De Maizière wirbt (erneut) für Akzeptanz „zusätzlicher Verpflichtungen“
Die Aussage von Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist nicht neu, aber um so bemerkenswerter ist, wie er sie regelmäßig wiederholt. Seine Kernthese: Deutschlands Verantwortung bedeutet auch mehr Verpflichtung hat er jetzt erneut in einem Gastbeitrag für Deutschlands Agenda, das Blog der Atlantischen Initiative, in den Mittelpunkt gerückt – unter der Überschrift Weniger Vergangenheit, mehr Verantwortung:
Erst mit der Wiedervereinigung hat Deutschland seine volle Souveränität erlangt. Wir sind gleichberechtigt, aber auch gleichverpflichtet. Nicht mehr unsere Vergangenheit bestimmt zuvorderst unser Handeln, sondern unsere aktuelle Verantwortung. Wir werden uns darauf einzustellen haben, dass unser Beitrag künftig stärker als heute gefragt sein wird, dass wir zusätzliche Verpflichtungen übernehmen müssen. Das kann zur Folge haben, dass auch der Einsatz unserer Streitkräfte gefragt ist, auch wenn unsere unmittelbaren nationalen Sicherheitsinteressen auf den ersten Blick nicht berührt sein mögen. Nicht überall und jederzeit, aber prinzipiell.
… aber prinzipiell. Die Frage, die einen da natürlich umtreibt: Wann zieht diese Ansicht? Wie nah steht die Bundeswehr vor ihrem nächsten Einsatz?
Was legitimiert die als „Verpflichtungen“ dargestellten Forderungen zum Einsatz deutscher Soldaten ohne Bezug zu deutschen Sicherheitsinteressen oder sicherheitspolitischem Nutzen für Deutschland, und wessen Interessen soll dieser Einsatz dienen, wenn es nicht deutsche Interessen sind? Der Ort der Veröffentlichung gibt m.E. bereits einige Hinweise darauf, für welche Fremdinteressen die Bundesregierung bzw. deren Mehrheit im Parlament die Bundeswehr einsetzen will. Daraus lässt sich auch schlußfolgern, um was für Einsätze es gehen soll, nämlich u.a. um Syrien. Der Preis dafür wäre nicht nur finanziell und mit dem Leben deutscher Soldaten zu zahlen, sondern auch in schwindendem Einfluss Deutschlands in dieser strategisch wichtigen Region, der gerade darauf beruht, dass Deutschland hier anders als die USA oder andere europäische Staaten eine Tradition partnerschaftlicher, nicht-interventionalistischer Politik aufgebaut hat.
Und schon sind wir wieder mit den letzteren Kommentaren
in dem Thread „Bundeswehrreformbegleitgesetz – eine endlose Geschichte“ von „off topic“ auf „on topic“ umgeschwenkt !
„Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung“ auf, so lautet die Verfassung für die Bw im GG.
Möchte mal sehen wie der verehrte Verteidigungsminister dies dem deutschen Volk erklären will, dass er das Leben seiner Soldaten riskiert „wenn die unmittelbaren nationalen Sicherheitsinteressen nicht berüht sein mögen“.
Zum Glück haben wir eine Parlamentsarmee und solche Einsätze müssen über die Schwelle der Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages gehievt werden !
Zitat:“Zum Glück haben wir eine Parlamentsarmee und solche Einsätze müssen über die Schwelle der Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages gehievt werden “
Und genau das „Parlament“ gefällt sich in seiner Rolle als Abnickabteilung für diffuse „europäische“ Interessen. Was bedeutet, diese Instanz funktioniert nicht mehr wie gedacht.
Mir wird schon wieder schlecht bei dem Gedanken daran…
Was ist mit „unser Beitrag“ gemeint? Er sollte sich zum Thema „volle Souveränität“ und „Ausstattung der Bw über die Verteidigungsaufgaben hinaus“ mit Scheuble unterhalten. Wenn Breite vor Tiefe, mit was sich prinzipiell engagieren? Büromöbel „Buche“
„…auch wenn unsere unmittelbaren nationalen Sicherheitsinteressen auf den ersten Blick nicht berührt sein mögen.“
Ist doch super. Auf den ersten Blick sind unsere Sicherheitsinteressen in Zukunft nicht berührt. Bei den aktuellen Einsätzen sind sie es auch nicht auf den zweiten.
Und bei Einsätzen schauten SPD / Grüne vor allem darauf, dass diese NICHT in irgendeiner Weise deutschen Sicherheitsinteressen dienen könnten ;)
würde mal sagen:
100 Punkte für TdM im bullshit-Bingo………..
@all
Schon mal darueber nachgedacht, dass wir nicht unmittelbare Zielgruppe dieses Artikels sind…
Und welchen Aufruhr die Nichtbeteiligung an Lybien und die limitierte Beteiligung an Atalanta hier im Blog erzeugt hat….?
@Sönke
+1 ;-)
@ Georg | 29. Mai 2012 – 15:15
Zitat: „Zum Glück haben wir eine Parlamentsarmee und solche Einsätze müssen über die Schwelle der Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages gehievt werden !“
Glauben Sie wirklich, dass dort die richtigen Entscheidungsfindungsmechanismen wirken? Ich habe da so meine Zweifel. Nach diversen Diskussionen mit Abgeordneten verschiedener Parteien glaube ich nicht mehr, dass Motivationen und Befähigung als Voraussetzungen für eine sachgerechte sicherheitspolitische Entscheidung vorhanden sind. Bei dieser Kritik schließe ich ausgewiesene angebliche Fachleute (Rainer Arnold, Omid Nouripour, Elke Hoff, Ruprecht Polenz, Kerstin Müller, etc. ) ausdrücklich mit ein.
Zu sehr dominieren sachfremde Entscheidungsgründe wie Parteitaktik, Wahlpropaganda, individuelle Sympathien und Antipathien, die vermeintliche Meinung des Volkes und – leider auch – schlicht fehlende Sachkenntnis und zu wenig Zeit zur Befassung. Dazu kommt noch eine gehörige Portion Ideologie und die totale Verkennung der Möglichkeiten. Wenn dann noch Eitelkeiten eines Außenministers dazu kommen, landen wir in einer Struktur, die sich zwangsläufig an jeder außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsfindung verheben muss. Dazu kommt dann noch eine fatale Hysterieanfälligkeit. Man muss unserer Politik doch fast nur noch verkaufen, ein Krieg sei gut für den Klimaschutz und schon rennen sie los … Die vollkommen blauäugig verkündete „Energiewende“ hat ja gezeigt, wie Deutschland bereit ist, physikalische, technische und finanzielle Aspekte vollkommen bei der Entscheidungsfindung auszublenden, aber das ist ein anderes Thema.
Aber zu De Maizière selbst. Unser Verteidigungsminister stammt aus einer Familie, die in den letzten 100 Jahren an vielen Stellen Machtpositionen innehatte und diese ausfüllte.
Betrachten wir also mal seine Familie:
Der Vater: Ulrich de Maizière. Nachdem er als Regimentsadjutant am Angriff auf Polen teilgenommen hatte, kam er zur Generalstabsausbildung an die Kriegsschule Dresden. Danach wurde er 1. Ordonnanzoffizier im Stab der Heeresgruppe C und beim Einfall in die Sowjetunion 2. Generalstabsoffizier der 18. Infanteriedivision. Er wurde noch im Februar 1945 in den „Führerbunker“ geholt. War Ulrich de Maizière also ein überzeugter Nazi. Wohl nicht. Seine selbst gewählte Beschreibung trifft es wohl eher: „Ich habe mich zu der mir anerzogenen und überlieferten Pflichterfüllung entschieden.“
1966 wurde Ulrich de Maizière Generalinspekteur der Bundeswehr. Heute wird er als einer der geistigen Väter des Prinzips der inneren Führung gesehen. Wieder war Ulrich de Maizière treuer Diener der (neuen) politischen Führung. Der Name Ulrich de Maizière hat immer noch einen guten Ruf in der Bundeswehr. Es gibt aber auch die spekulierende Interpretation, dass die Bundeswehr durch die von Ulrich de Maizière eingeführten Reformen „verweichlichte“, an Kampfkraft verlor und damit den Interessen des Ostblocks in die Hände spielte. Wir reden hier von den 1970ger Jahren. Hier kommt möglicherweise Clemens de Maizière ins Spiel.
Der Onkel: Clemens de Maizière, Bruder von Ulrich de Maizière, war zuerst erfolgloser Jurastudent, dann NSDAP-Mitglied und SA-Mann, dann nach Kriegsgefangenschaft engagiert er sich von Anfang an mit sozialistischer Überzeugung in Thüringen in der Ost-CDU, wird schnell inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Als „Parteisekretär mit besonderem Auftrag“ soll er in Westdeutschland nachrichtendienstlich Mitarbeiter anwerben – auch in der Familie. Als nun zugelassener DDR- Jurist verrät er Mandanten an die Stasi und spioniert die evangelische Kirche aus. Hier hat es wohl schon früh Kontakte zum Weißenseer Arbeitskreis sowie zu Horst Kasner, dem Vater unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, gegeben.
Der Cousin: Clemens Sohn Lothar de Maizière schreibt in seinen Memoiren: „Das familiäre Band war nie abgerissen. Wir hatten auch zu Mauerzeiten unter schwierigen Umständen Kontakt gehalten.“ Lothar de Maizière wird mit dem Fall der Mauer Chef der Ost-CDU und letzter Ministerpräsident der DDR. Er holt die Sprecherin des Demokratischen Aufbruchs als Regierungssprecherin in seine Regierung. Sie heißt: Angela Merkel.
Lothar de Maizières Vergangenheit in der DDR ist zweifelhaft. Ihm wird nachgesagt, dass er systemtreu in den Fußstapfen des Vaters zur sozialistischen Assimilation der evangelischen Kirche der DDR beigetragen habe. Hier gibt es aber nur die Erinnerungen von Menschen. Spuren in den Akten sind verschollen.
Heute ist Thomas de Maizière einer der treuesten Weggefährten von Angela Merkel.
Warum diese Familienanamnese? Bei den de Maizières haben wir es offenbar mit einer intelligenten gebildeten Machtdynastie im deutschsprachigen Raum zu tun. Die Herrscher wechseln, die Familienmitglieder bleiben an Schalthebeln der Macht, jeweils als treuer Diener der jeweils herrschenden Ideologie.
Nur wem/was dient unser heutiger Bundesverteidigungsminister?
Ich weiß es nicht.
Kann man ihm über den Weg trauen?
Leider ebenfalls: Ich weiß es nicht.
Wohin soll unser Land durch Merkel und ihren treuen Diener Thomas de Maizière geführt werden? Was bedeutet das für die Bundeswehr?
@Sun Tzu
Kurz gefasst sagen Sie da oben, die Innere Führung diente den Interessen des Warschauer Paktes.(Auch wenn es bewusst schwammig formuliert wird Es gibt aber auch die spekulierende Interpretation.) Aha. Kann man so sehen. Vermutlich war auch die Kapitulation Deutschlands 1945 ein schwerer Rückschlag im Kampf gegen den Weltkommunismus und damit ein entscheidender Fehler der Alliierten…
Wo liegt das SiPo Interesse der BRD/EU militärisch, prinzipiell über 87a hinaus aktiv zu sein (ohne die Berücksichtigung der Interessen der Familie d.M.)?
@Sun Tzu
„Nur wem/was dient unser heutiger Bundesverteidigungsminister?“
Wenn ein Verteidigungsminister offen erklärt, dass die Bundeswehr künftig noch stärker ohne Bezug zu nationalen Sicherheitsinteressen Deutschlands eingesetzt werden soll, stellt sich automatisch die Frage, für wessen Interessen er sie denn sonst eingesetzt sehen will. Auf diese Frage sollte der Minister eine Antwort geben können, denn sein Amtseid verpflichtet ihn auf deutsche Interessen („meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“) und nicht etwa auf die der USA.
@T. Wiegold
„Vermutlich war auch die Kapitulation Deutschlands 1945 ein schwerer Rückschlag im Kampf gegen den Weltkommunismus und damit ein entscheidender Fehler der Alliierten…“
Vermutlich wollten Sie mit diesem Vergleich nur die Kritik an der InFü als absurd erscheinen lassen, aber man könnte hier z.B. Winston Churchill zitieren, der nach dem Sieg über Deutschland und den darauf folgenden Problemen mit den Sowjets erklärte, dass man „das falsche Schwein geschlachtet“ habe ;-)
@Sun Tzu
1. Scheint, Sie haben einen shockwave-Kommentar in Aag formuliert ;-)
2. Ich teile Ihre message,
3. „Mitnehmen“ funktioniert nicht mehr nach den Reflexen der pre-web spin doctors.
4. Historische Integrität von Botschaft und Botschafter sind heute entscheidend.
5. Botschaften müssen konkret (objektiv nachvollziehbar) sein
6. Botschafter müssen fachlich dialog- bereit, und -fähig sein
7. Reflexion der persönlichen politischen Reflexe ist der Preis für Wählerstimmen
@ T.Wiegold | 29. Mai 2012 – 18:29
Ach Herr Wiegold, schauen Sie doch einfach auf das, was ich schreibe. Dieses undifferenzierte interpretative „in den Mund legen“ halte ich für unredlich.
Da ich davon ausgehe, dass Sie auch andere Kommentare von mir in Ihrem Blog gelesen haben, dürften Sie wissen, dass ich ein Anhänger des Prinzips der inneren Führung bin. Warum versuchen Sie da, unter mutmaßlich bewusstem Missverstehen, mich in eine eigenartige Ecke zu stellen? Was wollen Sie mit derartigen „Moderationseingriffen“ erreichen?
Zu einem diskursiven Abwägungsprozess gehört nun mal auch, andere Meinungen darzustellen. Ohne Scheuklappen versteht man diese Welt nun mal besser.
Zudem gilt es auch bei Dingen wieder inneren Führung Vorteile und Nachteile abzuwägen. Wer potenzielle Nachteile aus ideologischen Gründen ausschließt, kommt nicht zu einem sachgerechten Ergebnis. Hier käme z.B. die Diskussion Führen mit Auftrag vs. Befehlstaktik, bei der ich trotz ihrer Schwächen Führen mit Auftrag für überlegen halte. Nur sollte man sich dieser Schwächen eben auch bewusst sein.
Was TdM da sagt ist: Die Bundeswehr soll halt Truppensteller für US Amerikanische Kriege werden. Und das bitte ohne Widerworte.
England und Frankreich sind bereits gleichgeschaltet und schicken brav ihre Schiffchen hinter amerikanischen Flugzeugträgern hinterher, um Länder im Orient zu bedrohen.
Ganz deutlich als Frankreich die libyen die no-fly-zone herbeibombte, als die Tinte noch nicht trocken war.
Ich habe mal 2 jahre in Frankreich gelebt: Wenn ich einen übereifrigen Franzosen sehe, weiß ich, daß etwas faul ist.
Wie sollte nochmal die Neuausrichung der Nato aussehen? Britische und französische Kampftruppen, deutsche Führung und Logistik, und Washington befielt. Nein Danke.
Ich hätte gerne die deutsche Souveränität zurück.
@Sun Tzu
Nun, wenn sie erst konzedieren Es gibt aber auch die spekulierende Interpretation, dann aber auf Basis eben dieser Interpretation die Argumentation weiter führen, laden Sie zu solchen Vermutungen ein.
Des Ministers Äußerungen passen auffallend zu denen des US-Präsidenten gestern: „But as Commander-In-Chief, I can tell you that sending our troops into harm’s way is the most wrenching decision that I have to make. I can promise you I will never do so unless it’s absolutely necessary….“
http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2012/05/28/remarks-president-commemorating-memorial-day
Obama verhält sich hier wie ein verantwortungsvoller Staatsmann und kündigt die Begrenzung des Einsatzes von Streitkräften auf zwingende Fragen des nationalen Interesses an. Ganz anders Thomas de Maiziere, der die eigenen Interessen praktisch für nichtig erklärt und weniger Hemmungen zu kennen scheint, eigene Soldaten „into harm’s way“ zu senden und nach eigenen Worten eine „Verpflichtung“ darin sieht, den Amerikanern die jetzt offenbar benötigten Kräfte für die weniger dringenden Fälle zur Verfügung zu stellen. So eine willige Haltung dürfte den streng an ihren eigenen Interessen orientierten Amerikanern sehr gelegen kommen. Die langfristige Investition in transatlantische Netzwerke hat sich für sie wieder einmal gelohnt.
„Auch nach 2014 wird Afghanistan unsere Hilfe brauchen, gerade auf dem Gebiet der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. Deutschland steht zu seinen Hilfszusagen – aus Verantwortung gegenüber dem afghanischen Volk und weil es deutschen Interessen dient. “ Wenn man dieses Versprechen (!) ab 2015 konsequent unsetzt (train, advise assist), dann ist die Bw bereits an oder über der Leistungsgrenze.
Aber man kann ja trotzdem einfach mal so weiter rum schwadronieren.
Der Mann wird immer mehr zu Jung 2.0 („Süddeutsche sollen ihren Beitrag leisten…“).
ab welchem punkt sehen die werten diskutanten denn deutsche interessen bedroht? das ganze stur auf das territorium der bundesrepublik zu beschränken greift ja doch irgendwie zu kurz.
nehmen wir z.B libyen im letzten jahr. was wäre passiert hätten die europäer (plus amerikaner) einfach die hände in den schoß gelegt und abgewartet? gibt es da einen punkt an dem die regierung handeln MUSS oder beruht das außenpolitische selbstverständnis darauf das briten und franzosen sowas schon irgendwie richten werden?
@Andreas – Die Frage die man sich stellen sollte ist: „Gewinnt man etwas durch Intervention“?
Am Beispiel Libyen:“ Ein „kontrollierbarer“ Diktator am Mittelmeer sollte uns lieber sein als wütende muslimische Massen die zum Dschihad aufrufen“ = Keine Intervention hätte im Interesse Deutschlands gelegen.
Am Beispiel Piratenüberfälle:“ Wir besitzen eine der größten Handelflotten der Welt (wenn auch indirekt) und sind eine ressourcenarme Exportnation“ = Wir haben ein nationales Interesse daran die Handelswege offen und sicher zu halten.
@Bang50 | 29. Mai 2012 – 23:45:
Wo sind denn die „wütende(n) muslimische(n) Massen die zum Dschihad aufrufen“ in Libyen?
@Andreas
„ab welchem punkt sehen die werten diskutanten denn deutsche interessen bedroht? das ganze stur auf das territorium der bundesrepublik zu beschränken greift ja doch irgendwie zu kurz. nehmen wir z.B libyen im letzten jahr. “
Im Fall Libyens haben die Amerikaner und ihre Verbündeten eine Regierung gestürzt, die zuverlässig militante Islamisten bekämpfe, Flüchtlingsströme von Europa abhielt und durch kooperative Erdölpolitik zu einem niedrigen Erdölpreis beitrug. Dank ihres Eingreifens herrscht dort jetzt Chaos, innenpolitische Probleme verstärkende Flüchtlinge dringen verstärkt nach Europa vor, militante Islamisten die z.B.im Irak und in Afghanistan kämpften spielen eine wichtigere Rolle als je zuvor und die Zuverlässigkeit der Erdölversorgung ist stark beeinträchtigt. Selbst in den USA haben viele professionelle Beobachter nicht verstanden, warum die Regierung hier interveniert hat. Deutschen Interessen hat die Intervention m.E. eindeutig nicht gedient.
In Syrien hat man es mit ähnlichen Problemen zu tun. Bestimmte Kräfte erzeugen große Aufregung, die viel mit gefühlten humanitären Problemen zu tun hat, ohne dass aber auch nur grob beschrieben werden könnte, wer denn eigentlich die Opposition ist und was sie will. Die bestätigten Informationen über diese Opposition sind nicht gerade beruhiged und deuten darauf hin, dass eine durch sie gebildete Regierung für deutsche Interessen schlechter wäre als die gegenwärtige. Dennoch wollen manche Kräfte in den USA dort ohne Notwendigkeit eine militärische Intervention herbeiführen, für die sie offenbar militärische Unterstützung aus Deutschland wünschen und dies hinter viel humanitäter Rhetorik verbergen, was von manchen deutschen Ministern in Form von „Verpflichtungs“-Floskeln etc. aufgegriffen wird.
Wer außerhalb von Verteidigungssituationen für den Einsatz deutscher Soldaten in einem bewaffneten Konflikt eintritt sollte direkt erklären können, welchen deutschen Interessen (im Idealfall Schutz von Bevölkerung, Territorium, politischer Handlungsfreiheit und Wohlstand) dies dienen soll und wie seine Strategie aussieht. Wer dies nicht erklären will oder kann und sich hinter Floskeln verschanzt, agiert m.E. nicht aufrichtig und hat etwas zu verbergen.
@zog
„Wo sind denn die “wütende(n) muslimische(n) Massen die zum Dschihad aufrufen” in Libyen?“
Diverse islamistische Gruppen spielen seit den Umstürzen in ganz Nordafrika eine wichtigere Rolle als zuvor. Deutsche Medien sind nur sehr zurückhaltend dabei, dies anzusprechen. Diese Medien hatten während der Umstütze den unzutreffenden Eindruck erweckt, als würden hier hauptsächlich kosmopolitische Jugendliche mit iPhone und Twitterzugang protestieren. Am deutlichsten erkennbar sind die Entwicklungen in Tunesien und Ägypten, wo Islamisten bei den Wahlen sehr erfolgreich waren. Zum Thema Islamisten in Libyen nur ein Artikel aus der NYT: http://www.nytimes.com/2011/09/15/world/africa/in-libya-islamists-growing-sway-raises-questions.html
Diese Kräfte halten sich dank der neuen Unterstützung v.a. durch die Amerikaner vorerst zurück, aber sie könnten sich noch als schwierige Partner herausstellen, so wie es schon einmal geschehen ist.
@Orontes | 29. Mai 2012 – 23:58 Nachtrag:
Ja, ist alles bekannt, beantwortet aber nicht die Frage, insbesondere da die Frage auf Libyen abzielte und nicht auf Ägypten und Tunesien.
@zog
Den Link zu einem Artikel der beschreibt wie militante Salafisten z.T. mit Al-Qaida-Bezug wichtige Funktionen in Libyen übernommen haben hatte ich doch beigefügt.
Mit den Saudis kommt man ja auch zurecht, aber ganz unproblematisch sind diese neuen Nachbarn m.E. dann doch nicht, und ob sie bessere Nachbarn sein werden als Gaddafi es zuletzt trotz seiner Sprüche war bezweifele ich noch.
@ Andreas
Bei den Lybien-Einsatz darf man nicht die Rolle von Saudi-Arabien vergessen.
Als Geldgeber für diesen Feldzug und als einer der größten Erdöllieferanten bestimmt es wesentlich die Politik im Nahe Osten. Gaddafi war dem Saudischen König zu mächtig geworden um die Hegemonie im arabischen Raum. Deshalb musste er weg.
Die Opposition in Syrien wird ebenfalls von Saudi-Arabien unterstützt und gleichzeitig der schiietische Aufstand in Bahrein mit saudischen Panzern niedergeschlagen.
Die Welt regt sich darüber nicht auf, da Saudi Arabien ja angeblich ein Freund des Westen ist.
Um ihre Frage zu beantworten. Hätte der Westen in Lybien nicht eingegriffen, hätte Gadaffi den Aufstand niedergeschlagen und wäre heute noch im Amt. Man mag das gut oder schlecht finden, aber die Welt hätte sich trotzdem weitergedreht und mit Gaddafi weiter gute Erdölgeschäfte gemacht.
Sie haben Ihren Beitrag mehrfach editiert, als ich meine Antwort schrieb, war der Link noch nicht da. Mittlerweile ist der Bericht auch deutlich überholt, September 2011 ist nun nicht gerade aktuell. Letztes Jahr wurde ja insbesondere mit diesem Mann viel Propaganda getrieben, als ob Libyen kurz vor der Übernahme durch AQAM stünde. Bisher hat sich nichts davon bewahrheitet. Abdelhakim Belhadj ist mittlerweile sogar als Führer des „Tripoli Military Council“ zurückgetreten, um ein politisches Amt ausüben zu können. Wo also liegt das Problem? Dass jetzt Leute die Führung innehaben, die nicht für Geld die Drecksarbeit für andere Länder machen wollen? Denen möglicherweise libysche Interessen wichtiger sind als die anderer Länder?
@Bang 50
problem ist nur das sich die innenpolitischen vorgänge in solchen ländern nicht zwingend nach unseren vorstellungen entwickeln. faktum ist das es eine bewaffnete opposition gegen gaddafi gab und diese ab dem frühjahr 2011 gegen ihn kämpfte. entscheide ich mich das ganze zu beobachten (nicht eingreifen) riskiere ich einen langwierigen bürgerkrieg und das inmitten einer region die ohnehin schon brennt.
will ich das nicht muss ich partei ergreifen, und gleichzeitig akzeptieren das es hin und wieder nur die wahl zwischen pest und cholera gibt.
@ Bang50 | 29. Mai 2012 – 23:45
Zitat: „Am Beispiel Libyen: Ein “kontrollierbarer” Diktator…“
War er wirklich kontrollierbar? Ich habe da so meine Zweifel. Insbesondere da Gaddafi anfing, Milizen aus ganz Afrika auszubilden. Wir sehen ja gerade in Mali, was ehemals libysche Söldner da anrichten und wie sie destabilisierend wirken.
Ich wage mal eine Hypothese: Hätte Gaddafi nicht angefangen, in der AU falsch zu spielen und zu lügen, würde er sich heute noch von seinen Krankenschwestern verwöhnen lassen können.
@ zog | 29. Mai 2012 – 23:58
Zitat: „Wo sind denn die “wütende(n) muslimische(n) Massen die zum Dschihad aufrufen” in Libyen?“
Sichtbar zur Zeit: In Mali! Von Gaddafi ausgebildet und bewaffnete Tuareg-Rebellen verbünden sich da gerade mit Islamisten und versuchen einen Teilstaat zu bilden. Hätte die Nato diese bewaffneten Kräfte in Libyen weggebombt, als sie noch für Gaddafi kämpften, hätte man nun nicht Mali als Problem auf der Agenda.
@ Orontes | 29. Mai 2012 – 23:58
War Gaddafi wirklich das, was Sie beschreiben? Ich habe da meine Zweifel. Offenbar wollte er so was wie der Pate Afrikas werden. Da weiter zuzusehen, war nicht in unserem sicherheitspolitischem Interesse.
@ zog | 29. Mai 2012 – 23:58:
Libyen? Mali! Soso…
Mal ganz davon abgesehen, dass die Tuareg alle paar Jahre einen mehr oder weniger großen Aufstand veranstalten, kämpften Teile der jetzigen MNLA während der Revolution in Libyen sowohl auf Seiten Gaddafis als auch auf Seiten der Revolutionäre. Die sind mitnichten von Gadaffi ausgebildet und bewaffnet.
Aktuelle Schätzungen beziffern die MNLA & Co. auf weniger als 4.000 Kämpfer. Informieren Sie sich doch mal über die Zahl der Menschen in den Ländern der trad. Tuareg-Gebiete und überlegen sich dann, ob „Massen“ wirklich der richtige Begriff ist.
@Sun Tzu
„War er wirklich kontrollierbar? Ich habe da so meine Zweifel.“
In den 80ern war Gadddafi ein viel größeres Problem. In den letzten zehn Jahren dürfte sich aber kaum ein ernsthaftes Problem finden lassen, dass durch Libyen für deutsche Interessen (oder auch amerikanische Interessen) entstanden ist. In zentralen Fragen wie Proliferation, Migration, Terrorismusbekämpfung und Energie hat Gaddafi seit langem kooperiert. Die Probleme, die es jetzt in Mali gibt (und vielleicht demnächst in anderen Staaten wenn z.B. doch noch eine funktionsfähige SA-7 aus libyschen Beständen auftaucht) sind umgekehrt Folge des Sturzes Gaddafis.
@ Orontes | 30. Mai 2012 – 0:40
Zitat: „Die Probleme (…) sind umgekehrt Folge des Sturzes Gaddafis.“
Genau in diesem Punkt haben wir möglicherweise ein Henne- Ei Paradoxon als Differenz.
Gaddafi hat meiner Meinung seit einigen Jahren angefangen, in vielen afrikanischen Staaten unter dem Deckmantel der „Zusammenarbeit“ und „Entwicklungshilfe“ ein System aus Milizen und Lakaien aufzubauen, was ihn mittelfristig zum Herrscher Afrikas machen sollte. Dies galt es u.a. zu stoppen, damit diese Strukturen nicht größer werden konnten. Dass man nun ein Problem mit schon aufgebauten Strukturen hat, ist zwar lästig, aber letztendlich für unsere Sicherheit nicht wirklich von Bedeutung. Gäbe es aber in Mali (um im Beispiel zu bleiben) schon Strukturen, die eben aus den 4000 Mann wesentlich mehr machen könnten, wäre das schnell für uns sicherheitspolitisch relevant. So wird Ecowas hoffentlich selbst mit Aqim, Ansar al Din und MNLA fertig.
@zog – Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Stellen Sie mir die Frage in 10 -15 Jahren nochmal. Ich wette das Sie sich die Frage dann selber beantworten können.
@Andreas – Da stimme ich Ihnen zu. Das kleinere Übel zu wählen ist nicht einfach und oft liegt man auch falsch (wie z.b die Amerikaner immerwieder erleben müssen).
Genau hier sind wir dann in einem schmutzigen Spiel angekommen, in dem die „Guten“ sich nicht von den „Bösen“ unterscheiden und „Richtig“ bzw. „Falsch“ nahe beieinander liegen.
Ich für mich glaube nicht daran das wir unsere Freiheit verteidigen können, wenn man sich streng an Gesetze klammert die wir in unserem Elfenbeinturm fabrizieren. Vielleicht werden wir irgendwann zu der Einsicht genötigt werden, das eine freie Gesellschaft nur existieren kann, wenn sie sich im Hinterhof einen Höllenhund hält der für das alles steht was wir eigentlich verachten.
@Sun Tzu – Ja das Problem sehe ich genauso. Ich sage auch nicht das Gaddafi unsere „Traumbesetzung“ gewesen wäre. Würde man intensiv darüber nachdenken, würde man sicher auf elegantere Lösungen kommen. Meine Kritik bezieht sich darauf das man bei der Intervention in Libyen anscheinend überhaupt nicht nachgedacht hat, welche geostrategischen Konsequenzen daraus erwachsen.
Bang50 | 30. Mai 2012 – 1:06
@zog – Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Stellen Sie mir die Frage in 10 -15 Jahren nochmal. Ich wette das Sie sich die Frage dann selber beantworten können.
Mit anderen Worten: Anstatt eine wirkliche Antwort zu geben, weichen Sie lieber aus.
Fast wie grünlinken Gutmenschen, Meinung nach Gefühl, nicht nach Argumenten.
@ Bang50 | 30. Mai 2012 – 1:06
Hat man vielleicht beherrschbare kurz- und mittelfristige geostrategische Verwerfungen in Kauf genommen, um eben das zu lange geduldete aufbauen eines langfristigen gigantischen Problems zu verhindern?
So nach dem Motto: Was hätte wohl die Welt gesagt, wenn die Franzosen 1936 in Deutschland einmarschiert wären und Hitler erschossen hätten …
Zum Thema „Höllenhund im Hinterhof“: Brauchen wir also doch den hier, auch wenn er manchmal Mist baut?
http://www.youtube.com/watch?v=4_LfaoMZm1E
schon witzig wie bischen Möbel hier Leben ins Forum treibt und mit schließung ja jede menge Möbel rausgeschmissen werden , da würde der eine oder andere Schreibtisch bestimmt frei mit guten Zustand .und Regal auch
Hier geht auch um , sehr wichtigen thema ob wir nicht schon Kalten Krieg 2.0 angekommen sind .
Naja F 22 und F 35 gegen taliban und Steelzertörer .
Man würde die Inf Btl erst mal ausstaten
Die USA Planen ja alle MARPS auszumuster oder Fremdenzweckt noch einzusetzten
und momentan sind Ketten Fahrzeuge in Entwicklung gegen Taliban ?
Naja da könnte man in 2-3 jahre die PzTruppe anschliesend Umbauen auf die neue Herrausfoderung , den USA China und Russland bauen schon an der Veralteten Panzereinheiten , übrigend Handgranaten wurden auch vor dem 1Wk eingestuft
Wie sich Libyen unter Ghadaffi weiterentwickelt hätte werden wir nie erfahren – und damit auch nicht was die bessere Entscheidung gewesen wäre.
Kurzfristig sehe ich die kritischen Aspekte im Vordergrund, wie Orontes sie darstellt, langfristig möchte ich aber auch Sun Tzus Argumente nicht in Frage stellen.
Unabhängig von dieser Diskussion kann Libyen ein Testfall für den Umgang mit demokratischen arabischen Staaten werden, in denen starke islamische und z.T. islamistische Kräfte in der Politik vertreten sind. Bisher klammerte der Westen sich geradezu verzweifelt an autokratische Herrscher im arabischen Raum und akzeptierte demokratische Regierungen nur, wenn diese westliche Interessen vertraten (als Gegenbeispiel die Hamas im Gazastreifen).
Nun besteht in Libyen die Möglichkeit, dass gerade durch eine westliche Militäraktion islamische bzw. islamistische Kräfte in Regierungsveranwortung kommen.
Diese Situation gilt es auszunutzen und Modelle der Zusammenarbeit zu entwickeln, die auch über Libyen hinaus tragfähig sind (z.B. für die Zusammenarbeit mit den Moslembrüdern in Ägypten).
Bisher hat der Westen noch keinen Weg gefunden, den starken politischen Islam in den arabischen Ländern in seine Politik zu integrieren. Vielmehr herrschen abschreckende Beispiele wie der Einmarsch Äthiopiens in Somalia vor.
Es wird also Zeit.
@ Alarich
Egal welches Übersetzungsprogramm Sie benutzen, versuchen Sie mal ein anderes. Sie richtig kann ich das nicht verstehen.
@ KB
Da sind wir wieder beim alten Problem. Wer A sagt, muss auch B sagen können und das haben wir nicht so richtig. Wenn man Berichte vor Ort aus Libyen hört, dann bekommt man das Grausen. Als Frau möchte ich da gerade nicht leben.
@K.B.
„Bisher hat der Westen noch keinen Weg gefunden, den starken politischen Islam in den arabischen Ländern in seine Politik zu integrieren.“
Eventuell liegt es daran, dass der „starke politische Islam“ ein klarer Antagonist zu allem ist, wofür „der Westen“ steht (z.B. Iran)?
Mir fällt spontan Saudi Arabien als „Integrationsbeispiel“ ein…
Ein „sympathisches“ Land, das vieles darf – auch islamistischen Terror fördern- solange genug Öl fließt.
Mir laufen jedenfalls regelmäßig Schauer über den Rücken, wenn ich sehe was fanatische Menschen im Namen eines Glaubens zu tun bereit sind – gerade weil sie durch ihren Fanatismus elementare mennschliche Hemmschwellen noch leichter überwinden.
Die Kreuzzügler und Inqisitoren des Mittelalters wären mir dabei ähnlich unheimlich gewesen wie die heutigen Islamisten…
Die Geschichte wird zeigen, ob der arabische Frühling der Anfang eines neuen Großkonfliktes ist, oder tatsächlich tatsächliche der Aufbruch in die nette Welt der IPhones und weltweiten Facebookfreunde und des Gendermainstreaming ist…
—————————————————-
Kurz und mittelfristig destabilisiert der Zusammenbruch Lybiens jedenfalls ganz Nordafrika – siehe Mali.
(Und es wird sich zeigen, ob es bei Mali bleibt.)
@Thelamon
[…] Die Kreuzzügler und Inqisitoren des Mittelalters wären mir dabei ähnlich unheimlich gewesen wie die heutigen Islamisten…[…]
Im Sprachgebrauch gibt es keine Christen. Der „Feind“ ist der Islam und was oder wer sind wir?
In dem von ihnen beschriebenen Mittelalter, war die Welt eindeutig. Auf der einen Seite die Christen auf der anderen Seite die Moslems. Wir werden heute als „die westliche Welt“ bezeichnet. Was immer das auch ist? Dennoch ist es für Moslems doch wohl so, dass diejenigen, die ihre Glaubensbrüder- und Schwestern morden, Christen sind.
Wobei die, ebenfalls gängige, Bezeichnung Ungläubige wohl am ehesten auch für unser eigenes Selbstverständnis, zutrifft.
Eine dieser „zusätzlichen Verpflichtungen“ könnte – zumindest theoretisch – jetzt am Horizont auftauchen, wenn man den jüngsten Äußerungen des neuen französischen Präsidenten François Hollande Gewicht beimisst:
http://www.reuters.com/article/2012/05/29/us-syria-crisis-france-un-idUSBRE84S16720120529
Hollande macht das militärische Eingreifen in Syrien freilich von einem einschlägigen UN-Mandat abhängig, wozu es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht kommen wird (wg. China und Russland).
Aber wie würde sich Deutschland in so einem Fall positionieren? Deutsche Tornados über Homs, also „Kreuzritter“ in der Wahrnehmung vieler Moslems?
@ chickenhawk | 30. Mai 2012 – 10:53 – – –
[…]Hollande macht das militärische Eingreifen in Syrien freilich von einem einschlägigen UN-Mandat abhängig, wozu es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht kommen wird (wg. China und Russland)[…]
Wie Herr Hollande auch weiß und was er trefflich in seine Rhetorik einzubauen weiß. Die Ausweisung der syrischen Botschafter kann ich mir zwar erschließen, will es aber nicht als geeignete Maßnahme ansehen.
[…]Aber wie würde sich Deutschland in so einem Fall positionieren? […]
Solange man nicht deutlich ablesen kann, was man warum in Syrien will und unter Hinweis der Konstellation im UNSR maße ich mir nur folgende Antwort an: man wird sich bzgl. Syriens was „neues“ überlegen müssen. Ein frz. Flugzeugträger mit/ ohne deutscher bzw. NATO-Begleitung bringt in Damaskus mE momantan niemanden um den Schlaf. Da gibt es anderes.
@Thelamon | 30. Mai 2012 – 10:02 – – –
Saudi-Arabien ist in der Tat ein interessantes Spekulationsobjekt. Wirklich wissen kann man aber mE momentan zu wenig, wie sich die USA das in Zukunft vorstellen und postulieren kann man zur Zeit sehr mannigfaltig.
@ Sun Tzu – Ob die Entscheidung in Libyen richtig war, werden wir langfristig sehen. Ich hoffe es wirklich aber habe meine Zweifel.
Gaddafi wäre die kurzfristige Lösung gewesen mit der man den status quo noch ein paar Jahre aufrecht erhalten hätte können. Doch wie bei jedem Diktator kommen die Probleme wenn der alte Diktator abdankt und sich neue Kräfte durchsetzen. Wenn man die Intervention des Westens vor diesem Hintergrund betrachtet war sie vielleicht gar nicht so schlecht, da man darauf spekuliert bei den neuen Machthabern durch die Intervention beliebt zu sein.
Doch gerade in Libyen haben wir durch die Intervention nicht dafür gesorgt das auch die an die Macht kommen, welche uns positiv gewogen sind (wie z.b die liberale Studentenschaft). Jetzt haben wir eine diffuse Situation bei der viele Spieler auf dem Feld sind. Ähnliche Situationen haben in muslimischen Ländern immer dafür gesorgt das sich im Zweifel die religiösen radikalen Kräfte durchsetzen, da sie durch ihren Glauben an Allah vereint sind und finanziell aus dem Ausland unterstützt werden. Was ihnen einen enormen Vorteil gegenüber rein innländischen Bewegungen verschafft. Die Entwicklung in Libyen gibt momentan wenig Hoffnung das es nicht so laufen wird.
Wie sehen Sie die mögliche Entwicklung?
bzgl. Höllenhund:
Das ist ein Sauerteig an dem ich schon lange schwer verdaue.
Wenn man sich das Paradoxon der Freiheit vor Augen führt wonach eine freie Gesellschaft niemals absolut frei sein kann (z.b gegenüber denjenigen welche diese Gesellschaft verachten) ohne diese Freiheit abzuschaffen, so könnte man sagen das die Freiheit auf der einen Seite der Gleichung steht und die Unfreiheit auf der anderen.
Der Ausschnitt aus dem Film „Eine Frage der Ehre“ ist wie ich finde selten schön gelungen. Ich habe den Film bestimmt inzwischen 10mal gesehen und ich weis bis heute nicht welcher Seite ich recht geben soll. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht möglich weil wir es eben genau mit diesem Paradoxon zu tun haben.
Auf der einen Seite haben wir den Anwalt stehen, welcher unsere Werte verteidigt aber durch ihre absolute Gültigkeit die Gesellschaft bedroht. Auf der anderen Seite haben wir unseren Höllenhund der sich nicht um Werte oder Normen schert aber dadurch die Gesellschaft verteidigt.
Sie gehen eine bizarre Symbiose ein in dem sie als die beiden Seiten der Gleichung dienen und dafür sorgen das die Gleichung sich auch ausgleichen lässt.
Vielleicht brauchen wir also tatsächlich unseren Höllenhund um die freie Gesellschaft in schwierigen Zeiten zu bewahren.
@ Bang50
Ich habe den Film nicht gesehen, aber kann mir das Dilemma vorstellen. Wir sollten es uns jedoch nicht zu einfach machen: Ein festes Wertesystem bewährt sich nicht nur in Schönwetterlagen. Wenn bei dem geringsten Gegenwind ein Wert an Bedeutung verliert und verdrängt wird, dann ist er nichts „wert“. Werte beweisen sich glaubwürdig also erst, wenn sie dem Sturm trotzen und sich nicht so ohne weiteres verbiegen lassen. Bei den Höllenhunden ist es genau umgekehrt. Es ist bequem, sich ihrer zu bedienen und sie nach Gutdünken zu nutzen. Niemand weiß aber, wem sie wirklich gehorchen. Und niemand kann erahnen, ob sie auch längerfristig auf unserer Seite stehen. Denn Höllenhunde gibt es viele und überall. Sie werden, wenn man ihnen nachgibt, immer größer, gefräßiger und unzähmbarer. Lieber halte ich mich also an überzeugende Werte – und wenn sie auch bisweilen im Wege zu stehen drohen – als vor die Hunde zu gehen.
Ich weiß, das war jetzt reichlich abstrakt. Aber vielleicht gar nicht so lebensfern.
Noch kurz zum Thema Libyen und arabische Welt:
Auch wenn jedes Land dort anders zu sehen ist, werden wir uns – auch in eigenem Interesse – generell damit abfinden müssen, hier kurzfristig nur wenig Einfluss zu haben. Und wir werden auch Entwicklungen akzeptieren müssen, die uns vielleicht nicht ganz so gut gefallen. Das heißt aber nicht, dass wir auf ein bloßes Zuschauen beschränkt wären. Der Schlüssel in der arabischen Welt liegt m.E. bei der dortigen Jugend, die zahlenmäßig weit überwiegt und zugleich sich selbst als perspektivlos empfindet. Wie das durch religiös-extremistische Kräfte genutzt werden und wo das enden kann, lässt sich unschwer abschätzen. Perspektiven in Form von Jobs, Freiheit und Selbstbewusstsein fördern – das ist das Zauberwort. Dumm ist nur, dass das nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Und mit Blick auf Syrien ist diese Erkenntnis zugegebenermaßen auch nicht sonderlich hilfreich.
Aber noch einmal: Indem wir unsere Werte über Bord werfen und die Höllenhunde loslassen, erreichen wir langfristig gar nichts.
@ KaLaBe
Zitat: „Der Schlüssel in der arabischen Welt liegt m.E. bei der dortigen Jugend, die zahlenmäßig weit überwiegt und zugleich sich selbst als perspektivlos empfindet.“
Vielleicht fangen wir bei der Herstellung von Perspektiven mal in den Ländern der EU an. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien bei knapp 50 %.
Im Zweifelsfall ist mir die Jacke (Europa) immer noch näher als die Hose (Nordafrika) !
@ Georg
Kein Widerspruch! Warum auch? (Allenfalls zur Frage, ob die Jacke wirklich näher ist als die Hose)
Naja wir werden doch schon auf den Nächsten krieg schon Eingeschworen ,
Syrien wegen angebliche Kriegsverbrechen naja es ist auch ein religöser Konflickt Sunniten und Salavisten gegen Alawiten , Mit gegen Strömung hört der Krieg bestimmt nicht auf
Und am Wochende gab es ein Bericht bei Kopp das der angebliche Ort gar nicht gibt nur ein anderer an der gleichen stelle der heißt jedoch ganz anders
Nun, wie die FTD berichtet, ziehen chinesische Banken ihre Einlagen bei französischen Banken zurück.
Ein Zusammenhang damit und mit Frankreichs Bankenengagement in Nordafrika, Griechenland und vor allem Libanon und Syrien in Zusammenhang mit der Wahl Hollandes und seiner gestrigen Forderung nach einer militärischen Syrien Option a la Lybien ist natürlich rein zufällig. Wahrscheinlich gehen die cinesischen Banker nun nach Madrid.
Und da wir Griechenland auch touristisch hängen lassen, gehen halt die Russen jetzt nach Griechenland.
Erst richtig spannend wird es, wenn Enders die strategische EADS Geschäftsführung übernimmt und sich nach USA und damit Saudi Arabien orientiert in der EADS Defence Sparte…..
Frau Merkel sollte einfach weiter die Eurobonds verhindern und dann werden bestimmte Kreise in Paris, London und Washington gezwungen sein, über diplomatische und zivile, anstelle von militärischen „quick fix“ Optionen nachzudenken.
ach ja, wenn die USA, Frankreich und GB und mittlerweile offenbar sogar Israel sich weiterhin zu „Höllenhunden“ des Hauses S’Aud machen wollen, dann ist das deren historisch strategisches Versagen.
Irgendwann wird man diese Periode als die „Arabischen Einigungskriege“ bezeichnen, und Historiker werden sich den Kopf zerbrechen wieso andere für die Golfaraber deren Einflußzone (und vielleicht einmal deren Staat) mit Blut und Eisen schmiedeten.
Das wäre so als hätte Frankreich anno 1866 für Preussen Österreich besiegt.
Aber die Taktik, für kurzfristige Gewinne langfristige Katastrophen in Kauf zu nehmen ist ja das Mantra der Eliten des 21. Jahrhunderts, egal auf welchem Gebiet ;)
@ JCR
Ich fürchte, Ihre bittere Analyse trifft zu. Wieder einmal müssen wir erkennen, wie strategiearm die westliche Politik in der Praxis gestaltet wird. Niemand hat heute ein klares Konzept, was ein gewaltsamer Umbruch in Syrien – so sehr man sich ihn auf den ersten Blick auch wünschen mag – bewirkt, also welche unkontrollierbaren Kräfte er freisetzt und welche unliebsamen Überraschungen er mit sich bringt. Aber wir lassen es zu, uns nahezu widerstandslos zu neuen Abenteuern mit ungewissem Ausgang verleiten zu lassen. Eine wirkliche Chance der kritischen Reflexion haben wir in der Dynamik der Ereignisse, die durch höchst diffuse Interessen vorangetrieben wird, offenbar nicht. Vielmehr ist ein Eskalationsautomatismus in Gang gesetzt, den zu beherrschen wir leider kaum die Kraft besitzen.
Gegen die Vision eines vereinten Arabiens in ferner Zukunft ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden – wenn (!!!) es sich nach seiner Realisierung als verantwortlich handelndes Mitglied der Völkergemeinschaft entpuppt. Aber bis dahin ist es noch ein allzu weiter Weg und daher gegenwärtig kein Thema. Daher auch hier Zustimmung: Solange die wesentlichen Voraussetzungen für einen verlässlichen Staatsaufbau im Sinne der universell anerkannten Werte fehlen, sollten wir uns jedenfalls sehr gut überlegen, ob wir uns eine Einmischung „mit Blut und Eisen“ zumuten wollen – egal zu wessen Gunsten. Mit „wir“ meine ich übrigens die Völkergemeinschaft insgesamt bzw. zumindest den Westen. Und ich hoffe sehr, die deutsche Position manövriert uns nicht wieder in eine unmögliche Sonderrolle á la Libyen – das wäre die schlechteste aller Lösungen.