Bundeswehr-Beschaffungen: Was dieses Jahr so ansteht (und was noch nicht)

Das Beschaffungswesen der Bundeswehr ist schon kompliziert genug – und auch das parlamentarische Verfahren, in dem der Einkauf von Waffen, Gerät und Ausrüstung für die Truppe gebilligt wird, muss man immer wieder erklären. So auch am (heutigen) Montag, an dem in einigen Medien eine angeblich geheime Bestellliste des Verteidigungsministeriums kursiert, mit teilweise abenteuerlich niedrigen Zahlen (18 Projekte für eine halbe Milliarde Euro…).

Deshalb mal etwas detaillierter: Zunächst müssen alle Beschaffungsprojekte grundsätzlich im Bundeshaushalt vorgemerkt und beschlossen sein, das ist nicht anders als bei einem Autobahn-Teilstück. Für den Verteidigungsetat kommt jedoch eine Besonderheit hinzu: Jedes einzelne Projekt mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro muss noch einmal gesondert vom Haushaltsausschuss des Parlaments gebilligt werden. (Schon zu D-Mark-Zeiten galt diese Grenze von 50 Millionen D-Mark, die dann praktisch unverändert in Euro umgerechnet wurde; alle Versuche – zuletzt in den jüngsten Koalitionsverhandlungen – diese Grenze zu erhöhen, bleiben erfolglos.)

In diesem Jahr ist wegen der sehr späten Regierungsbildung nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr das Verfahren noch ein bisschen schwieriger: Bislang gibt es noch keinen vom Bundestag beschlossenen Haushalt für 2018. Und erst wenn es den Gesamthaushalt einschließlich des Einzeplans 14, des Verteidigungsetats, gibt – erst dann kann das Verteidigungsministerium mit seinen so genannten 25-Millionen-Vorlagen in den Haushaltsausschuss gehen und um Zustimmung bitten.

Das Verteidigungsministerium hatte deshalb bereits im Februar (!) als Information für die Abgeordneten eine Erste vorläufige Übersicht der für 2018 geplanten 25 Mio. €-Vorlagen zusammengestellt – und diese Liste wurde am Montag publik und als scheinbar neue Bestellliste vermeldet.

Natürlich mussten die Beamten anmerken, dass diese Liste unter Vorbehalt steht, weil es ja noch keinen gebilligten Haushalt gibt. Und es sind Projekte, die schon lange geplant sind, oder sogar schon im vergangenen Jahr hätten beschlossen werden sollen, aber wegen Problemen mit dem Vertrag mit dem Lieferanten verschoben werden mussten – in einem besonders prominenten Fall, den bewaffnungsfähigen Drohnen, wurde die Behandlung im Haushaltsausschuss aufgeschoben, weil die SPD ihre Ablehnung signalisiert hatte.

Nachdem wir die Systematik mal klar haben, hier die in der Liste enthaltenen Projekte. Teilweise sind es schlichte Vertragsänderungen für bereits laufende Vorhaben, die aber natürlich auch Geld kosten und deshalb gebilligt werden müssen – auch wenn in dem Fall nichts Neues bestellt wird.

Das politisch wichtigste Vorhaben als erstes – die Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen (bei der möglicherweise dann nach der Beschlussfassung juristisches Ungemach droht):

HERON TP
Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit Israel und eines Betreibervertrages mit der Airbus DS Airborne Solutions GmbH für ein Medium Altitude Long Endurance (MALE) Unmanned Aerial System (UAS) als Überbrückungslösung bis zur Beschaffung der Eurodrohne

Ein weiteres Projekt wird schwierig. Die geplante Verlängerung eines Vertrages über Transportleistung mit Antonov-Großraumflugzeugen wird durch den angekündigten Ausstieg einer russischen Firma gefährdet:

Vertragsverlängerung zur Strategic Airlift International Solution (SALIS)
Vertragsverlängerung 2019 bis 2021 über den gesicherten Zugang zu gewerblichen strategischen Lufttransportkapa- zitäten mit dem Transportflugzeug Antonov AN 124

Das weitere Leasing der – unbewaffneten – Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron 1, die die Bundeswehr in Afghanistan und Mali einsetzt, ist wie in den vergangenen Jahren Routine und soll die ununterbrochene Nutzung sicherstellen:

SAATEG Zwischenlösung (HERON 1) für Afghanistan
Einjährige Verlängerung des Betreibervertrages mit der Airbus DS Airborne Solutions GmbH bis Ende Februar 2020

SAATEG Zwischenlösung (HERON 1) für Mali
Einjährige Verlängerung des Betreibervertrages mit der Airbus DS Airborne Solutions GmbH bis Ende Februar 2020

Die Beschaffung neuer Hubschrauber für den Rettungsdienst (SAR) zu Lande war eigentlich schon im vergangenen Jahr als Vorlage für das Parlament geplant. Aber dann gab es massive vertragliche Probleme (ich gestehe an dieser Stelle: um die Details dieser Ausschreibung und der Schwierigkeiten habe ich mich nie gekümmert); jedenfalls soll die Vorlage in diesem Jahr kommen:

Rettungshubschrauber LUH SAR
Beschaffung eines Leichten Unterstützungshubschraubers (Light Utility Helicopter [LUH]) für den Such- und Ret- tungsdienst (Search and Rescue [SAR]) als Nachfolger der BELL UH-1D

Ein weiteres Projekt, das neue Radar für den Eurofighter, zeigt sehr schön, wie langfristig solche Vorhaben angelegt sind. Das Abkommen über die Entwicklung des neuen Radars mit den Eurofighter-Partnerländern Großbritannien, Spanien und Italien hatte die damalige Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder im November 2014 unterschrieben:

Entwicklung Common Radar System inkl. Multi-Channel- Receiver für Eurofighter
Die Radartechnologie des AESA-Radars mit Multi Channel Receiver stellt zukünftig die Einsatzfähigkeit des EURO- FIGHTER mit möglicher zeitlicher Nutzung der Fähigkeiten Luft-Luft und Luft-Boden sicher. Zudem kann mit dem AESA-Radar der operative Mehrwert moderner Luft-Luft- Bewaffnung ausgenutzt werden.

Ein langjähriger Dauerbrenner ist auch der Schützenpanzer Puma, mit seinen Ergänzungen und Nachbesserungen:

Schützenpanzer PUMA – Sichtmittelverbesserung Anteil Wanne
Musterintegration der verbesserten Sichtmittel Anteil Wanne

Schützenpanzer PUMA – Duellsimulator AGDUS
Integration und Serienbeschaffung von 258 Ausbildungsgeräten Duellsimulator (AGDUS) in/für den Schützenpanzer PUMA

… ebenso wie das Transportflugzeug A400M, dessen Beschaffung zeitlich gestreckt wird:

A400M – Global Rebaselining
Neuausrichtung des Programms zur Beschaffung des Großraumtransportflugzeuges A400M

Im Oktober 2016 hatten sich Deutschland und Frankreich darauf verständigt, zusätzlich zu den A400M eine weitere Flotte mit kleineren Transportmaschinen zu betreiben: Die Maschinen des US-Typs Hercules C-130J sollen auch auf kleineren Flugpisten landen und starten können, zum Beispiel beim Einsatz von Spezialkräften. Dafür wird eine gemeinsame Staffel beider Länder in Evreux in Frankreich stationiert; zunächst kaufen die Franzosen paar Maschinen, dann die deutschen: konkret will die deutsche Luftwaffe drei Hercules in der Transport- und drei in der Tankerversion beschaffen. Die Bestellung ist für Anfang 2019 geplant, die 25-Millionen-Vorlage sollte aber noch in diesem Jahr in den Bundestag:

Taktischer Lufttransport bei Nutzung von ausländischen Flugplätzen mit eingeschränkter Infrastruktur („Kleine Fläche“ – C-130J)
Beschaffung von sechs Transportflugzeugen vom Typ C- 130J HERCULES, die im Rahmen einer DEU-FRA Kooperation am französischen Standort Évreux gemeinsam mit Frankreich betrieben werden sollen

Und ehe es too much information wird, erwähne ich die anderen Punkte der Liste mal ohne weitere Erläuterung:

Erweiterung des Leistungsumfangs zum HERKULES Folgeprojekt durch eine Änderung des Leistungsvertrages mit der BWI GmbH

Mehrbedarf Bekleidungswesen
Abschluss eines Änderungsvertrages mit der BwBeklei- dungsmanagement GmbH u.a. zur Deckung von Mehrbe- darf bei Kampfbekleidung/-schuhen, Schutzwesten und persönlicher Schutzausstattung

Joint Fire Support Coordination Group (JFSCG)
Beschaffung von modular aufgebauten (containerbasier- ten) und verlegefähigen Gefechtsständen im Rahmen der Streitkräftegemeinsamen Taktischen Feuerunterstützung (STF) für Landoperationen
Das System stellt alle zur Gefechtsführung notwendigen Datenverbindungen, Kommunikationsschnittstellen und eine virtuelle Arbeitsumgebung bereit.

Kampfwerterhaltung Raketenwerfer MARS II
Ergänzungsbeschaffung von 18 mittleren Artillerie Rake- tenwerfer MARS II (Multiple Launch Rocket System)

Radarsatellitensystem SARah zur weltweit abbildenden Aufklärung (Nachfolgesystem des derzeit im Orbit befindlichen Radarsatellitensystems SAR [Synthetic Aperture Radar]-LUPE)
Vertragsänderung zur Umsetzung der erheblich erweiter- ten IT-Sicherheitsforderungen des Radarsatellitensystems SARah

SHF-SATCOM IV – Anpassung/Austausch Fernmelde- und Führungsanlagen seegehender Einheiten der Klassen Fregatte 123, Fregatte 124, Einsatzgruppenversorger Klasse 702
Das Projekt dient der Sicherstellung des weltweiten Informationsaustausches mit hohen Datenübertragungsraten.

(Ergänzung: Wie ich inzwischen gelernt habe, ist die Formulierung des SatCom-Bedarfs recht, äh, positiv – es werden schlicht zu alte Anlagen durch neuere ersetzt.)

Standardisierter Instandhaltungsleistungsvertrag (SILV) für das Waffensystem NATO-Hubschrauber 90 (NH90)
Mit diesem Vertrag sollen umfangreich industrielle Wartungs- und Instandhaltungsleistungen vereinbart werden.

Ungeschützter militärischer Sattelzug 70t
Rahmenvertrag mit einer ersten Abnahmemenge von 32 Sattelzugmaschinen 70t zum Transport von Waffensystemen

Kosten für die einzelnen Vorhaben werden auf dieser Liste nicht genannt, und sie sind sehr unterschiedlich und meistens auch längst bekannt, wie die mehr als eine Milliarde Euro für die bewaffnungsfähige Drohne.

Mit anderen Worten: Das meiste auf dieser Liste steht schon lange an, und von einer Liste neuer Bestellungen, die ebenfalls dringend nötig sind, kann noch gar keine Rede sein. Zum Beispiel vom geplanten neuen Mehrzweckkampfschiff 180, von dem geplanten neuen schweren Transporthubschrauber, vom neuen Kampfjet als Nachfolger des Tornado oder auch nur vom neuen Sturmgewehr als Nachfolger des G36. Das kommt alles noch – aber nicht mehr in diesem Jahr.

Ergänzung: Die Liste, was erst später ansteht, ist natürlich nicht vollständig – ich hätte zumindest auch noch das geplante Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) erwähnen müssen, oder die  Digitalisierung der Kommunikation der Landstreitkräfte (Digitalisierung Landbasierter Operationen, DLBO), und… Aber weitere 25-Millionen-Vorlangen sind ja auch nicht ausgeschlossen.

Der Oppositions-Haushälter Tobias Lindner von den Grünen findet für diese Liste harsche Worte:

Diese Liste ist ein Sammelsurium aus unbearbeiteten Restposten der letzten Wahlperiode, Notwendigkeiten wie neuen LKWs oder Bekleidung und politisch hoch problematischen Themen das das Leasing von Kampfdrohnen oder Schadenersatzverzicht zugunsten von Airbus. Ein verantwortungsbewusster Plan zum Umgang mit Steuergeldern ist diese Liste eher nicht. Sie ist schon gar kein Grund in den anstehenden Haushaltsverhandlungen mehr Geld für Rüstung zu fordern. Ich bin sehr gespannt, welche Projekte aus der Liste tatsächlich dem Haushaltsausschuss in diesem Jahr vorgelegt werden.

(Archivbild Juli 2014: Schützenpanzer Puma im Rahmen der taktischen Einsatzprüfung auf dem Truppenübungsplatz Bergen – Bundeswehr/Jane Hannemann)