In Ausnahmefällen militärische Mittel im Inland erlaubt

Das Bundesverfassungsgericht hat – erneut – über die Möglichkeit entschieden, dass die Bundesregierung die Bundeswehr im Inland in bestimmten Fällen auch mit militärischen Mitteln einsetzen darf. Grund der Entscheidung war wiederum der Streit um das Luftsicherheitsgesetz der rot-grünen Koalition, dass insbesondere bei entführten Flugzeugen als letzte Möglichkeit auch den Abschuss der Maschine vorsah. Nachdem die höchsten deutschen Richter das bislang abgelehnt hatten, hat nun das Plenum des Bundesverfassungsgerichts eine Kehrtwende vollzogen – und die militärischen Mittel unter eng begrenzten Voraussetzungen erlaubt. Allerdings, um das gleich vorweg zu sagen, wird Amtshilfe der Bundeswehr bei Demonstrationen selbst dann abgelehnt, wenn sie gewalttätig werden und Gefahr für Menschen oder Sachen droht.

Ein Eurofighter der Alarmrotte (Quick Reaction Alert, QRA), die zum Abfangen verdächtiger Flugzeuge eingesetzt wird, startet mit Nachbrenner (Foto: Luftwaffe/Xaver Habermeier)

Die Entscheidung wird sicherlich politisch und juristisch ab jetzt heftig debattiert werden; der Wortlaut aus Karlsruhe findet sich hier als Zusammenfassung und hier im kompletten Wortlaut-Beschluss. Die Kernsätze aus meiner Sicht:

Der Einsatz der Streitkräfte als solcher wie auch der Einsatz spezifisch militärischer Kampfmittel kommt allerdings nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 87a Abs. 4 GG zu berücksichtigen, der vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen den Einsatz der Streitkräfte zur Bewältigung innerer Auseinandersetzungenbesonders strengen Beschränkungen unterwirft. Diese Beschränkungen dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass der Einsatz statt auf der Grundlage des Art. 87a Abs. 4 GG auf der des Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG erfolgt.
Enge Grenzen sind dem Streitkräfteeinsatz im Katastrophennotstand nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG durch das Tatbestandsmerkmal des besonders schweren Unglücksfalls gesetzt. Hiervon erfasst werden nur ungewöhnliche Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes. Insbesondere stellt nicht eine Gefahrensituation, die ein Land mittels seiner Polizei nicht zu beherrschen imstande ist, allein schon aus diesem Grund einen besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG dar. Die Voraussetzungen des besonders schweren Unglücksfalls gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 GG bestimmen sich in Abgrenzung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Einsatz der Streitkräfte im inneren Notstand. Auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG können Streitkräfte daher nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden, die nicht von der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art sind. So
stellen namentlich Gefahren für Menschen und Sachen, die aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen, keinen besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 GG dar. Denn nach Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG dürfen selbst zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer Streitkräfte auch dann, wenn das betreffende Land zur Bekämpfung der Gefahr nicht bereit oder in der Lage ist, nur unter der Voraussetzung eingesetzt werden, dass Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes besteht. Schließlich muss der Unglücksfall bereits vorliegen. Dies setzt zwar nicht notwendigerweise einen bereits eingetretenen Schaden voraus. Der Unglücksverlauf muss aber bereits begonnen haben und der Eintritt eines katastrophalen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehen.
Der Einsatz der Streitkräfte wie der Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel ist zudem auch in einer solchen Gefahrenlage nur als ultima ratio zulässig. Eine umfassende Gefahrenabwehr für den Luftraum mittels der Streitkräfte kann auf Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nicht gestützt werden.