Die deutsche Drohnen-Debatte: Fliegende Selbstschussanlagen?

Die öffentliche Debatte über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr lässt noch einiges erwarten, und sie wird heftig. Dabei werden locker drei verschiedene Ebenen vermengt – was die politische Diskussion anheizt, sie aber nicht unbedingt sachlicher werden lässt. Ich versuche das mal zu sortieren, ehe alles aus dem Ruder läuft:

1. Die deutschen Streitkräfte denken über die Beschaffung von bewaffneten Drohnen nach. Die Unmanned Aerial Aircraft Systems (UAS), im Unterschied zu den derzeitigen deutschen Überwachungsdrohnen mit Raketen und anderen Waffen ausgerüstet, wie sie bereits bei Verbündeten wie den USA und Großbritannien im Einsatz sind, sollen – aus deutscher Sicht – vor allem dazu dienen, eigene Soldaten im Einsatz aus der Luft zu schützen. Bislang ist noch keine Entscheidung über diese teure Beschaffung gefallen; die Luftwaffe hat allerdings bereits deutlich gemacht, dass sie langfristig diese Maschinen will. Aus Sicht von Verteidigungsminister Thomas de Maizière gibt es rechtlich und ethisch keinen Unterschied zwischen bewaffneten fliegenden Plattformen mit und ohne Besatzung. Das Verteidigungsministerium soll zudem bei einer Prüfung keine völkerrechtlichen Bedenken gegen solche Kampfdrohnen festgestellt haben (ich suche noch nach dem entsprechenden Papier).

Diese zunächst mal rein deutsche Perspektive wird in der öffentlichen Debatte vermischt mit

2. dem völkerrechtlich umstrittenen Drohneneinsatz der USA in Pakistan, der als Obama’s Drone Campaign auch in den USA selbst auf Widerstand stößt. Eine aktuelle Untersuchung (die dazu gehörende Webseite livingunderdrones.org ist derzeit leider nicht erreichbar) kommt zu dem Ergebnis, dass dabei neben den ins Visier genommenen – echten oder vermeintlichen – islamistischen Terroristen auch zahlreiche Unbeteiligte ums Leben kommen – und so zudem die Terrorgefahr nicht verringert, sondern erhöht wird.

Nun ist diese – aus meiner Sicht zu Recht – völkerrechtlich fragwürdige Praxis eine Frage der Politik, nicht der dabei verwendeten Mittel: Die Angriffe wären völkerrechtlich und in ihren Auswirkungen genau so problematisch, wenn sie mit bewaffneten Kampfjets geflogen würden oder mit Raketen, die hunderte von Kilometern entfernt abgefeuert werden. Nun lassen sie sich natürlich plakativer an Drohnen festmachen, deren unbemerkte Annäherung und dazu lange Stehzeit in einem Einsatzgebiet dieses Waffensystem als unheimliche Bedrohung erscheinen lassen – auch wenn die entscheidende Frage ist, welche Regeln für den Einsatz dieses Waffensystems gelten.

Und dann kommt noch hinzu, dass

3. der Einsatz von Drohnen mit der Befürchtung verbunden ist, dass in naher Zukunft diese Maschinen autonom über den Gebrauch ihrer Waffen entscheiden – also automatisch töten. Die Debatte darüber hat mit dem Buch Kill Decision des US-Autors Daniel Suarez erneut Fahrt aufgenommen. Und vermutlich wird sich die Überschrift Bald entscheiden autonome Tötungsmaschinen über Leben und Tod der Bloggerkollegen von netzpolitik.org bald auch so oder ähnlich in den Zeitungen wiederfinden – als Fakten-Aussage, obwohl es bislang nur eine (wenn auch nicht zwingend unwahrscheinliche) Prognose ist. Dabei ist diese Befürchtung nicht exklusiv für bewaffnete Drohnen– von solchen autonomen Systemen könnten ebenso (bei der Bundeswehr übrigens längst vorhandene) Raketen, Artilleriegeschütze oder Kampfpanzer gesteuert werden.

Nun hatten wir in Deutschland schon mal autonome Tötungssysteme, die zwar mechanisch funktionierten und nicht von elektronischen Schaltkreisen und Algorithmen gesteuert wurden: Die Selbstschussanlagen an der DDR-Grenze feuerten auf alles, was sich innerhalb eines bestimmten, gesperrten Gebietes bewegte (die Analogie, die ich recht treffend finde, verdanke ich dem FDP-Abgeordneten Jimmy Schulz). Entscheidend für das tödliche Ergebnis war allerdings erst in zweiter Linie die Technik – und in erster die dahinter stehende Absicht.

All diese Dinge werden derzeit in der deutschen Debatte recht frei zusammengerührt. Mit dem Ergebnis, dass schlicht gleich gesetzt wird: Wenn die Bundeswehr bewaffnete Drohnen will, will sie damit unter Inkaufnahme ziviler Opfer Jagd auf einzelne Terroristen machen und zudem demnächst die Entscheidung über Leben und Tod einer Maschine überlassen. So kann man natürlich argumentieren – sauber finde ich das nicht. (Was übrigens, damit da kein Missverständnis aufkommt, Bundeswehr und Verteidigungsministerium nicht der Aufgabe enthebt, zu begründen, warum, wann und zu welchen Kosten sie bewaffnete Drohnen wollen.)

(Wenn ich einiges von dem oben stehenden schon bisweilen in den Beiträgen hier geäußert habe, bitte ich um Nachsicht – ich wollte das noch mal zusammenhängend aufgeschrieben haben.)