidieren und verifizieren Langzeit-Wissen. Damit kann man keinen Umsatz, keine Karriere und keinen Profit machen !
Es ist zwar alles gesagt, aber nicht von allen!
Heute haben ziemlich viele entweder schlecht oder das falsche gefrühstückt?
Anyway. Werde da wohl, äh, genauer hingucken müssen.
Nur weil einem die Äußerungen nicht passen, finde ich es schon ein bisschen daneben, den als grenzdebilen Typen zu bezeichnen, dem man eine Kugel durch den Turban jagen müsste. Das mit den Tieren hatten wir ja schon.
Also: Denken – schreiben – senden gilt heute besonders.
@T.W.
nö, die pink Parkscheibe ist von mir als Illustration
@klabautermann und iltis:
Die Kombination aus beiden Themen (Bürokratie und Geschichtsvergessenheit) führt zu einem immer technokratischeren Menschen- und Weltbild. Dieses wiederum versperrt uns den Weg zum Verständnis anderer Kulturkreise. Ohne dieses Verständnis wiederum können wir jedoch die Beweggründe von Individuen und Gruppen in Konfliktgebieten nicht nachvollziehen. Im Ergebnis stolpern wir in Kriege hinein und wundern uns dann, dass es nicht so läuft wie geplant.
Leider wird dieser Technokratiesierungsprozess in der NATO und auch der Bundeswehr immer weiter befördert (Paradebeispiel: Technokratische Ausrichtung des Generalstabslehrgangs an der FüAkBw).
Höchste Zeit sich auf alte Weisheiten bis hin zur Antike zurück zu besinnen.
na ja, dann eben anstelle „grenzdebil“ „geistig terminal überfordert“, anstelle von „tierisch“ „atavistisch-bestialisch“….etc
@Memoria
Zustimmung. „PC“ ist Gehirnwäsche durch Sprachregelung…….
Eine äußerst ernüchterndes Ereignis. Fast schon ironisch das dies hauptsächlich von Leuten kommt die sich mit Hilfe des Westens an der Macht halten. Leider kommt diese populistische Schiene sehr gut bei der enttäuschten Bevölkerung an. Es ist in dem Fall einfacher jemandem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben als sich an die eigene Nase zu fassen. Hier ist es das totale versagen der afganischen Regierung.
“ Instead, they brought Dutch girls, French girls, girls from Holland, they armed American girls…“
Darf der das so diskriminierend sagen, bzw. weiß der nicht, daß die westlichen Armeen durch den Einsatz von Frauen viel leistungsfähiger geworden sind? Der Wehrbeauftragte hat das kürzlich noch mal bekräftigt, und der muß es ja wohl besser wissen als ein militärischer Laie wie Khan. Die Bundeswehr muß jetzt handeln und Khan gegenüber ihre tiefe Betroffenheit signalisieren und ihm unmißverständlich deutlich machen, daß er die sensiblen Gefühle vieler Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf unerträgliche Weise verletzt hat. Und wenn auch das nicht hilft, haben wir immer noch besonders im muslimischen Kulturraum respektierte außenpolitische Persönlichkeiten wie Guido Westerwelle, die bei Khan für mehr Gendersensibilität werben könnten.
Nun ja, hier treten kulturelle Unterschiede zu Tage.
Man kann durchaus fragen, ob nicht kultursensibel gemäß afghanischer Sitten und Gebräuche reagiert werden sollte.
Nach unserem Normen- und Wertekonzept hat Ismail Khan von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und damit ist der Fall erledigt.
In der Sache bereitet er propagandistisch die Position seiner Partei für den anstehenden Bürgerkrieg vor und betreibt Feindpropaganda gegen die Nato.
Den afghanischen Sitten und Gebräuchen würde es daher jetzt tatsächlich entsprechen, dem Herrn eine Kugel durch den Turban oder 10 cm tiefer zu jagen. Das hat sich dort über Jahrhunderte als dominante Strategie entwickelt und wird ab 2014 auch wieder vermehrt praktiziert werden.
Dass die Nato auf solche Äußerungen faktisch nicht reagiert, wird als absolute Schwäche ausgelegt und Afghanen, die es noch nicht gemerkt haben, werden sich nun Richtung „neue Herren“ umorientieren. Solche Äußerungen zum jetzigen Zeitpunkt sind also durchaus strategisch klug vom Feind gesetzt.
Den Mechanismus hinter dieser „Verrohung“ der Sitten hat schon Clausewitz dargelegt:
„3. Äußerste Anwendung der Gewalt
Nun könnten menschenfreundliche Seelen sich leicht denken, es gebe ein künstliches Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zuviel Wunden zu verursachen, und das sei die wahre Tendenz der Kriegskunst. Wie gut sich das auch ausnimmt, so muß man doch diesen Irrtum zerstören, denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten. Da der Gebrauch der physischen Gewalt in ihrem ganzen Umfange die Mitwirkung der Intelligenz auf keine Weise ausschließt, so muß der, welcher sich
dieser Gewalt rücksichtslos, ohne Schonung des Blutes bedient, ein Übergewicht bekommen, wenn der Gegner es nicht tut. Dadurch gibt er dem anderen das Gesetz, und so steigern sich beide bis zum äußersten, ohne daß es andere Schranken gäbe als die der innewohnenden Gegengewichte.
So muß man die Sache ansehen, und es ist ein unnützes, selbst verkehrtes
Bestreben, aus Widerwillen gegen das rohe Element die Natur desselben außer acht zu lassen.
Sind die Kriege gebildeter Völker viel weniger grausam und zerstörend als die der ungebildeten, so liegt das in dem gesellschaftlichen Zustande, sowohl der Staaten in sich als unter sich. Aus diesem Zustande und seinen Verhältnissen geht der Krieg hervor, durch ihn wird er bedingt, eingeengt, ermäßigt: aber diese Dinge gehören ihm nicht selbst an, sind ihm nur ein Gegebenes, und nie kann in der Philosophie des Krieges selbst ein Prinzip der Ermäßigung hineingetragen werden, ohne eine Absurdität zu begehen.“
Wir können uns also als „gebildetes Volk“ erhaben auf unsere moralischen und ethischen Werte zurückziehen und empört und auch ein Stück weit traurig den Krieg verlieren, oder wir führen den Krieg auf dem ethisch moralischen Niveau des Feindes und gewinnen, da wir bei den „innewohnenden Gegengewichten“ nun mal ressourcenstärker sind, solange wir uns nicht selbst ethisch moralisch die Hände auf dem Rücken zusammenbinden.
Das wird auch für Mali gelten.
Da ist er wieder, der Clausewitz, so frisch und zutreffend, wie am ersten Tage. Das Problem mit seiner Lektüre könnte gelöst werden, indem man ihn vielleicht mal in den Duktus unserer Tage übersetzt.
Oder man stellt einen Diplomanden an, der ihn in einer 15- seitigen PowerPoint- Präsentation so zusammenfaßt, daß Generalisten, wie Politiker das in der Regel nun einmal sind, ihn in 20 Minuten verstehen können. Dann käme auch der BdÄ wieder mit
Hallo, gehts noch? Der Mann hat ja noch nichtmal was von „Dutch girls“ und „Girls from Holland“ gesagt. Sondern ganz klar (und in dieser Reihenfolge): „deutsche Maedchen, franzoesische Maedchen, hollaendische Maedchen und amerikanische Maedchen.“ (http://www.tolonews.com/fa/afghanistan/8172-formation-of-mujahedeen-military-unit-is-underway-ismail-khan-) Klingt jetzt grosskotzig und ist es auch – aber wenn man nur ne Uebersetzung statt das Original gelesen hat tut manchmal ein bisschen mehr Bescheidenheit und ein bisschen weniger Voreiligkeit ganz gut. Aber das ist symptomatisch fuer den ganzen Einsatz und die meistsen Kommentare hier: nichts wissen, aber das fuer total normal halten und grosse Toene.
Was hat der Mann denn gesagt, weswegen man ihm in Afghanistan „ne Kugel durch den Turban jagen wuerde“??? Feindprogaganda gegen die NATO? Er hat nur gesagt, dass die NATO nicht faehig war Afghanistan zu befrieden. Wollen wir jetzt jedem ne Kugel durch den Turban/ Hut/ Helm/ Barett/ Baseballcap jagen, der so was wagt laut auszusprechen? Und dann behaupten das waere in Afghanistan so Sitte? Na dann – bitte, dann bin ich auch dran: ich schliesse mich ihm naemlich an, die NATO hat Afghanistan tatsaechlich nicht befriedet.
Wir erinnern uns – der Mann ist seit 33 1/2 Jahren im Geschaeft, hat erst gegen die Sowjets gekaempft (da war mal was – ich bin noch gross geworden mit der Idee dass die nicht unsere Freunde sind) und dann gegen die Taliban. Nach 2001 wurde er (teilweise) entwaffnet, weil die Theorie war, dass man durch die Entwaffnung der Akteure einen starken, stabilen und total demokratischen, gendersensiblen und umweltfreundlichen Staat schaffen kann. Jetzt sagt Ismail Khan nichts anderes als „Hat halt nicht geklappt, also gebt mir und meinen alten Mujahidin/ Jamiat-Kumpel wieder Waffen, damit wir die Taliban bekaempfen koennen.“ Bei uns wuerde man das ein leicht durchschaubares politisches statement zugunsten der eigenen Gruppe nennen, in Afghanistan geht das bei einigen Bloglesern wohl schon als anti-NATO Feindpropaganda durch. Ach nee, doch nicht – das machen wir (der Westen) ja schon laengst. Guckst du: ALP. Nur dass wir, anders als Ismail Khan gar nicht so genau wissen, wen wir da eigentlich bewaffnen. Sind ja schliesslich auch nicht seit 33 1/2 Jahren im geschaeft sondern erst seit 2 Monaten – und auch nur noch 60 und der Rest von heute ueberhaupt an diesem Land interessiert. Wir bewaffnen lustig die paschtunische HIG in Baghlan – und kriegen gar nicht mit, dass die ein paar Kontingente spaeter mit den Anadarabis aneinandergeraet. Oder dass die ALP in Faryab jetzt nach dem Abzug der Norweger in grossen Teilen wieder reumuetig zu den Taliban zurueckgekehrt ist. Welche Miliz in Khanabad genau wozu gehoert muss man doch nicht verstehen, nur um denen Waffen in die Hand zu druecken und einen Status verleihen, der sie praktisch unangreifbar macht. Was soll denn daran schlimm sein, dass jetzt die usbekische Minderheit in Char Bulak das Sagen hat? Und wie schreibt man Char Bulak ueberhaupt? Komisches Land, dieses Afghanistan. Noch 59 und der Rest von heute, soll sich mein Nachfolger mit rumschlagen…
Ignoranz, Dummheit, Weltfremdheit, Selbstverliebtheit, Gut Gemeint – und das gepaart mit technisch netten Spielzeugen, mehr faellt mir zu ISAF einfach nicht mehr ein.
Sprach ein anderer grosser Philosoph: „As long as our officers and troops perform tours of duty limited to one year, they will remain dilletantes in war and tourists in Vietnam. As long as cold beer, hot food, rock and roll and all the other amenities remain the expected norm, our conduct of the war will gain only impotence. The wholesale and indiscriminate use of firepower will only increase the effectiveness of the enemy and strengthen their resolve (…) The central tragedy of our effort in this conflict has been the confusion of a sophisticated technology with human commitment.“
Man moechte hinzufuegen: Wenn man nicht weiss, wo man gerade Krieg fuehrt und was man eigentlich in diesem komischen Land erreichen will – einfach mal die Fuesse still halten.
@Turan Saheb
Danke.
(Dennoch der Hinweis: die Formulierung Dutch girls, French girls, girls from Holland, war die TOLONews-eigene Übersetzung…)
@TW
Naja die Afghen sprechen nicht alle englisch. Und die meisten (und auch besten) Dolmetscher stehen bei ISAF unter Vertrag…
@ turan saheb | 02. November 2012 – 17:12
Sie meinen also, man solle mit dem „Paten von Herat“ paktieren, der nebenbei dem Iran sehr nahe steht?
Ismail Khan war zweifelsohne ein erfolgreicher Mudschaheddin-Kommandeur gegen die Russen. Ein Grund für diesen Erfolg war eine Strategie, die sehr schnell damit war, Leute, die sich feindlich/auf Seiten des Feindes äußerten, ins Jenseits zu befördern.
In der Logik „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ hat man im kalten Krieg mit ihm paktiert. Das heißt aber noch lange nicht, dass er unser Freund ist. Zudem gehörte er damals auch schon zu den Leuten, die vorsichtig ausgedrückt wenig dankbar für Hilfestellung waren.
Warum ist er zudem Minister in Kabul? Doch lediglich, weil man Angst hatte, dass er mit seiner Sichtweise auf die Welt in Herat zu mächtig wird und die Kabuler Regierung stürzt.
Das Bild, was Sie von Ismail Khan zeichnen, ist meiner Meinung reichlich verzerrt.
Mit Ihrer Kritik an Handeln der Nato haben Sie (leider) weitgehend recht. Nur warum ist das so? Könnte es sein, dass eine wesentliche Ursache darin liegt, dass wir in Afghanistan nach unseren ethisch moralischen Regeln gekämpft und agiert haben und eben nicht nach Afghanischen? Das funktioniert nun mal nicht, wie man heute am Ergebnis sieht.
Was Sie beschreiben hat meiner Meinung im Wesentlichen seine Ursache in der Willenskraft. Afghanische Akteure haben eine hohen Willenskraft, unsere Willenskraft, angefangen bei der Politik bis hin zum kleinen Soldaten ist eher mittelmäßig.
Das führt dann zu folgendem Prozess, der uns mangels Willenskraft verlieren lässt (wieder Clausewitz):
„5. Äußerste Anstrengung der Kräfte
Wollen wir den Gegner niederwerfen, so müssen wir unsere Anstrengung nach seiner Widerstandskraft abmessen; diese drückt sich durch ein Produkt aus, dessen Faktoren sich nicht trennen lassen, nämlich: die Größe der vorhandenen Mittel und die Stärke der Willenskraft.
Die Größe der vorhandenen Mittel würde sich bestimmen lassen, da sie (wiewohl doch nicht ganz) auf Zahlen beruht, aber die Stärke der Willenskraft läßt sich viel weniger bestimmen und nur etwa nach der Stärke des Motivs schätzen. Gesetzt, wir bekämen auf diese Weise eine erträgliche Wahrscheinlichkeit für die Widerstandskraft des Gegners, so können wir danach unsere Anstrengungen abmessen und diese entweder so groß machen, daß sie überwiegen, oder, im Fall dazu unser Vermögen nicht hinreicht, so groß wie möglich. Aber dasselbe tut der Gegner; also neue gegenseitige Steigerung, die in der bloßen Vorstellung wieder das Bestreben zum Äußersten haben muß. Dies ist die dritte Wechselwirkung und ein drittes Äußerstes, worauf wir stoßen.“
@ T.W. – kein Problem mit der Tolo-Uebersetzung und dass sie hier nicht in Dari zitieren; aber ich halte es eben fuer symptomatisch, dass sich dann einige Kameraden ueber eine (falsch uebersetzte) Rede aufregen ohne in Zweifel zu ziehen was er gesagt hat und wie er es gemeint hat. In anderen Faellen landen Leute wegen sowas und aehnlichen Anfaengerfehlern auf der JPEL…
Mir ist aber immernoch schleierhaft, wie sie zu dem Schluss kommen, „die fremden Truppen“ waeren „im Grunde der Gegner“?!
@ Sun Tzu
beim Thema „Mangel an Willenskraft“ liegen wir auf einer aehnlichen Linie (siehe das Zitat von „Col. Kurtz“ oben). Nur ist das fuer mich gar nicht die entscheidende Schwachstelle: noch viel schlimmer, auch bei der einfachsten Voraussetzung eines effektiven Kraefteeinsatzes versagen wir voellig, dem Wissen um die Lage vor Ort, was man tun will und wie man das angestrebte Ziel zu erreichen gedenkt. Die Formel wuerde fuer mich also ungefaehr so lauten: ‚tatsaechliche mil. Faehigkeiten‘ x ‚Willen sie einzusetzen‘ x ‚Wissen was um einen herum passiert‘. Und da sind wir halt nur beim ersten Faktor gut aufgestellt, beim zweiten (wie sie schreiben) und dritten (was mir noch wichtiger ist) versagen wir voellig, und das seit elf Jahren.
Was nuetzt mir Willenskraft, wenn ich nicht weiss, wen ich da gerade erschiesse und wofuer es gut sein soll? Abschreckung allein, das hat Opa im Bandenkampf im Osten gelernt, klingt zwar sehr maennlich, funktioniert in der Praxis aber nicht so dolle. Wenn man nicht weiss, was ich meine vergleiche man die „Kampfanweisung fuer die Bandenbekaempfung im Osten“ von 1942 mit dem Merkblatt „Bandenbekaempfung“ vom Mai 1944 und erzaehle mir nicht, Opa und Co hatten in den zwei Jahren dazwischen die Willenskraft verloren. Da ging es naemlich auch vom schneidigen „Bei der Behandlung der Banditen und ihrer freiwilligen Helfer ist äußerste Haerte geboten. Sentimentale Ruecksichten sind in dieser entscheidenden Frage unverantwortlich. Schon die Haerte der Massnahmen und die Furcht vor zu erwartenden Strafen muss die Bevoelkerung davon abhalten, die Banditen zu unterstuetzen oder zu beguenstigen“ (1942) zu einem weichgespuelten, politisch korrekten „Die Haltung der Bevoelkerung ist bei der Bandenbekaempfung von grosser Bedeutung. Inmitten einer Bevoelkerung, die in einem guten Verhaeltnis zu uns steht, vermoegen Banden sich auf die Dauer nicht zu halten (…) Die Verwaltung muss durch gerechte Behandlung, durch planmaessige und tatkraeftige Wirtschaft sowie gruendliche und zweckentsprechende Aufklaerung dafuer sorgen, dass die Bevoelkerung in das richtige Verhaeltnis zu uns kommt. Das Ziel muss sein: Die Bauern sollen ihren Besitz selbst gegen die Banditen verteidigen“ (1944).
Mir geht es dann beim „den Krieg gewinnen wollen“ primaer darum dass man die Truppen, auch sich selbst, so einsetzt dass man eine Chance hat ihn ueberhaupt sinnvoll zu beeinflussen: also mindestens zwei – besser mehr – Jahre vor Ort, in kleinen Gruppen in der Flaeche praesent usw.
Gegner toeten – da, das gehoert auch dazu, bringt aber nix wenn man gar nicht versteht wer der eigene Informant ist, in welchem verhaeltnis er zu den betreffenden Personen steht und wie sich vorraussichtlich die Loyalitaeten der jetzigen Verbuendeten und jetzigen Gegner in den naechsten Monaten verschieben werden.
Zum Thema Ismail Khan: mir sind moralische Analysen handelnder Personen als Leitlinie politischen Handelns voellig fremd (was man berechtigerweise kritisiern mag), fuer mich zaehlt was dabei rauskommt. Ich muss den Mann und seine vielen Mujahidin-Kameraden nicht moegen um sie zu respektieren. Ob wir mit ihm paktieren sollen? Das tun wir doch schon lange, ob er jetzt auch von Iran Gelder nimmt oder nur von uns. Und ich sehe auch gar keine Alternative – ohne Leute wie ihn, wuerde dieses System mittlerweile zusammenbrechen (2001-4 mag es anders gewesen sein). Wir koennen ihn (und alle anderen Verbuendeten) natuerlich trotzdem erschiessen, wenn er so dreist ist und unsere Erfolge in Frage zieht, ich halte es nur nicht fuer besonders klug.
Man sollte Ismail Khan nach Berlin einladen, damit er mit seiner erfrischenden Offenheit ein wenig frischen Wind in den selbstgerechten Muff dort hineinbringt.
@ turan saheb | 02. November 2012 – 18:41
Zitat: „…Wissen was um einen herum passiert …“
Sicherlich richtig, nur würde ich das als Unterkategorie von Willenskraft betrachten. Man hatte eben nicht den Willen, im Jahr 2001 ausreichend Berufssoldaten auf Afghanistan zu spezialisieren mit der klaren Perspektive, dass sie den Rest ihres Berufslebens nur dieses Thema beackern und sich entsprechend spezialisieren. Der Verlust von implizitem Wissen durch kurze Stehzeiten/dauernde Kontingentwechsel ist ein großes Problem. All das erklärt sich mit der Betrachtung der Intensität der Willenskraft und dem Blick auf die Stärke des Motivs. Aufständische haben da eine intrinsische Motivation, wir nicht.
@ Orontes | 02. November 2012 – 19:03
Dummerweise würde Herr Khan die Lebensklugheit haben, zu wissen, was man in Deutschland hören möchte und brav das erzählen, was Margot Käßmann entzückt. Die Motivation, deutsches Steuergeld in seinen Machtbereich umzuleiten, würde den Erkenntnisgewinn stark reduzieren.
War da nicht ein Geheimtreffen Mitte Januar in Berlin, Abgesandte der nördlichen Bürgerkriegsparteien mit einer amerikanischen Stiftung ? War da nicht auch ein dem Iran nahestehender Vertreter dabei ?
Vielleicht muss man auf „augengeradeaus“ mal die Einträge um den 18. Januar recherchieren.
@ Turan Saheb
… so too there was now a need for the Mujahedeen to again rescue the country from “foreign conspiracies” richtet sich, so verstehe ich das, auch sehr deutlich gegen ISAF?
@ T.W.
also, wenn man in Afghanistan die Wortfetzen „Taliban“ und „auslaendische Verschwoerung“ in einem Satz zusammenfuegt denkt so ziemlich jeder, ausser vielleicht dem pakistanischen Botschafter, an ein gewisses suedostwaertig gelegenes Nachbarland, das ich aus Gruenden der Voelkerfreundschaft und internationalen Verstaendigung jetzt mal nicht beim Namen nennen will. Das ist, behaupte ich jetzt mal, so ziemlich jedem Afghanen so offensichtlich wie bei uns, wenn jemand vonPlaenen, Entscheidungen etc. des „Weissen Haus“ spricht, dass eigentlich der amerikanische Praesident und nicht das Gebaeude an sich gemeint ist… Selbst wenn man nicht wuesste, dass Ismail Khan kein Freund Pakistans ist, wuerde die Formulierung hier niemand auf die NATO oder Iran, Russland, die Schweiz oder Aetihopien beziehen (spannenderweise sind die Englaender fast genauso verdaechtig wie die Pakistanis, Intrigen zu spinnen, aber das wird ein bisschen OT).
Die NATO kommt in der Rede unter der Kategorie „Gut gemeint, hat aber nicht geklappt“ vor – aber nicht als Feind.
„conspiracy“ würd ich zumindest nicht als „deutliche“ Note an die ISAF verstehen. ein „möglicherweise“ würde dem blogartikel an dieser stelle schon gut tun.
ich hätte hier eher die pakistanisch unterstützen talibs auf dem schirm als die offen agierenden Besatzer aus dem Westen
und wie gesagt, die äußerung hat interpretationsspielraum…
ich würde mich gerne markus und turan saheb anschließen.
ich denke das mitmischen pakistans ist ja ein offenes geheimnis, ebenso wie der status der durand linie…. welche insbesondere nach abzug von ISAF ein interessantes thema werden könnte.
Da haben wir die quintessenz unseres Versagens in diesem asymmetrischen Konflikt und allen die da noch kommen werden… Mit dem kategorischen Imperativ gewinnt man weder hearts, minds noch nen Blumentopf in kulturkreisen die sich so sehr vom unsrigen unterscheiden… Vielleicht hätte man ab spätestens 2005 alle regulären Truppen in den lagern lassen sollen, und ausserhalb nur noch SOF einsetzen sollen… Mit IEDs gegen Talib-Kommandeur und so…oder gegen die lokalfürsten…irgendwann muss ja mal einer nachkommen der nach unserem gusto ist…
@Turan Saheb et al
Ich bin da offensichtlich in ein Missverständnis reingelaufen… und habe das oben korrigiert. Danke für den Hinweis.
@T.Wiegold: Ich twittere weder noch folge ich dort irgendwem, von daher ist mir ihr Tweet überhaupt nicht bekannt gewesen. Nur zur Erklärung, warum ich den Artikel in den Kommentare zu dem anderen Eintrag verlinkt habe. ;-)
Zum Thema: Was meiner Meinung nach etwas wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, ist die explizite Benennung von a) den weiblichen ISAF-Kräften und b) der Hautfarbe der Soldaten.
Dass Ismail ein selbst nach afghanischem Verständnis sehr konservatives Frauenbild hat, ist kein Geheimnis, von daher verwundert das Ätzen in diese Richtung nicht, aber dass er eine Betonung auf die Hautfarbe legt, ist doch bemerkenswert. Da könnte man einen gewissen Rassismus hinter sehen, der im Hinblick auf die kommenden Kämpfe der Volksgruppen schon mal auf die Rhetorik einstimmt. Er ist ja Tadjike, die sich, im Gegensatz zu den Pashtunen, meines Wissens nach nicht als „Weiße“ sehen.
Wobei solche Nuancen natürlich aus einer so holprigen Übersetzungen natürlich falsch verstanden werden oder auch gar nicht vorhanden sein können.
Entdecke gerade auf Stars and Stripes ein interessantes OpEd-Stück eines früheren pakistanischen Botschafters in den USA:
Can’t leave Afghanistan to its own devices
Den Beitrag vom Januar habe ich gefunden.
Ein Treffen von 3 Führern der Nordallianz mit 4 US-Abgeordneten im Aspen Institut in Berlin.
http://augengeradeaus.net/2012/01/treffen-mit-afghanistans-nord-allianz-in-berlin-erklarung-vom-aspen-institut/#more-6393
Damals hieß es die drei bereiten gedanklich schon den nächsten Bürgerkrieg vor, vor allen Dingen weil sie Karzai nicht allzuweit entfernt von den Taliban sehen.
Über das Treffen wurde in der „WELT“ und auf Afghanistan Analysts Network berichtet.
Die Welt brachte den Bericht mit dem Titel „Diese drei mächtigen Afghanen wollen Karzai stürzen“
Wenn Ismail Khan auf die Muhajedin zurückgreifen will, bzw. seine eigenen Truppen wieder aufbauen will, dann vertraut er offensichtlich nicht auf die afghanische Armee und bringt sich für einen möglichen neuen Bürgerkrieg in Postion. Offensichtlich glaubt er nicht, dass ein paschtunischer Präsident sehr offensiv und nachhaltig gegen die Taliban vorgehen wird. Für meinem Dafürhalten ist hier zuviel Versöhnung zwischen den paschtunischen Brüdern und zuwenig kritische Distanz zu den Taliban vorhanden.
Nach seiner politischen/ethnischen Agenda her zu urteilen, hat er Recht.
….
Machen wir uns Nichts vor, der Drops ist gelutscht.
„Aufteilung der Macht, Aufteilung der Opiumexporte, Sicherung der westl. Einnahmen die nach SaudiArabien „geschifft“ wurden etc. etc. etc.“
nothing more to say..
MkG
@Georg
„Wenn Ismail Khan auf die Muhajedin zurückgreifen will, bzw. seine eigenen Truppen wieder aufbauen will, dann vertraut er offensichtlich nicht auf die afghanische Armee…“
In der ANA gibt es dem Vernehmen nach überproportional viele tadschikische Offiziere. Khan vertraut vielleicht nicht auf die ANA, aber möglicherweise darauf, dass das, was nach ISAF von ihr übrig bleibt, zu ausreichenden Teilen auf seiner Seite bzw. auf der Seite seiner Verbündeten steht.
Ansonsten hört man, dass viele Afghanen nach ISAF einen Bürgerkrieg erwarten und sich entsprechend vorbereiten.
Nun, die Afghanen sind wahrscheinlich keine Anhänger der OODA-loop Theorie, sondern haben eher eine kulturell (sozio-kognitiv) tief verwurzelte black swan blindness Resistenz ;-)
@turan saheb und @sun tzu:
Die grundlegende Erkenntnis, dass wir in Einsätzen einige Dinge können (insbes. Feuerkraft), jedoch sehr wenig wollen und noch weniger wissen und somit fast nichts verstehen scheint mir noch nicht sehr weit verbreitet.
NATO, EU und Bundesregierung sind weiterhin auf Weltbeglückungsmodus (siehe Comprehensive Approach, Neuausrichtung der Bw etc.) – wenn auch mit reduziertem Anspruch (siehe Leitlinien der BReg zu fragiler Staatlichkeit vom Sept. 2012).
Die politischen und militärischen Eliten haben das Delta zwischen Anspruch und Wirklichkeit immernoch nicht erkannt.
Dies zeigt sich wiedermal an Mali. Techokraten prägen die Debatte.
Welche Kaskadeneffekte ein Einwirken auf ein solch komplexes System haben kann ist nicht vorhersehbar. Insbesondere die historisch-kulturell-religiöse Dimension wurde nach meinem Eindruck noch nicht Durchdrungen.
Hier können eben auch „nur“ 200 „Ausbilder“ eine erhebliche Dynamik entfalten.
@turan saheb:
Zudem vielen Dank für die Hinweise zur Bandenbekämpfung von 1942 und 1944.
Nagl würde sagen: Die Wehrmacht hat innerhalb von 2 Jahren gelernt die Suppe mit dem Messer zu essen. Interessant.
@klabautermann:
Die Afghanen haben nach meinem Eindruck einen weitaus kohärenteren „OODA-Loop“ als die NATO.
Siehe bspw. die Eid-Botschaft von Mullah Omar. Wurde die in der NATO überhaupt ernsthaft ausgewertet??
Der kommende Bürgerkrieg in AFG zum Frühstück – schön, vielen Dank!
Ich behaupte, jedem, der sich intensiv mit der Thematik befasst, jedem, der schon vor Ort war, ist ganz klar, dass es nach dem Abzug von ISAF genau darauf hinaus laufen wird. Aber keiner hat den Mut, das öffentlich zu sagen.
Karsai und seine Verbrecherfreunde werden eine nicht unwesentliche Rolle in diesem Bürgerkrieg spielen, es wird Kriegsverbrechen geben und dann wird die Frage irgendwann hier gestellt: Wer hat der ANA das eigentlich beigebracht?
Wie gesagt – erst die Historiker in 50 Jahren werden sagen: Puh, der Einsatz ist ja völlig in die Hose gegangen. Bis dahin traut sich das keiner – obwohl es jeder weiß. Und wenn, dann kommt diese unerträgliche Moralkeule à la „Wollen Sie sagen, die Gefallenen waren umsonst?“ Als ob man am Gedenken rütteln wollte. Aber so ist das nunmal, hier.
@Memoria
Ich glaube, die Taliban insbesondere haben eher von Nassim Nicholas Taleb gelernt, der ja letztendlich mit seiner black swan theory die Anwendbarkeit der spieletheoretisch auf Normalverteilung aufbauenden OODA-loop-Theorie als unzureichend und geopolitisch und geoökonomisch in die Irre führend quasi falsifiziert hat. Das Erzeugen von black swan events bringt jeden OODA loop durcheinander….siehe Bengasi
@klabauterman:
Black swan von Taleb ist bekannt. OODA muss aus meiner Sicht nicht mit Spieltheorie verknüpft sein (auch wenn die amerikanische Praxis stets zu mechanistisch-probabilitischer Anwendbarkeit à la Jomini strebt). Vielleicht kann Soenke M. noch hierzu mehr sagen.
Black swan wiederum kann man auch als Weiterentwicklung der Clauewitz’schen Friktion betrachten (siehe Nichtlinearitätstheorie). Daher fordert Clausewitz ja ein Takt des Urteils in einer chaotischen Welt.
Aus meiner Sicht ist daher OODA auch mit dem deutschen Führungsprozess im Sinne von Moltke d.Ä. eng verwandt.
Unterm Strich beweist die Gegenseite Willensstärke und Anpassungsfähigkeit.
Unser Hauptproblem ist weiterhin unsere völlig unterentwickelte institutionelle Lernfähigkeit, die u.a. in AFG fortlaufend erkennbar wird.
But who cares????
Und dann haben die Taliban vielleicht auch bei Bent Flyvbjerg und Alexander Budzier deren Konzept der “ Black Swan Blindness“ studiert, das besonders gut erklärt, warum OODA-loopers (Entscheidungsträger) besonders anfällig sind für black swan Überraschungen,obwohl sie den black swan Effekt kennen. Diese sogenannte „black swan blindness“ hat systemisch desaströse Auswirkungen – siehe auch Dörner’s logic of failure. Die Ursachen für BSB liegen zumeist in der Ballung folgender Phänomene:
“ Illusion of Control
Organizational desirability
Self-service
hindsight bias“
Hauptsymptom der black swan blindness einer Organisation sind performance management Systeme “ that only track averages or expectation values and ignore the variability of performance. The ignorance of an important aspect of risk and uncertainty leads to misguided management attention while exposing organizations to the effect of outlying black swans events“
…..also woran erinnert mich das bloß ? ;-)
@memoria
Na ja, blach swan theory setzt nicht am Schwerpunkt an (Center of Gravity), sondern am „Systempunkt“. Es gibt einen mathematischen Unterschied zwische komplexen Strukturen und komplexen Systemen und deren Verhalten. Guderian’s „Klotzen, nicht kleckern“ für symmetrische Kriegsführung wird zu „So lange kleckern, bis der Klotz auseinanderbricht“ in der asymmetrischen Kriegsführung….um es mal vereinfacht auszudrücken.
Will sagen, je mehr kleine, aber sehr Öffentlichkeits-wirksame black swan events ich generiere, desto schlechter das öffentliche und somit politisch relevante performance rating eines Gen Allen, einer Hillary Clinton, ja selbst eines Präsidenten Obama……