Nutzen statt besitzen: 350 Pumas sind genug

Als Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Oktober seine Liste mit den künftigen Bestandszahlen des Großgeräts der Bundeswehr – Flugzeuge, Panzer, Schiffe – vorlegte, gab es heftige Kritik. Sowohl öffentlich (weniger Kampfpanzer als die Schweiz, wo kommen wir da hin) als auch, bisschen verhaltener und weniger öffentlich, aus der Industrie.Vor allem, weil die vorgesehenen Kürzungen Beschaffungsprojekte betreffen, die schon vertraglich vereinbart sind – auch wenn das jeweilige Gerät noch nicht oder nur zum Teil geliefert wurde.

Bei einem Großprojekt, dem Schützenpanzer Puma, scheint der Minister mit der geplanten Verringerung Erfolg zu haben. Statt der eigentlich bestellten 410 der neuen Schützenpanzer soll die Truppe ja nun nur noch 350 bekommen. Und die Industrie (konkret in diesem Fall: Krauss-Mafffei Wegmann und Rheinmetall) , heißt es aus dem Verteidigungsministerium, scheint das zu akzeptieren:

Nach erfolgreichen Gesprächen mit der Industrie hat das BMVg eine Reduzierung der Stückzahlen bei einem Großrüstungsprojekt eingeleitet. Mit dem am 15. Dezember paraphierten Eckpunktepapier haben sich die für den Bau des Schützenpanzers PUMA verantwortliche Landsystemindustrie und das BMVg auf eine mögliche Stückzahlreduzierung verständigt. Zukünftig soll die Bundeswehr anstelle der ursprünglich geplanten 410 nur noch 350 PUMA in der Truppe nutzen.

(Archivfoto Krauss-Maffei Wegmann)
Nun sagt ein solches Eckpunktepapier noch nicht wirklich, was eine solche Vereinbarung am Ende für das Ministerium (und damit den Steuerzahler) bedeutet, wie die Bewertung von Staatssekretär Stéphane Beemelmans deutlich macht: Mit dieser Vereinbarung haben das Bundesministerium der Verteidigung und die Industrie in guter Partnerschaft einen wichtigen Schritt für die Umsteuerung eines der bedeutsamen Hauptwaffensysteme der Bundeswehr gemacht. Nun gilt es, diesen vertraglich umzusetzen.

Auch ein Sprecher von KMW, der die grundsätzliche Einigung in Gesprächen in einer konstruktiven Atmosphäre bestätigt, bleibt an der Stelle vage: Was am Ende dabei herauskomme, sei eine Frage der vertraglichen Details.

Der Grund, der dahinter steht, ist natürlich die finanzielle Lage. Der Minister hatte den Spitzen der Rüstungsindustrie schon im September deutlich gemacht, was passiert, wenn alle Unternehmen auf den bereits abgeschlossenen Verträgen für Großgerät bestehen: Wir lassen alles wie es ist, nehmen das Material ab – können es nicht betreiben und nichts mehr bestellen.

Also: abgerechnet wird am Schluss; interessant ist natürlich die Frage: Wenn die Truppe schon – letztendlich aus finanziellen Gründen – künftig 60 Schützenpanzer weniger bekommt als geplant – wie kann sie damit hinkommen?

Am Beispiel Puma habe ich mir das mal von einem Kenner der Materie erklären lassen. Kernpunkt der Heeres-Planung ist die Absicht, von solchem Großgerät künftig noch 70 bis 80 Prozent des planerischen Solls vorzuhalten. Zum einen, weil 100 Prozent Ausstattung für alle nicht finanzierbar sind. Und zum anderen, so die Überlegung, weil tatsächlich die 100 Prozent auch in der Vergangenheit noch nie gebraucht wurden.

Beim neuen Schützenpanzer wären die planerischen 100 Prozent 44 Pumas pro Panzergrenadierbataillon. Bei zehn solcher Bataillone in der künftigen Heeresstruktur wären das 440 Fahrzeuge, plus einer Umlaufreserve zum Beispiel im Gefechtsübungszentrum oder an der Schule in Munster – also schon mehr als die bislang vorgesehen 410 Stück. Das wird nicht kommen.

Also wird abgeschichtet. Hundert Prozent Ausstattung muss für den Einsatz da sein. Und für die Ausbildung. Die übrigen Verbände bekommen weniger Pumas – und müssen zum Beispiel für einzelne Ausbildungsvorhaben auf einen Pool zugreifen.

Im Grunde verlegt sich das Heer damit auf ein Prinzip wie beim CarSharing oder bei Mietwagensystemen: Es geht nicht darum, das Material zu besitzen und es, wie beim Privatmann mit seinem Personenwagen, einen Großteil der Zeit ineffizient auf dem Parkplatz stehen zu haben. Sondern darum, das Gerät nutzen zu können, wenn es gebraucht wird.

Für den einzelnen Bataillonskommandeur ist das zwar formal ein Abschied von der Kontrolle über seinen Bestand an Schützenpanzern. Aber, sagt einer, der schon vor langer Zeit mal Bataillonskommandeur war: Auch früher hatte der Kommandeur nicht alle 53 Marder, die ihm zustanden, auch tatsächlich zur Verfügung. Sondern regelmäßig die Hälfte, und fürs Manöver maximal 75 Prozent. Schon wegen der Betriebskosten.

Und wenn es wirklich knallt, weit über die Stabilisierungseinsätze vom Typ Afghanistan hinaus? Dann, so die Rechnung des Heeres, gibt es immer noch genug Reserve. Auch für einen hochintensiven Einsatz im Nato-Rahmen würde die Bundeswehr eine Division mit zwei starken Brigaden stellen – und damit vier Panzergrenadierbataillone mit der Vollausstattung von 44 Pumas: macht 166. Und es gibt noch genügend in der Hinterhand.

Das Ganze hängt natürlich an einem effizienten Management, oder , wie es im Militärdeutsch heißt, an einer professionellen Steuerung. Die Schützenpanzer müssen schon rechtzeitig da sein, wo sie wirklich gebraucht werden, sei es für die Ausbildung oder für den Einsatz. Und es hängt ebenso am Verständnis der Truppe. Die keine Pumas unterm Schleppdach braucht, während die Soldaten in der Grundausbildung stecken oder im Simulator üben. Man könnte auch sagen: Chancen hat dieses System nur, wenn die Bundeswehr wirklich aus der Not eine Tugend machen kann.