Mehr Ergebnis fürs viele Geld: Vorschläge für effektivere Verteidigungsausgaben in Europa

Die Bestandsaufnahme der Verteidigungsfähigkeiten in Europa, die die Münchner Sicherheitskonferenz zusammen mit der Unternehmensberatung McKinsey am (heutigen) Donnerstag in Berlin vorgestellt hat, ist nicht gar so überraschend. Die Faustformel, dass die Europäer etwas weniger als die Hälfte des Verteidigungsbudgets der USA ausgeben, aber noch nicht mal ein Viertel der US-Fähigkeiten dafür bekommen, ist in dem aktuellen Bericht (hier zum online-Lesen, hier zum Herunterladen) mit Zahlen untermauert – zum Beispiel 17 europäische Kampfpanzer-Typen gegenüber einem in den USA, 20 verschiedene Kampfflugzeuge gegen sechs und so weiter.

Allerdings, und das ist mal ein Schritt vorwärts, sind in diesem Bericht auch Vorschläge genannt, wie diese faktische Verschwendung von Geld für Verteidigung angesichts knapper, wenn auch absehbar steigender Haushalte vielleicht angegangen werden kann:

• Ausrüstung modernisieren, insbesondere um die Lücke im Bereich moderner Kommunikationstechnologie und Digitalisierung zu schließen,
• in die Verfügbarkeit existierender Waffensysteme investieren,
• Planung und Beschaffung neuer Ausrüstung harmonisieren,
• die Konsolidierung der europäischen Verteidigungsindustrie auf politischer Ebene vorantreiben,
• Forschung und Entwicklung im Bereich der Verteidigung ankurbeln.

Das heißt natürlich nicht, dass es billiger wird – aber es ist immerhin ein Versuch, more bang for the buck zu generieren (um mal diesen amerikanischen Begriff zu gebrauchen). Aus den verschiedenen Vorschlägen, die nachlesenswert sind, fielen mir zwei Dinge auf, die in der Debatte über neue Beschaffungen auf dem Weg zu den Streitkräften der Zukunft meist untergehen.

Zum einen sprechen sich die Verfasser sehr eindeutig gegen eine deutliche Aufstockung der Personalstärke bei den Streitkräften in Europa aus:

Für eine Verbesserung der Streitkräfte in Europa wird keine größere Veränderung der Truppenstärke nötig sein, wohl aber eine Investition in die Fähigkeiten der Soldaten. Die Streitkräfte der NATO-Länder, die auch Mitglied der EU sind, umfassen bereits 1,38 Millionen Soldaten, etwas mehr als die der Vereinigten Staaten. Die Herausforderung wird es, ihre Kenntnisse, zum Beispiel in der technischen Ausbildung, zu verbessern. Das könnte allerdings zu insgesamt steigenden Personalausgaben führen.

Zum anderen wird in diesem Bericht sehr eindeutig dafür plädiert, mehr in den Materialerhalt zu stecken – und für die Nutzung vorhandener Ausrüstung so viel zu investieren wie in die Beschaffung neuern Materials. Da habe sich die Sparpolitik der vergangenen zehn Jahre vor allem bei der  Wartung negativ ausgewirkt:

Heute stehen die meisten Streitkräfte in Europa vor der ernsthaften Herausforderung, vorhandenes Material auch verfügbar zu halten. Aber vorhandenes Material zu nutzen, ist der schnellste und kostengünstigste Weg, militärische Fähigkeiten zu erhöhen. Wir schätzen, dass für die meisten Plattformen eine Erhöhung der Verfügbarkeit um 20 bis 30 Prozentpunkte ohne signifikate Erhöhung der Kosten möglich sein müsste.

Die anderen Vorschläge sind mehr oder weniger die, die auch bisher schon in der Debatte waren: Mehr Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg, vereinheitlichte militärische Forderungen (warum muss es von einem in Europa entwickelten und gebauten Hubschrauber für NATO-Länder mehr Varianten als Käufernationen geben?) und eine engere Abstimmung zwischen Militär und Industrie.

Allerdings führt genau das zu einer Frage: Wie viele und welche der Rüstungsvorhaben, die derzeit in Europa noch in der Planung, Entwicklung oder Beschaffung sind, laufen eigentlich unter diesen Gesichtspunkten von europäischer Effizienz, Kostenersparnis durch gemeinsames Vorgehen oder gemeinsame Beschaffungsplanung?

Ich schaue da erst mal nur auf die deutsche Seite: In der Pipeline sind, wenn auch noch nicht endgültig bewilligt oder gar unter Vertrag, so Dinge wie eine neue Aufklärungsdrohne, ein Mehrzweckkampfschiff, geschützte Fahrzeuge – um nur paar rauszugreifen. Ich kann auf die Schnelle nicht erkennen, wo da über den deutschen Rahmen hinaus geplant würde. Und, so steht es zu vermuten, bei den anderen europäischen Nationen dürfte es nicht so viel anders aussehen.

Mit anderen Worten: Das Klagen über die europäische Ineffizienz ist schon ein bisschen älter, manche Vorschläge und Überlegungen dazu auch, aber so richtig gewandelt scheint sich da noch nichts zu haben.

Aber um nicht nur negativ zu sein: Immerhin hat sich die EU, genau genommen ein Großteil ihrer Mitgliedsstaaten, jetzt auch in der europäischen Union eine verbesserte Zusammenarbeit vorgenommen. Und das wurde zwar durch den Brexit mit befeuert, gleichzeitig aber will die EU auch auf diesem Feld mit ihrem künftigen Nicht-Mitglied Großbritannien auch weiter eng zusammenarbeiten. Als Bonus-Track: Die deutsche Fassung der Rede, die der EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier am (gestrigen) Donnerstag dazu in Berlin gehalten hat, hier zum Nachlesen.

(Archivbild: Coffeeshop beim deutschen Detachment Air Policing Balticum in Ämari/Estland im März 2017)