Der MAD und der Rechtsextremismus-Sumpf
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) spielt hier bei Augen geradeaus! im Normalfall keine Rolle – weil es bei diesem Nachrichtendienst der Bundeswehr meist weniger ums Militärische geht (ja, ich weiß, die Y-Reportage neulich zeigt auch solche Seiten). Dennoch muss hier erwähnt werden, dass dieser Dienst offensichtlich ebenso wie andere Teile des deutschen Sicherheitsapparats in recht unguter Weise in die Geschichte um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) verstrickt ist:
Im NSU-Untersuchungsausschuss hat es bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause einen handfesten Eklat gegeben. Mit Wut und Entsetzen reagierten die Parlamentarier auf die Nachricht, dass der MAD eine Akte über den Rechtsterroristen Mundlos geführt hatte, die ihnen bislang vorenthalten worden war.
berichtet tagesschau.de (ebenso wie viele andere).
(Vorsorglich die Bitte, dieses Versagen eines Dienstes im Bereich des BMVg nicht, wie so oft, zum Bashing des Grünen-Abgeordneten Ströbele zu nutzen – der hat die Geschichte rausbekommen.)
Die Diskussion, die darüber geführt werden muss, betrifft alle Nachrichtendienste und die deutsche Sicherheitsarchitektur insgesamt. Aber für den MAD, der ohnehin auch innerhalb der Koalition umstritten ist, trägt das nicht zur Stärkung seiner Existenzberechtigung bei.
Nachtrag: Zwei Dinge habe ich inzwischen erfahren, und dennoch bleibt eine gewisse Tatlosigkeit:
Zum einen, so höre ich, hat der MAD nicht versucht, Mundlos anzuwerben. Entsprechende Berichte träfen nicht zu.
Zum anderen liegt mir inzwischen das Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMVg Thomas Kossendey an Ströbele vor. Die entscheidende Passage:
Uwe Mundlos hat während seines Grundwehrdienstes vom 1. April 1994 bis 31. März 1995 zu einer Gruppe von sechs Soldaten gehört, die durch gemeinsames Hören von Skin-Musik und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten aufgefallen waren. In der Folge wurden sie durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) als Verdachtspersonen in der Bundeswehr bearbeitet. Informationen aus dieser Bearbeitung hatte das MAD-Amt seinerzeit mit Schreiben vom 27. Juni 1995 an das Bundesamt für Verfassungschutz und an die Landesämter für Verfassungsschutz Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen übermittelt. Im MAD-Amt existiert jedoch kein Aktenrückhalt mehr zu diesen ehemaligen Verdachtfallbearbeitungen. Aufgrund der gesetzlichen Zuständigkeit des MAD und der dazu begründeten Verpflichtung, die personenbezogenen Daten zu löschen, die er nicht mehr für seine Aufgabenerfüllung benötigt, existiert mehr als 15 Jahre nach Beendigung des Grundswehrdienstes des Betroffenen kein Aktenrückhalt mehr zu seiner Person. Erst durch ein Freigabeersuchen des Landesamtes für Verfassungschutz Sachsen vom 8. März 2012 zur Vorlage von dort noch vorhandenen MAD-Unterlagen bei der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus sowie bei den Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Landtages wurde dem MAD-Amt der eingangs geschilderte Sachverhalt (wieder) bekannt.
Daraus ergeben sich allerdings auch zwei Fragen: Zum einen: Wenn dem MAD die entsprechende, bei ihm gelöschte Akte durch eine Anfrage im März wieder bekannt wurde – warum wurde die Information nicht schon damals an den Untersuchungsausschus weitergegeben?
Und, das weit brisanter: Die Aussage, der MAD habe Mundlos nicht anwerben wollen, kontrastiert, um nicht zu sagen widerspricht diversen Berichten, dass genau das in dieser beim MAD gelöschten Akte steht: MAD wollte Mundlos als Informanten anwerben, schreibt tagesschau.de; Geheimdienst wollte Neonazi Mundlos anwerben, berichtet Spiegel Online, und andere Medien ähnlich. Den Widerspruch kann ich nicht auflösen, aber er ist da.
@Koffer
Dass V-Leute in nicht wenigen Fällen die extremistischen Erscheinungen selbst herbeigeführt haben, für deren Meldung sie bezahlt wurden, ist leider keine „Verschwörungstheorie“, sondern u.a. ein gut dokumentiertes Ergebnis des letzten NPD-Verbotsverfahrens. Dass sich in diesem Bereich die Zusammenarbeit zwischen Behörden und V-Leuten verselbstständigt, wäre nichts neues und sollte m.E. nicht außer Betracht gelassen oder gar als absurde Vermutung dargestellt werden.
Was die proisraelischen US-amerikanischen Stiftungen und Think Tanks angeht, bringt „b“ jedoch einiges durcheinander. Diese arbeiten zwar tatsächlich mit proisraelischen (und damit verbunden z.T. islamkritischen bis antiislamischen) Gruppierungen und Organisationen in Europa zusammen, aber das Umfeld des NSU (oder auch der NPD) fällt ganz gewiss nicht in diese Kategorie. Beides wird zwar umgangssprachlich unter dem Begriff „rechts“ zusammengefasst, aber es handelt sich hier um sehr unterschiedliche Phänomene, die klar voneinander abzugrenzen sind. Gerade die deutsche Neonazi-Szene übt demonstrative Palästinenserfreundlichkeit und hat keine sichtbaren Anknüpfungspunkte zum von „b“ genannten Spektrum. Belege für die von „b“ aufgestellte These wären daher sehr interessant.
@Orontes
„Dass V-Leute in nicht wenigen Fällen die extremistischen Erscheinungen selbst herbeigeführt haben, für deren Meldung sie bezahlt wurden, ist leider keine “Verschwörungstheorie”“
DAS habe ich auch nie bestritten!
Aber @b hatte ja die These aufgestellt (bzw. angedeutet), dass die Geheimdienste „Schuld am ganzen Elend“ seien.
Zur Erinnerung hier nochmal die beiden Schüssel-Sätze:
„- Werden Rechtsradikale von diesen Diensten erschaffen um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen?
– Oder ist solcher Rechtsradikalismus die genuine Ideologie der Mitarbeiter solcher Dienste?“
Hier geht es nicht um V-Männer, sondern hier wird ein bewusstes, schuldhaftes Verhalten der Dienste ansich einerseits unterstellt und andererseits eine fachliche Inkompetenz oder „Fehlausrichtung“ der Mitarbeiter (hierzu zählen die V-Leute nun einmal nicht) unterstellt.
Mit dem Editieren von Kommentaren ist es auch hier (Chrome, Ubuntu Linux 11.04) hakelig: Es geht ein wenig zäh, bisweilen stürzt der Editiertab auch ganz ab. Am besten den Kommentar direkt beim ersten Mal fehlerfrei formulieren. ;-)
Um vielleicht mit dem einen oder anderen Halbwissen welches hier präsentiert wird aufzuräumen…
Der Ablauf beim MAD war vollkommen konform mit den gesetzlichen Abläufen. Mundlos wurde standardmäßig durch den MAD befragt nachdem Chef oder Spies oder sonstwer bemerkt hatte was er da so hört/von sich gibt. Der zuständige Ermittler des MAD ist turnusgemäß mind. 1x pro AGA in jeder GrundausbKp, auch vorher findet ein Abgleiche statt. Die Datenerhebung des MAD hatte also nichts mit dem SÜG zutun, eine „Ü“ erhält nur wer auf einem sicherheitsempfindlichen Dienstposten eingesetzt ist – sozusagen die Anforderungsgrundlage, Wehrpflichtige wie M in der Regel nicht. Nach dem Ausscheiden von M. ist der MAD verpflichtet die Daten zu löschen, erst recht wenn es keine disziplinaren/gerichtlichen abschließenden Massnahmen gab, dann gelten andere Fristen als die bereits erwähnten.
Zur Weitergabe der Informationen an die LfVs, so vollkommen normal. Die Rückfrage der LfVs beim MAD bezüglich Akten usw war auch völlig normal, das Verfügungsrecht zum Herabstufen, Weitergabe, Weiterverarbeitung liegt in diesen Bereichen IMMER beim Ersteller. Der gibt frei entscheidet usw. Daher hatt der MAD auf einmal seine bereits gelöschten Daten wieder auf dem Tisch.
@ seepferd 84
dann noch die Frage an den Fachmann: Die Datenvernichtung wird nicht protokolliert?