ILA 2018: Herr Böing, zwei Partnerländer und fast alle Bw-Hubschrauber

(Zugriffsoperation der Bundeswehr mit Hubschraubern H145M, NH90, CH-53 und Tiger – Foto Markus Winninghoff)

Wilhelm Böing aus Hohenlimburg dürfte den meisten Deutschen kein Begriff sein. Der Westfale wanderte 1868 in die USA aus, und sein Sohn William gründete 1916 ein Unternehmen, das inzwischen im Flugzeugbau unter dem amerikanisierten Nachnamen der Familie weltweit bekannt ist: Boeing.

Die Geschichte des Hohenlimburgers erzählt das US-Unternehmen in diesen Tagen besonders gerne, zum Beispiel auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin.

Denn der Luft- und Raumfahrtkonzern, der zahlreiche Fluggeräte fürs Militär baut, möchte gerne der Bundeswehr sein weltbekanntes Hubschraubermodell CH-47, bekannt als Chinook mit den typischen zwei Rotoren, verkaufen. Die Botschaft: Boeing ist wieder in Deutschland. Der Mittbewerber, der traditionsreiche Hubschrauberhersteller Sikorsky, bietet im Gegenzug den Sohn des Firmengründers auf, der auch auf der ILA erschien, um für seinen Hubschrauber CH-53K zu werben.

Der Auftritt der beiden konkurrierenden US-Unternehmen auf der Berliner Luftfahrtshow war zwangsläufig: Ihre beiden Helikopter sind die einzigen, die für den neuen schweren Transporthubschrauber infrage kommen, den die Bundeswehr beschaffen will. Für ihren schon Jahrzehnte alten CH-53 in verschiedenen Deutschland-spezifischen Versionen, einst ebenfalls von der Firma Sikorsky konstruiert, ist dringend Ersatz nötig.

Und so standen die beiden konkurrierenden Modelle nicht nur als static display nebeneinander, sondern wurden auch wiederholt in Flugvorführungen gezeigt (Sikorskys CH-53K, ein neues Modell, vom bislang einzigen Kunden U.S. Marine Corps; Boeings CH-47 Chinook interessanterweise von den Briten).

(CH47, l. und CH-53K nebeneinander – Foto Thomas Wiegold)
(CH-53K im Flug – Foto Markus Winninghoff)
(CH-47 der Royal Air Force mit Außenlast im Flug – Foto Markus Winninghoff)

Sind also die US-Konzerne bei diesem Thema gesetzt, fiel die Präsenz aus Nordamerika beim übrigen militärischen Fluggerät so stark auf, dass unwillkürlich die Frage aufkam: Wer war noch mal das Partnerland dieser ILA 2018?

Spoiler: Offiziell Frankreich. Doch während die französische Luftwaffe mit einer Handvoll Maschinen schon im static display weit hinter den USA zurückblieb und im Flugprogramm praktisch nicht in Erscheinung trat, war an Flugzeugen der U.S. Air Force kein Mangel: Ob die Kampfjets F-15, F-16, F-18 Growler, natürlich der neue Superflieger F-35, der Tilt Rotor Osprey, Hubschrauber wie Apache und SeaHawk oder Transporter wie die C-17, so ziemlich alles Bekannte säumte die Ausstellung.

(F-35A der U.S. Air Force – Foto Thomas Wiegold)

Warum die F-35 erstmals nach Deutschland kam, ist offensichtlich: Der Hersteller Lockheed Martin, größter Rüstungskonzern der Welt, hofft auf ein Geschäft mit der Bundeswehr, die ihre inzwischen ebenfalls betagten Tornado-Kampfjets ersetzen will. (Die beiden Maschinen vom Typ F-35A flogen auf der ILA übrigens nicht; mehr dazu unten.) Der scheidende Luftwaffeninspekteur Karl Müllner hatte ja auch schon deutlich gemacht, dass er dieses Modell gerne in seiner Luftflotte hätte.

Doch spätestens an dieser Stelle kommt das eigentliche Partnerland der ILA ins Spiel: Frankreich ist der – politisch – präferierte Partner, wenn es um die künftige Ausstattung der Luftwaffe geht. Auf der Berliner Ausstellung, die ja zu einem großen, wenn nicht sogar überwiegenden Teil die größte Rüstungsmesse in Deutschland ist, flogen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre französische Kollegin Florence Parly nicht nur gemeinsam in einem Airbus A400M gemeinsam (vom Berliner Flughafen Tegel) in Schönefeld ein. Sie unterzeichneten (oder ließen unterzeichnen) gleich mehrere Vereinbarungen für gemeinsame Rüstungsprojekte beider Nationen: Für das Future Combat Air System (FCAS), das multinationale Kampfflugzeug der nächsten Generation ab 2040; ein neues Flugzeug zur Aufklärung über See und zur Bekämpfung von U-Booten (Maritime Airborne Warfare System), die Eurodrohne als gemeinsames Vorhaben zusammen mit Italien und Spanien und das Concept of Operations für den seit knapp zwei Jahren geplanten gemeinsamen deutsch-französischen Verband mit C-130J-Transportflugzeugen (die dann allerdings aus den USA kommen).

(1:1-Modell der Eurodrohne – Foto Thomas Wiegold)

Und schon zuvor war klar geworden, dass der Eurofighter in einer Weiterentwicklung auch der Nachfolger des Tornado werden soll – ebenfalls nicht zuletzt aus politischen Gründen. Das war nicht wirklich eine Überraschung, weil das Verteidigungsministerium das schon vor Monaten schriftlich erklärt hatte. Doch dass von der Leyen das bei ihrer Pressekonferenz auf der ILA bekräftigte, machte die politische Absicht nur noch deutlicher.

Mit anderen Worten: Für die deutsch-französische Zusammenarbeit in der militärischen Luftfahrt war diese ILA von Vereinbarungen und Ankündigungen geprägt. Die US-Unternehmen stellten, ganz pragmatisch, das Fluggerät auf den Hof. Ob das die – letztendlich politischen – Beschaffungsentscheidungen beeinflusst? Wohl eher nicht.

Auch Kawasakis P-1, ein Seefernaufklärer und Flugzeug zur U-Boot-Bekämpfung und mit seiner Präsenz auf der ILA das erste japanische Militärflugzeug in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, wird zwar von Experten als modernes System gelobt. Gekauft wird es von den Europäern wohl kaum.

(Kawasaki P-1 – Foto Thomas Wiegold)

Für die Zuschauer (am Freitag, bislang immer einer der Fachbesuchertage der ILA und in diesem Jahr erstmals für Schulklassen geöffnet) dürften diese Überlegungen zur Beschaffung für die deutschen Streitkräfte keine Rolle gespielt haben. Die nahmen eher die Bundeswehr als größten Aussteller der Luftfahrtschau war – zumal das Flugprogramm von militärischem Gerät dominiert war.

Dafür boten Heer und Luftwaffe vermutlich einen überwiegenden Teil ihrer einsatzklaren Systeme auf. Vor allem bei den Hubschraubern. Bei den neuen Helikoptern der Spezialkräfte, den SOF LUH vom Typ Airbus Helicopters H145M, dürfte das noch am einfachsten gewesen sein: Diese modernen Maschinen haben praktisch keine Klarstandsprobleme. Doch die diversen NH90 und Tiger, erst recht die betagten CH-53 dürften die Anzahl flugtauglichen Geräts an den Bundeswehrstandorten im Inland drastisch reduziert haben. Und wer mit den Crews aus den Heimatverbänden dieser Maschinen sprach, bekam schon eine Ahnung davon, was diese ILA-Schau an Personal- und Materialaufwand bedeutet.

(H145M der Spezialkräfte – Foto Markus Winninghoff)

Und hier noch die versprochene Geschichte, warum – angeblich – die F-35 nicht flogen: Ein auf der ILA umgehendes Gerücht besagte, daran sei das neue passive TwInvis-Radar der deutschen Firma Hensoldt Schuld. Das neue System nutzt, laienhaft gesagt, die Funkwellen von Radio- und Fernsehsendern, um mit deren Reflektion Luftfahrzeuge zu erfassen – ohne ein eigenes Signal auszusenden. Und diesem System, das ja auch in der Fachpresse für die ILA angekündigt war, hätten sich die modernen Jets nicht aussetzen wollen, weil die quasi-Unsichtbarkeit für Radar eine ihrer beworbenen Eigenschaften ist.

Ob das stimmt und ob das neue Radarsystem die F-35 tatsächlich problemlos erfassen kann, habe ich auch bei einem Besuch an Hensoldts TwInvis-Demonstrationsstand nicht rausfinden können. Wäre schon interessant, das zu wissen – vielleicht erfährt man das ja doch noch in absehbarer Zeit.