Piratenbekämpfung am somalischen Strand: Deutschland scheint ja zu sagen
Eine Ausweitung der EU-Antipirateriemission Atalanta, die den beteiligten Seestreitkräften – auch der Deutschen Marine – die Bekämpfung von Piraten-Logistik an der somalischen Küste erlaubt, wird immer wahrscheinlicher. Heute berieten die Verteidigungsminister der EU darüber und einigten sich – mit Zustimmung Deutschlands. Die endgültige Entscheidung auf EU-Ebene fassen allerdings die Außenminister am (morgigen) Freitag.
Die Nachrichtenagentur AFP zitiert den deutschen Parlamentarischen Staatssekretär Christian Schmidt, der in Vertretung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière an dem Brüsseler Treffen teilnahm:
„Die militärischen Verantwortlichen sagen, sie möchten auch die Schiffchen, die am Strand liegen und die unmittelbar zum Einsatz dienen können, unschädlich machen können“, begründete der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), nach den Beratungen in Brüssel die Zustimmung Deutschlands zur Mandatsausweitung. „Das war ein durchaus überzeugendes Argument.“
Mit dieser Ausweitung ist für die Deutsche Marine ein neues Bundestagsmandat erforderlich – um das die Regierungsparteien jetzt werben müssen: Die Sozialdemokraten hatten ihren Widerstand gegen diese zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten angekündigt.
„Schiffchen“ ist eine interessante Formulierung… wenn ich mir die aktuellen Piratenmutterschiffe ansehe,,,
Aber diese Mutter-Schiffchen liegen in der Regel nicht auf dem Strand, sondern bleiben im Wasser. Daher braucht es für die kein neues Mandat.
Nur die echten Schiffchen zieht man mal eben den Strand hoch und damit bisher Out-of-Area von ATALANTA.
SPON: StS Schmidt: „Nach wie vor muss Piraterie auf See bekämpft werden“.
Völlig falsch.
Dort muss sie be- oder besser noch verhindert werden. Bekämpfen muss man sie an Land, und zwar deutlich hinter der Küstenlinie.
An sich ist dieser Vorstoß zu begrüßen, meine Frage aber ist: Womit will man diese Boote und Schiffe zerstören?
Mit den beiden Sea Kings, die dort vor Ort sind?
Mit Spezialkräften?
Mit Tomahawks?
Hintergrund meiner Fragen ist folgendes: Es herrscht (wie eigentlich überall) ein eklatanter Mangel an Hubschraubern. Dies erklärt sich dadurch, dass die Luftwaffen Milliarden von Euros für weitgehend nutzlose Jets ausgeben, dafür aber an Hubschraubern sparen.
Dazu kommt noch die sehr überschaubare Anzahl an Schiffen vor Ort (momentan gem. SPON 4(!!). Wie viele davon Hubschrauber an Bord haben, mag ich mir gar nicht vorzustellen.
Vgl.(Kieler Nachrichten)
Das wird in ziemlichen vielen Marinen Europas sehr ähnlich sein und soll hier nur als Beispiel dienen.
Und was tut man, wenn doch mal ein Hubschrauber oder sogar Personal an Land in Not gerät? Wer holt die Kameraden dann raus?
Und wer jetzt sagt: „Na der zweite Sea King natürlich“, hat keine Ahnung.
Dies mag als Notlösung ja akzeptabel sein, darauf planen sollte man tunlichst nicht.
Schicken wir doch ein paar Eurofighter hin. Ist ja schließlich das Laserschwert der Bundeswehr, dann wird er wohl dafür auch gut sein.
Also: Ja zur Ausweitung, aber vorher BITTE das Gehirn einschalten und entsprechendes Material mit dem dazu gehörigen Personal zur Verfügung stellen.
[Links entfernt… aus bekannten Gründen. T.W.]
Eine Ausweitung des Mandats zur Piratenbekämpfung auch am Strand liegt zweifellos in der Logik eines konsequenten Vorgehens gegen diese neuen/alten Bedrohungen. Aber: Sie ist dennoch nicht die Lösung des Problems!
Die Piraterie am Horn von Afrika und auch anderswo gehört zu den klassischen Beispielen dafür, wie begrenzt die Wirkung militärischer Mittel ist und wie sehr es heute auf sehr viel weitreichendere, langfristiger wirksame Ansätze ankommt. Die Bekämpfung oder Eindämmung von Symptomen (= Piratenüberfälle) darf nicht davon ablenken, dass es viel mehr um die Ursachen geht. Im Falle der Piraterie sind dabei drei Aspekte bedeutsam: Erstens die (tatsächliche oder auch nur wahrgenommene) Perspektivlosigkeit großer Teile der sog. Dritten Welt, die durch die Globalisierung eher gewachsen als gesunken ist. Zweitens das Fehlen einer staatlichen Ordnung in den failed states wie Somalia, die für eine Durchsetzung nationalen und internationalen Rechts sorgen könnte. Der Staatszerfall bietet der Organisierten Kriminalität und dem Terrorismus ja geradezu einen idealen Nährboden. Und drittens die Tatsache, dass Piraterie wieder zu einem äußerst lukrativen Geschäftsmodell geworden ist (ich möchte nicht wissen, wer dabei hinter den Kulissen wie viel verdient).
Die „Schiffchen am Strand“ mögen also als Zielscheibe dienen, und das vielleicht auch mit Recht (falls ein zweifelsfreier Zusammenhang mit der Piraterie im Einzelfall hergestellt werden kann), aber ein wirklich konsequenter Ansatz zur Bekämpfung des Gesamtproblems geht sehr viel weiter. Allerdings ist klar: Ein sicheres Rezept gibt es hierzu wohl ebenso wenig wie schnelle Erfolge.
Einige Medien haben schon ganz konkrete Möglichkeiten hierzu veröffentlicht:
EurActiv.de will Deutsche U-Boote im Küstenvorfeld:
http://www.euractiv.de/globales-europa/artikel/pirateriebekampfung-an-land-maritime-optionen-deutschlands-006123
RP Online schlägt sogar Luftangriffe vor.
[Noch mal zur Erinnerung, dass Links zu den Webseiten deutscher Printmedien hier bis auf Weiteres nicht stattfinden…T.W.]
AP bringt heute eine interessante Meldung:
Piracy fighters use floating armories
Danach gehen maritime Sicherheitsfirmen mehr und mehr dazu über, schwimmende Waffenlager einzurichten: Die Waffen, welche die mit dem Schutz von Handelsschiffen betrauten Sicherheitskräfte benötigen, werden auf Schiffen zwischengelagert.
Damit umgeht man die strengen Vorschriften über das Führen von Waffen, die in den Abfahrts- und Ankunftshäfen gelten. Man bewaffnet sich einfach auf hoher See. (Deutsche Juristen werden bestimmt daran zu knabbern haben.)
http://www.msnbc.msn.com/id/46822968#.T2trgdCHOtI
@KeLaBe
„Im Falle der Piraterie sind dabei drei Aspekte bedeutsam: Erstens die (tatsächliche oder auch nur wahrgenommene) Perspektivlosigkeit großer Teile der sog. Dritten Welt, die durch die Globalisierung eher gewachsen als gesunken ist. “
Diese These ist im Fall der somalischen Piraten mehrfach widerlegt worden. Es handelt sich um organisierte Kriminelle, die aufgrund der erzielbaren Gewinne ihr Geschäft sowenig aufgeben würden wie die russische oder italienische Mafia dies im Fall einer verbesserten wirtschaftlichen Lage tun würden. Auch auf globaler Ebene trifft Ihre These nicht zu. Schauen Sie sich Indien, China und große Teile Ost- und Südostasiens oder Brasilien und Mexiko an. Die wirtschaftlichen Perspektiven von insgesamt ca. drei Milliarden Menschen haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren deutlich verbessert. Es mag noch etwas dauern, bis dies in der im Drittweltaktivismus der 70er Jahre erstarrten deutschen Diskussion ankommt, aber die Zahlen sind eindeutig. Im Vergleich zu solchen Orten sind es die Perspektiven Deutschland und Europas, die eher schlecht aussehen.
Pessimismus höre ich von lokal erfahrenen Menschen immer wieder auch bzgl. der Entwicklungsperspektiven großer Teile des afrikanischen Kontinents inklusive Somalias, wenn man mal von Rohstoffexporten absieht. Man redet ungerne offen darüber, aber die Essenz der Aussagen ist, dass keine Entwicklung stattfinden kann, wo die kulturellen Voraussetzungen dafür fehlen. Keine Hilfe der Welt könnte einen Ort wie Somalia vor sich selbst retten, aber ein paar Boote zu vernichten und Piraten zu töten ist im Vergleich dazu auf jeden Fall ein realistisches Ziel.
Ich hab weiterhin den Eindruck, dass man den nächsten Schritt macht (Einsatz an der Küste) bevor man den jetzigen Schritt (Bekämpfung der Mutterschiffe) wirklich ernsthaft durchgeführt hat. Gerade das BMVg hat ja die bekämpfung von Mutterschiffen über Jahre hin als unrealistisch dargestellt (auch das mal wieder ein Beispiel für die Politikberatung durch die militärische Führung).
Absicht müsste es doch sein den Aktionsradius der Piraten einzuschränken und sich nicht an der Küte ins Klein-.Klein von „Schiffchen“ zu verheddern.
Theoretisch gesehen sind die Mutterschiffe der gegnerische Schwerpunkt. – nicht die Kleinboote an der Küste.
@T.W.: Ich war der Ansicht, dass es um längere Zitate ging, die nicht mehr zulässig sein sollen, nicht das Posten eines Links allein. Sorry.
Kurze Zusammenfassung: Die Kieler Nachrichten meldeten gestern, dass im MFG 5 in Kiel immer öfter nur noch zwei oder drei Hubschrauber überhaupt zur Verfügung stehen. Dies ist, wie ich oben schrieb, inzwischen wohl vielerorts die Regel geworden.
@Uwe Sievert: Ich möchte Herrn Kapitän Albrecht sicherlich keine Fachkenntnis absprechen, denke aber trotzdem, dass U-Boote sicherlich hilfreich sein könnten, zur Verfolgung von Mutterschiffen o.ä. muss man sich aber nicht verstecken, hier kann auch aus entsprechender Entfernung aus der Luft aufgeklärt werden. Oder sogar von Kriegsschiffen aus. Ich sehe den Nutzen von verdeckten Operationen nicht. Schließlich will man auch zum großen Teil abschrecken und Präsenz zeigen.
Zusätzlich hat man sich vor Kurzem entschlossen, eine große Anzahl der deutschen U-Boote Klasse 206A aus der Fahrbereitschaft zu nehmen. Will man sich wirklich auf die paar einsatzbereiten 212er verlassen?
Es ist zB auch die Deutsche Marine regelmäßig mit Seefernaufklärern vor Ort, eben so wie zB Luxemburg: http://www.eunavfor.eu/2010/02/luxembourg-minister-of-defence-visits-eu-navfor-headquarters-london/
Seefernaufklärer sind also vor Ort und wohl deutlich flexibler als die relativ langsamen U-Boote.
Es dürfte also weniger darum gehen, die Stützpunkte der Kriminellen aufzuklären. Dafür ist und war genug Gelegenheit.
Jetzt sollte man sich Gedanken darüber machen, wie und womit man offensiv gegen die Basen und Stützpunkte sowie das Material vorgehen will.
Und das hoffentlich nicht mit nur zwei Hubschraubern.
@ Orontes
Ich würde Ihnen ja gerne zustimmen – und mit dem Hinweis auf „wahrgenommene“ Perspektivlosigkeit deute ich auch an, dass Behauptung und objektive Wahrheit keineswegs immer deckungsgleich sind.
Dennoch: Was für die von Ihnen angeführten Schwellenländer (und auch dort wäre ich mit einer Verallgemeinerung vorsichtig, die alle Bevölkerungsschichten und Minderheiten einbezieht) zutrifft, glit noch lange nicht für große Teile Afrikas. Dieser Kontinents findet einfach nicht aus der Misere und versinkt immer mehr in Hoffnungslosigkeit. Wobei es keineswegs nur um ökonomische Missstände bis hin zu Hunger und extremer Armut geht, sondern auch um ethnische, religiös bedingte und geradezu archaische Konflikte.
Sicherlich darf man nicht alles der Globalisierung anlasten, aber man braucht kein Globalisierungsgegner zu sein, um zu erkennen, dass auch wir Europäer im Sinne einer besseren Lastenteilung mehr Unterstützung leisten müssten – und sei es schlicht und einfach aus historischen Gründen der Kolonialzeit und ihrer Nachwehen.
Ich bin jedenfalls nicht der Meinung, es sei von vorneherein aussichtslos, Somalia oder andere zerfallene Staaten im Sinne einer langatmigen Hilfe zur Selbsthilfe „vor sich selbst zu retten“. Zumindest dürfen wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, und die von Ihnen zitierten anderen Beispielen dienen dabei ja auch als Ansporn. Ansonsten werden wir der Organisierten Kriminalität nie erfolgreich begegnen können.
Nun die Schiffe haben doch noch alle normale Geschütze? Der Hubschrauber klärt das Ziel auf und die Fregatte mit ihren Waffen kümmert sich darum. Denn nur mit dem Bord-MG des Helis ein Schiff zu zerstören kann ab einer gewissen Größe doch etwas dauern…
Alles in allem halt dies für einen Schritt in die richtige Richtung, die Piraten flexibel zu bekämpfen, wobei ich hoffe, dass sich die Welt auf Piratiebekämpfung beschränkt und nicht irgendwann die Demokratie nach Somalie bringen möchten.
Darf damit auch gegen die Piraten aktiv vorgegangen oder darf man nur das Material beschießen und nicht die Menschen?
Ich habe vor ein paar Tagen in einem anderem „ATALANTA-Mandats-Erweiterungsthread“ (Wort?!?) folgendes gepostet, ich passe es auf diesen Artikel an:
Natürlich wird mit der Neutralisierung/ Vernichtung der Piraterielogistik an Land das Übel der Piraterie noch nicht an der Wurzel gepackt bzw. ausgerottet, aber dieses Mandat ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Da ich nur begrenzt Kräfte zum Schutz des Welternährungsprogramms (Hauptauftrag OAA!) und zur Bekämpfung der Piraterie in einem riesigen Seegebiet habe, erscheint mir dieses durchaus zielführender als darauf zu warten, dass wir die Piraten evtl. auf See treffen.
Ich mache es mir sonst unnötig schwer, denn an Land sind die Positionen der Camps bekannt, auf See sucht man nach der Nadel im Heuhaufen.
Insgesamt sollte die EU – der ich im Übrigen ein solch “offensives” Mandat aufgrund ihrer “Zivillastigkeit” nicht zugetraut hätte – das Küstenvorfeld nur als solches benennen, um erst gar nicht eine “Meterdiskussion” bzgl. der Reichweite des Mandats aufkommen zu lassen.
Besondere örtliche Gegebenheiten könnten zudem auf diese Weise erfasst werden.
Und wem das nicht reicht bzw. zu weich ist, dem sollten mE 5 nautische Meilen landeinwärts wohl genügen, denn ein (noch) weiterer Anfahrtsweg würde die Piraten vor (noch) mehr logistische Probleme stellen und weniger flexibel machen.
Das Schöne an der verlängerten “Anreise” wäre dann allerdings, dass sie (noch) einfacher aufzuklären sind. Die Gegebenheiten vor Ort würden die Piraten zwingen, immer dieselben Routen zu nehmen, um unwegsames Gelände zu überbrücken.
Der kleine Fischer würde auch nicht das Geld für einen Transporter haben.
Das Mandat soll sich rein auf das Vernichten der Logistik beziehen und nicht auf Geiselbefreiung/ Nacheile, welcher Gestalt auch immer.
Der Landzielbeschuss durch bordeigene Mittel (Rohrwaffen) wäre durchaus wünschenswert, aber die fehlende visuelle Aufklärung bzw. Bestätigung, dass kein Mensch sichtbar vor Ort ist, kann am Besten durch den H/C oder ein MPA erbracht werden.
Der H/C/ das MPA sollte dieses auch vorher durch IR, Foto, o.ä. dokumentieren, sonst haben wir nach dem ersten Beschuss mit mal eine (ohnehin schon vorher) tote Person daliegen, um die Propoganda-Mär von den bösen ATALANTA-Nationen, die einfach ‘draufhalten, anzufeuern.
AL-SHABAAB im Süden könnte das gerade gut für eigene Zwecke missbrauchen.
Im Nachhinein kann man so etwas zudem schlecht gerade ziehen.
Der Hubschrauber ist mE zZt das Mittel der Wahl. Allerdings sind in Anbetracht der Geographie die 2 Sea King der BERLIN leider auch nur ein Tropfen auf dem (im wahrsten Sinne des Wortes) heissen Stein. Die H/C haben neben „ordentlicher“ Stehzeit vor Ort auch IR, fotographische/ “filmische” Möglichkeiten zur Dokumentation auch ein gutes Wirkmittel, das Kaliber 0.50 SMG dabei.
Für andere Operationen sind diese H/C im Zusammenspiel mit KS übrigens sehr gut geeignet, aber das nur am Rande.
Die Piratenmutterschiffe (gekaperte Schiffe) werden weiterhin ein Problem bleiben. Aber: auch die müssen von Land aus besetzt/ versorgt werden. Piraten „rotieren“ auch durch.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.
@ Alpha
Naval Gunfire Support (NGS) ist bei den deutschen Einheiten nicht möglich. Das gibt das Waffenleitsystem nicht her.
@Mittendrin41
So wie Sie das beschreiben, wird das Ganze binnen Tagen eine Insurgency, die Sie nicht mehr kontrollieren koennen…… die Piraten werden sich bei 5.1 Meilen sammeln …
die Ankuendigung des Verzichts auf Geiselbefreiung laedt ja dann geradezu zur Geiselnahme ein….
Sie werden wahlweise tote Fischer und tote Kinder in den Booten finden…..inkl. zugehoeriger Bilder in den Medien… und die fliegen schneller um die Welt als der Heli braucht, um zu seiner Fregatte zurueck zu kommen.
usw…
Ich sehe in Ihrem Vorschlag leider nur eine Verkuerzung aufs Militaerische, und dann auch nur Wirkungs-bezogen, aber nicht Auswirkungsbezogen….
Wo greift denn hier der Comprehensive Approach/ die Vernetzte Sicherheit?
@S.M.
Nein, es geht nach wie vor nur um das Zerstören von Logistik, wo man sie mit den bescheidenen, z.Vfg. stehenden Mitteln bekämpfen kann. Für weiterreichende Aufträge ist die Geographie SOM zu weitläufig, die Art der Piraten zu unterschiedlich und dieses auch nicht iS des Hauptauftrages von OAA. Eine Insurgency wäre überdies nicht im Sinne der EU, da man keine „Boots on the ground“ haben möchte.
Den Beitrag, den ich fast gleichlautend in einem ähnlichen Thread gepostet hatte, bezog sich u.a. auch auf einen Vorkommentator, der wissen wollte, wie das mit der Nacheile funktionieren könnte. Wenn man so etwas im Übrigen ausschließen möchte, würde man es auf jeden Fall nicht so explizit ins Mandat schreiben (wir Deutschen vlt. schon). Ich sage ja nicht, was ich nicht machen möchte, dafür hätte ich dann die (nicht öffentlichen) Caveats.
Aber lassen Sie die Piraten sich ruhig bei 5.1 Meilen sammeln, besser als bei 0.1, die Gegebenheiten vor Ort macht es den Piraten nicht unbedingt einfach(er). Wie Sie schon richtigerweise schreiben und damit das aufgreifen, was ich bereits schrieb, sind Bilder wie o.a. tödlich für eine Mission.
Das konnten Sie nicht besser unterstreichen, danke.
Natürlich beschränke ich mich in meinen Ausführungen auf das Militärische, da OAA zunächst vom Militär bereedert wird.
Das Capacity oder Nation Building oder was auch immer in SOM iR eines comprehensive approaches später einmal greifen muss, habe ich bewusst nicht aufgegriffen, da das locker ein neuen Thread aufmachen könnte.
Dazu müssen sich aber ganz viele Akteure bewegen, denn die Übergangsregierung in Mogadishu ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht. SOM in den alten Grenzen (z.B. von 1991) wieder herstellen zu wollen ist utopisch, wenn nicht sogar blauäugig.
Willkürlich gezogene Grenzen durch Stammes- und Ethniengebiete und die lokale Vorherrschaft von Warlords oder Clans oder Extremisten wie Al-Shabaab im Süden machen das Ganze zu einer fast undurchdringbaren Gemengelage.
Der gordische Knoten könnte sich anfangen zu lösen, wenn UN/ EU u.a. dieses berücksichtigen würden und auch die relativ gut funktionierenden Regionalstrukturen Puntlands und in Ansätzen Somalilands einbeziehen würden.
Darf man aber vor Ort (offiziell) nicht, da es offiziell nicht anerkannte (Staaten-)Gebilde sind, die aber, auf „kleiner Zusammenarbeitsflamme“ gekocht, zunächst die einzige überlebensfähige und erfolgversprechende lokale Größe in SOM darstellen.
Von „vernetzter Sicherheit“ würde ich in SOM noch lange nicht sprechen, aber ein „comprehensive approach“, der die üblichen Befindlichkeiten und Rangeleien der Ministerien, Behörden und Institutionen überbrücken kann, ist vlt. in mehreren Jahren erfolgversprechend.
Schauen Sie sich auf der vglw. relativ ruhigen Westseite Afrikas den Golf von Guinea an. Hier sind viele Nationen und internationale Organisationen (zB IMO) sehr engagiert vor Ort tätig, auch im Bereich „Maritime Capacity Building“ und „State Building“ und trotzdem kommt hier auch nur langsam, wenn auch zunehmend erfolgreich voran. Projezieren Sie dieses auf SOM und sehen, wie anspruchsvoll das wird, da hier noch links von „0“ auf dem Zahlenstrahl angefangen werden muss.
Klar ist mE aber auch, dass das Militär am Anfang – auch beim „Comprehensive Approach“- am Meisten zu tun hat/ die Wichtung des Militärischen am Höchsten sein muss, um dann in späteren Phasen zugunsten des Zivilen zurück zu treten.
Nachtrag:
@S.M.
Sie sehen, dieses ist ein mehr als abendfüllendes Thema. Was meinen Sie, warum die Weltgemeinschaft bis dato so zögerlich mit SOM war – und das bereits vor AFG?
An Ihrer letzten Frage, die ich hier gewiss nicht erschöpfend beantworten kann, laborieren schon seit Jahren UN, EU und Co. herum.
Ich hoffe, Ihnen einen ganz kurzen Einblick in die Komplexität gegeben zu haben.
Die bereits lange bestehende und Mutter aller Piraterien in Somalia hingegen – die illegale Fischerei durch Ausländer – in den somalischen Gewässern wird weiter ignoriert.
Das weist hin auf das falsche und einseitige Verständnis der internationalen Gemeinschaft bezüglich der komplizierten Lage, sowie auf die Unmöglichkeit, mit den vorgeschlagenen Methoden Wege zur effektiven Lösung der Bedrohung durch die Piraterie zu finden.
Jetzt will man den KRIEG auf das Land (Küste) erweitern. Wer lebt und wohnt wohl an der Küste? Genau Fischer!!!
Das wir da mitmachen und die positiven Kommentare darüber lassen mich frösteln, nee richtig frieren!!
@Orontes wg. „@KeLaBe:
“Im Falle der Piraterie sind dabei drei Aspekte bedeutsam: Erstens die (tatsächliche oder auch nur wahrgenommene) Perspektivlosigkeit großer Teile der sog. Dritten Welt, die durch die Globalisierung eher gewachsen als gesunken ist. ” Diese These ist im Fall der somalischen Piraten mehrfach widerlegt worden. Es handelt sich um organisierte Kriminelle, die aufgrund der erzielbaren Gewinne ihr Geschäft sowenig aufgeben würden wie die russische oder italienische Mafia dies im Fall einer verbesserten wirtschaftlichen Lage tun würden.“
Das ist etwas zu grobschlächtig argumentiert: Das als Tagelöhner angeheuerte „Fußvolk“ der Piraterie dürfte tatsächlich durch die von KeLaBe genannten Faktoren bestimmt sein. Anders sieht es bei den darüber liegenden Ebenen aus, wo in der Tat gilt, dass die nicht mit einem wohlmeinenden Beschäftigungsprogramm sondern nur durch Sicherheitskräfte und Gerichte zu stoppen sind: Das ist organisierte Kriminalität der qualifizierteren Art, die eben auch nicht allein in „failed states“ funktionieren kann. Solche Geschäftsmodelle sind auf gute, funktionierende Verbindungen in die wirtschaftlichen Zentren des westlichen Wirtschaftssystems (wenn wir Singapur mal mit dazu zählen) angewiesen. Schon allein das regelmäßig bewegte Finanzvolumen setzt ordentliche Bankverbindungen voraus, die dann durch Geldwäsche vertuscht werden müssen. Das macht kein vom Acker oder von der Ziegenherde weggelockter Analphabet. Der erledigt eher die „praktische“ Arbeit. Von daher gibt es auch kein „entweder-oder“ beide Ansätze müssen konsequenter verfolgt werden, wenn man irgendwann mal Erfolg haben will.
was soll die Diskussion um Helikopter, U-Boote, Rohrwaffen etc.??
Der Gang der Dinge ist doch sehr vorhersehbar. Denn was tut der kluge Pirat, nachdem er das Mandat ausgiebig studiert hat? Beim Lesen erscheint zunächst ein mildes Lächeln auf seinem Gesicht, als er den Punkt „es dürfen keine Unbeteiligten gefährdet werden“ liest. Das Lächeln verwandelt sich in ein breites Grinsen, als der den Punkt „Bodentruppen dürfen nicht eingesetzt werden“ gelesen hat.
Er heuert folglich ein paar Leute an, die bei/auf den „Schiffchen“ am Strand gut sichtbar campen (oder zwingt sie einfach dazu). Wenn tatsächlich ein Heli oder was auch immer auftaucht, wird per Funk der bereits vorbereitete Spruch (die habe wahrscheinlich einlaminierte Vorlagen dafür an Bord) durchgegeben, den wir schon kennen: „tut uns sehr leid für Euch, aber da sind Geiseln auf den Schiffen“. Ende der Durchsage, alles dreht wieder ab und schreibt einen Bericht…oder habe ich bei den Details des Mandats die Aussage übersehen, daß Boarding-Teams keine Bodentruppen sind und die am Strand liegenden Boote durchsuchen dürfen?
Die Jungs sind doch nun weiß Gott nicht blöd. Allerdings halten sie „uns“ mittlerweile wohl für blöd, und ich bin mir mittlerweile gar nicht mehr sicher, ob sie damit nicht sogar recht haben.
Da das Verlinken von deutschsprachigen Printmedien nicht möglich ist, wird es ein wenig umständlich.
Aber geben Sie doch mal bei Google folgende Suchbegriffe ein:
spiegel somalier essen keinen fisch
Dann erhalten Sie als ersten Treffer einen Artikel des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ aus dem Jahr 2008, welcher mit dem typisch deutschen, offenbar von Michael Kohlhaas inspirierten Welterklär-Mythos: Somalische Piraten sind verzweifelte Fischersleut‘ aufräumt.
@ Orontes
Es liegt mir fern, an dieser Stelle eine Globalisierungsdebatte zu beginnen. Ich gehöre nicht zu ihren Gegnern, schätze sie aber auch nicht allzu blauäugig ein. Die von Ihnen zitierten Schwellenländer haben ja tatsächlich von der Globalisierung profitiert, wenngleich das wohl nicht für alle Bevölkerungsschichten vor Ort gilt (ich ahne, dass die Kaste der Unberührbaren in Indien oder die Land- und Fabrikarbeiter in China eine eigene Meinung von den „Segnungen der Globalisierung“ haben). Aber es gibt auch zweifellos Verlierer, und die sind vorwiegend im afrikanischen Raum angesiedelt. Über die Gründe kann man sich streiten, wobei uns Europäer wohl eine nicht unerhebliche Mitschuld trifft. Stichworte: Kolonialzeit und ihre Nachwehen.
Aber darum geht es mir eigentlich bei dem Thema der Piraterie weniger. Was ich vielmehr sagen will: Eine Ausdehnung des Mandats durch die EU (so wie heute beschlossen) mag berechtigt und sinnvoll sein. Aber es ist nur ein ganz winziger Schritt mit vagen Erfolgsaussichten. Jedenfalls gehört zu einem Durchbruch sehr viel mehr. Es reicht nicht, sich auf militärische oder polizeiliche Instrumente allein zu beschränken. Vielmehr muss es parallel dazu in unserem Interesse sein, die Bedingungen vor Ort im Rahmen unserer (zweifellos bescheidenen) Möglichkeiten so zu beeinflussen, dass die Basis für die Verzweiflung der Menschen vor Ort, für die Rechtlosigkeit im Lebensumfeld und für die ökonomische Rendite der Organisierten Kriminalität austrocknet.
@ T.W.
Habe heute vormittag schon einmal versucht, einen Kommentar abzuliefern, dabei aber versehentlich zweimal kurz hintereinander auf „senden“ gedrückt. Das Ergebnis war eine Meldung, die mir weismachen wollte, ich würde meine Argumente nur wiederholen. Ich habe darauf zunächst die Lust verloren, alles noch mal zu schreiben. Ist das ein Fehler im System oder einzig und allein meine Schuld?