Das neue deutsche ISAF-Mandat: Und wer zieht ab?

Der Bundestag hat heute wie erwartet die Fortsetzung des deutschen Afghanistan-Einsatzes beschlossen – nach einer Debatte, an der – ungeachtet der öffentlich immer wieder beteuerten Bedeutung – kein Regierungsmitglied teilnahm. 424 Abgeordnete stimmten dafür, 107 dagegen, und 38 enthielten sich. Also eine Mehrheit über die Koalition hinaus (die Namenslisten der Abstimmung sind noch nicht online) – sicherlich auch deshalb, weil der ISAF-Auftrag der Bundeswehr mit einer erstmals verrringerten Truppenstärke erfolgreich als Einstieg in den Abzug verkauft wurde.

Ob das wirklich so ist, wird man sehen – ich bezweifele es. Schon seit dem Kabinettsbeschluss im Dezember, in dem die Obergrenze auf 4.900 Soldaten gesenkt und eine weitere Reduzierung für dieses Jahr in Aussicht gestellt wurde. Konkret bedeutet die Verringerung ja erst mal nur, dass die bisherige flexible Reserve von 350 Soldaten entfällt und weitere 100 Posten eingespart werden.

Und da wird interessant zu sehen, wo diese Posten eingespart werden, also was abgezogen wird. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte ja vorher schon in einem DAPD-Interview gewarnt: Es werde nicht den Abzug einer kompletten Einheit geben. Für die Reduzierung höre ich bislang zwei Denkrichtungen: zum Einen soll noch mehr als bisher ausgekämmt werden, verzichtbare Stellen werden eingespart. Oder, die andere Möglichkeit, es werden ganze militärische Fähigkeiten aufgegeben. Da bin ich gespannt – und vermute, es wird eine Mischung aus beidem geben.

Denn auch das hat die Bundesregierung im Mandat (genauer: in der Begründung) schon erläutert: Weniger Krieg gibt es nicht durch Beschluss des Deutschen Bundestages. Zwar werde die afghanische Armee zunehmend die Sicherheitsverantwortung übernehmen, aber: Die Verfügbarkeit und die Wirksamkeit hoch mobiler und kampfstarker Reaktionskräfte zur Unterstützung im Bedarfsfall gewinnen damit in den kommenden Jahren erheblich an Bedeutung.

Immerhin gibt es wohl die Zusage der US-Streitkräfte, die für den Einsatz im – deutsch befehligten – ISAF-Regionalkommando Nord so entscheidenden amerikanischen Hubschrauber auf jeden Fall in diesem Jahr noch dort zu lassen. Ein Abzug dieser Fähigkeit hätte vermutlich auch die Abstimmung über das deutsche Mandat noch ein bisschen schwieriger gemacht. Denn auch wenn Eurocopter-Chef Lutz Bertling Optimismus verströmt und damit rechnet, dass die Bundeswehr doch mehr als die 40 in ihrer Planung vorgesehenen Tiger-Kampfhubschrauber abnimmt: Die kommen mit großer Anstrengung vermutlich dieses Jahr noch an den Hindukusch, die als Rettungshubschrauber dringend benötigten Eurocopter-Produkte NH90 sicherlich nicht. Immerhin funktioniert die Zusammenarbeit der US-Piloten mit ihren Hubschraubern mit den Rettungskräften der anderen Nationen.

Nachtrag: Stoße gerade auf einen interessanten Randaspekt: Bei Faisabad retteten US- und ANA-Einheiten Überlebende eines Lawinenunglücks. Was mich dabei verblüfft: mit (von Russland hergestellten) Mi-17-Hubschraubern – die teilweise von Amerikanern geflogen wurden.