Deutsche an die türkisch-syrische Grenze: „Herbststurm“ wird Realität

Das Flugabwehrsystem Patriot, hier im Einsatz bei den US-Streitkräften. In der NATO verfügen nur die USA, Deutschland und die Niederlande über dieses System (U.S. Air Force photo/Airman 1st Class Maeson L. Elleman)

Ein möglicher Einsatz des Flugabwehrsystems Patriot aus NATO-Ländern und damit auch der deutscher Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze ist seit zwei Wochen öffentlich im Gespräch und hatte sich nach Äußerungen türkischer Politiker als immer wahrscheinlicher erwiesen. Jetzt scheint ein solcher Einsatz recht bald Realität zu werden: Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom (heutigen) Samstag (Link aus bekannten Gründen nicht) will die Türkei am kommenden Montag eine entsprechende offizielle Anfrage an die NATO richten. Es sei damit zu rechnen, dass deren Oberbefehlshaber, der US-Admiral James Stavridis, dieser Bitte recht schnell nachkommen werde.

In der NATO verfügen nur drei Nationen über Patriot-Staffeln auf modernstem Stand: Die USA, Deutschland und die Niederlande. Nach Informationen aus Berlin wollen die beiden europäischen Länder gemeinsam in einen solchen Einsatz gehen. Der Sinn einer solchen Stationierung der Abwehrsysteme an der türkisch-syrischen Grenze soll allerdings ausschließlich den Schutz des türkischen Territoriums vor möglichen Angriffen mit Flugzeugen und Raketen aus Syrien sicherstellen und nicht, was zwischendurch auch mal von türkischen Medien kolportiert wurde, der Durchsetzung einer Flugverbotszone über Syrien dienen.

Die Bundeswehr wird sich, wenn das alles so kommt, vermutlich mit zwei Patriot-Staffeln an der Mission beteiligen, zusammengenommen mit rund 170 Soldaten. Sofort, also innerhalb weniger Tage, einsatzbereit wären die Staffeln, die Deutschland derzeit als Beitrag zur NATO Response Force (NRF) angemeldet hat – die würden dann aus der NRF-Bereitschaft abgemeldet und in diesen Einsatz geschickt. Noch scheint nicht klar zu sein, ob ein solcher Einsatz zwingend vom Bundestag mandatiert werden muss.

Welche Einheiten der Bundeswehr derzeit der NRF assigniert sind und damit diejenigen sind, die den Marschbefehl in die Türkei bekommen, ist zwar offiziell geheim. Es dürfte sich aber um die Flugabwehrraketengruppe 21 aus Sanitz im Landkreis Rostock handeln. Die hatte vor knapp einem Jahr für die NRF 2012 geübt – das Manöver hatte den Namen Herbststurm 2011. Die Einzelheiten sind bei der Luftwaffe nachzulesen:

Die Flugabwehrraketengruppe 21 (FlaRakGrp 21) aus Sanitz bereitet sich derzeit mit Unterstützung der Einsatzunterstützungsgruppe Luftwaffe auf die Standby-Phase der NATO Response Force (NRF) 2012 vor. Die Übung „Herbststurm 2011“ stellte dabei sicher, dass die Übungsteilnehmer den operationellen wie logistischen Herausforderungen gewachsen waren.
Der Auftrag der Einsatzunterstützungsgruppe Luftwaffe besteht grundsätzlich in der Bereitstellung und Entsendung von Kräften und Mitteln zur logistischen Unterstützung bei Einsätzen und Übungen von Kontingenten der Luftwaffe – weltweit und rund um die Uhr. Ein Kernbereich „der Trollenhagener“ ist dabei die Umsetzung der Teilkonzeption „Bewegliche Unterbringung im Einsatz“.
Mit einem Personalansatz von rund 50 Soldaten wurden im Rahmen dieses Teilkonzeptes auf dem Fliegerhorst Trollenhagen 32 Zelte mit Feldheizgeräten, einem Sanitärmodul mit Duschen und Toiletten sowie die dafür notwendige Stromversorgung bereitgestellt und rund um die Uhr betrieben. In dem so entstandenen Feldlager konnten 180 Soldaten untergebracht werden – Verpflegung und Versorgung mit Betriebsstoffen für die entstandene Infrastruktur eingeschlossen.
Für die Flugabwehrraketengruppe 21 waren damit alle Vorraussetzungen gegeben, ihren eigentlichen Auftrag – die Luftverteidigung im zugewiesenen Einsatzraum – durchhaltefähig auszuführen. Nach der Verlegung in das „Einsatzland“ wurde die Einsatzbereitschaft hergestellt und der Luftraum zur Verteidigung gegen Flugziele zugeteilt. Passend dazu hatte sich das Wetter herbstzeitgemäß eingetrübt und machte dem Übungstenor „Herbststurm“ echte Konkurrenz.
Mit zwei Kampfstaffeln und den dazugehörigen Führungs- und Unterstützungskomponenten zur Luftverteidigungsübung konnte damit die im Großraum Neubrandenburg angesiedelte, interne Überprüfung der Einsatzbereitschaft für die NRF-Standby-Phase 2012 anlaufen, bei der rund 300 Soldaten der Gruppe als Teil des Einsatzverbandes FlaRak die Fähigkeit der Flugabwehr für die schnellen Eingreifkräfte der NATO eindrücklich demonstrierten. Der Einsatz von realen Flugzeugen als Ziele ermöglichte dabei das realitätsnahe Agieren innerhalb der Führungs- und Gefechtstände.
Gerade vor dem Hintergrund der Assignierung beider Verbände als NATO Response Force für das Jahr 2012, die eine zeitnahe Verlegung in ein Einsatzland ohne vorherige infrastrukturelle Vorbereitung bedeuten kann, kam dieser gemeinschaftlich vorbereiteten und durchgeführten Übung eine besondere Bedeutung bei. Ein wichtiges gemeinsames Übungsziel beider Verbände bestand folgerichtig auch darin, die gegenseitige militärische Erfordernisse zu erkennen und Prozesse im Hinblick auf einen eventuell möglichen gemeinsamen Einsatz frühzeitig zu harmonisieren, was – das sei abschließend gesagt – den betroffenen Verbänden und ihren Soldaten auch im weitesten Maße gelungen ist: Die NRF 2012 kann kommen.

(Ich zitiere das mal so ausführlich, weil man ja nie weiß, ob so eine Geschichte plötzlich verschwindet…)

Vermutlich werden allerdings die Patriot-Staffeln der FlaRakGrp21 ohne die Unterstützungseinheit verlegen – die nötige Infrastruktur könnten ja die Türken liefern.

Nachtrag: Bisschen was zu PAC3 und Fähigkeiten auf den Luftwaffenseiten: Mit Mach Fünf ins Ziel: Kampfwertanpassung Patriot