Achtung, G2

Die SPD und die Grünen haben heute ihre Bewertung der Untersuchungsausschuss-Arbeit zum Luftschlag von Kundus am 4. September 2009 vorgelegt, und wenig überraschend sehen sie zahlreiche Fehler sowohl bei der Bundeswehr und dem Kommandeur Oberst Georg Klein als auch bei der Bundesregierung. Über die Voten der beiden Oppositionsparteien haben die Kollegen heute schon so viel geschrieben (zum Beispiel hier und hier und hier), dass ich das Ganze nicht noch mal neu aufdröseln will… und mich auf einen Aspekt beschränke:

Bei der Einschätzung, dass der Kommandeur falsch gehandelt habe, spielt für die Sozialdemokraten wie für die Grünen die Qualität der Informationsquelle des Obersten eine entscheidende Rolle. Schon in der Ausschussarbeit hatte sich ja bestätigt, dass ein afghanischer Informant (der Fachbegriff ist Human Intelligence, HUMINT) die wesentlichen Informationen über die festgefahrenen Tanklaster auf der Sandbank und über die Anwesenden vor Ort lieferte – und dabei offensichtlich selber nicht den Ort des Geschehens im Blick hatte. (Die weitere Informationsquelle waren die aus den Kampfflugzeugen übertragenen Video-Bilder.)

Dass der Informant die entscheidende Quelle war, hatte schon direkt nach dem Luftschlag die Washington Post geschrieben (wofür sie in Deutschland viel gescholten wurde). Aus Sicht der Oppositionsparteien ist aber nicht nur diese single source-Situation das Problem (Es war einer der schlimmsten Fehler, der HUMINT-Quelle zu vertrauen, sagt SPD-Obmann Rainer Arnold), sondern auch die Frage, wie eigentlich das militärische Nachrichtenwesen mit solchen Quellen umgeht.

SPD-Mann Arnold beklagt da eine Grauzone zwischen Bundesnachrichtendienst und militärischem Nachrichtenwesen. Letzteres dürfe nämlich keine Informanten führem tue das aber dennoch und bezahle sie auch (Das wird abgerechnet wie eine Taxiquittung). Das Problem aus Sicht des Parlamentariers: Während solche Aktivitäten des BND der parlamentarischen Kontrolle unterliegen (wenn auch in einem geheim tagenden Gremium), gebe es für solche nachrichtendienstlichen Aktivitäten der Streitkräfte keinerlei Überwachung durch den Bundestag. Diese Schnittstelle, sagt Arnold, werde sich die Opposition sehr genau angucken und dazu im Herbst eine Initiative starten.

Für den S2/G2/J2, also das Führungsgrundgebiet militärisches Nachrichtenwesen, wird das dann vielleicht ein bisschen ungemütlich. Der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour setzte (in seiner separaten Pressekonferenz) an diesem Punkt übrigens noch einen drauf: Er wolle nicht ausschließen, dass die HUMINT-Quelle von Afghanen gesteuert gewesen sei, die persönliche Rechnungen mit anderen Afghanen begleichen wollten – und namentlich nannte Nouripour den (im vergangenen Jahr ermordeten) Gouverneur von Kundus, Engineer Omar.

Ähnliche Fälle hatte es in der Vergangenheit in der Tat gegeben – als Hochzeitsgesellschaften weggebombt wurden und sich die Hinweise, die zu dem Luftschlag führten, später als falsche Denunziation eines konkurrierenden Stammes herausstellten. Für SPD-Mann Arnold ist das Unsinn: für Nouripours Annahme spreche nicht eine Kleinigkeit unter den Fingernägeln.

Keine Ahnung, keine Belege, keine Beweise. Ich weiß nur, dass der gebürtige Iraner Nouripour Farsi spricht und deshalb das in Nord-Afghanistan gesprochene Dari ganz gut versteht. Was ja manchmal andere Einblicke eröffnet.