Geplanter Auftrag an Kriminologen Pfeiffer zur „Inneren Lage Bundeswehr“ noch offen

Der Auftrag an den Kriminologen Christian Pfeiffer, die innere Lage der Bundeswehr zu durchleuchten, bleibt vorerst offen. Der Hannoveraner Professor habe ein wissenschaftliches Konzept dazu vorgelegt, das jetzt geprüft werde, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am (heutigen) Dienstag. Im Herbst werde entschieden, ob das Forschungsvorhaben so in Auftrag gegeben werde. Zuvor hatte die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses mitgeteilt, das vorgesehene Gutachten Pfeiffers werde offensichtlich nicht wie geplant umgesetzt.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte im März nach bekanntgewordenen Vorfällen von Schikane, sexueller Nötigung und Drangsalierungen in der Truppe den Auftrag an Pfeiffer angekündigt. Dagegen regte sich allerdings Widerstand – sowohl in der Truppe, nachdem der Kriminologe die Erwartung geäußert hatte, dass er bei seinen Untersuchungen auf Fälle von Vergewaltigung und Orgien stoßen werde; aber auch vom Beirat Innere Führung (siehe unten).

Konkret hatte Generalinspekteur Volker Wieker den Auftrag an Pfeiffer in einem Schreiben an den Verteidigungsausschuss im März benannt:

Im Ergebnis der Analyse „Innere Lage Bundeswehr“ werden die nachfolgenden Maßnahmen veranlasst:
(…)
• Um einen gleichermaßen professionellen wie methodisch erfahrenen Außenblick auf die Innere Lage der Bundeswehr zu gewährleisten, soll zur weitergehenden Analyse der vorhandenen Daten externer wissenschaftlicher Sachverstand hinzugezogen werden. Prof. Dr. Pfeiffer, ehem. Leiter Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, wird im Rahmen einer systematischen und vertiefenden Analyse die identifizierten Handlungsfelder in den Blick nehmen, mögliche Schwachstellen identifizieren sowie Vorschläge zur Schulung und Weiterbildung von Fachpersonal, aber auch zur Verbesserung unserer Methodik entwickeln helfen.

Pfeiffer selbst hatte sich Ende April in einem ZDF-Interview dazu geäußert – genau an dem Tag, an dem die Ministerin ebenfalls im ZDF ihr umstrittenes Interview gab, in dem sie der Bundeswehr Haltungsschwäche und ein Führungsproblem vorwarf:

Insbesondere Pfeiffers Aussage darin (ab ca. Minute 2:25)

Ich rechne damit, dass es Vergewaltigungen gibt; dass es wüste sexuelle Orgien gibt, die bei Ritualen, wenn ein Neuling kommt, üblich sind. Das gibt es in Gefängnissen, das gibt es in Internaten, das gibt es in allen geschlossenen Organisationen, dass da Dinge laufen, die verboten sind und die schlimm sind und die massive Belastungen für die Betroffenen darstellen. Und da muss man ran.

hatte in der Bundeswehr Empörung ausgelöst und die Stimmung für eine Beteiligung an einer solchen Untersuchung nicht gefördert.

Der Beirat Innere Führung des Ministeriums sprach Ende Juni mit dem Kriminologen. Anschließend schrieb der Beiratsvorsitzende Thomas Kossendey, früherer Parlamentarischer Staatssekretär, einen sehr deutlichen Brief an von der Leyen – die wesentlichen Passagen:

Der Beirat war einvernehmlich der Meinung, dass diese wissenschaftliche Untersuchung zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Bundeswehr eher schaden als nutzen würde. Wir sehen die Gefahr, dass wegen der gegenwärtig sehr angespannten Stimmung in der Truppe eher Gräben vertieft als zugeschüttet werden. Aufgrund unserer Gespräche bei Truppenbesuchen besteht die Gefahr, dass die Beteiligung an den geplanten Befragungen so gering ausfällt, dass ein vorzeigbares Ergebnis nicht erreicht werden kann.
Prof. Dr. Pfeiffer konnte in seinem Vortrag und dem anschließenden Gespräch den Beirat nicht davon überzeigen, dass er eigentlich „das Gute“ in der Bundeswehr ans Tageslicht fördern wolle, wie er seine Absicht formulierte.
Insbesondere seine öffentlichen Einlassungen, aber auch schon seine dem Verteidigungsausschuss zugeleitete Projektskizze („Spitze des Eisberges“) lassen den Beirat an einer unvoreingenommenen und ergebnisoffenen Untersuchung zweifeln.
Darüber hinaus scheint der Auftrag an Prof. Dr. Pfeiffer seit Ihrer ersten Anregung immer mehr auszuufern, sowohl was den Untersuchungsgegenstand, als auch was den Zeithorizont angeht.
Sehr wenig haben wir zudem darüber gehört, welchen Nutzen für die Bundeswehr sich Prof. Dr. Pfeiffer erwartet.
Obwohl der Beirat direkt zuständig dafür nicht ist, haben wir uns gefragt, ob die zuständigen Beteiligungsgremien im BMVg damit befasst worden sind – ebenso die Frage aufgeworfen, ob eine so große Untersuchung ohne Ausschreibung vergeben werden kann. Wir haben zudem den Eindruck, dass sowohl im Ministerium als auch beim Wehrbeauftragten noch Klärungsbedarf besteht, wie Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet werden sollen.

Möglicherweise sind die vom Beirat genannten formalen Gründe – Ausschreibung und Datenschutz – die Punkte, an denen die Untersuchung jetzt doch noch scheitern könnte. Die offizielle Aussage von einer Entscheidung im Herbst lässt ja einen weiten Interpretationsspielraum zu, ob noch vor oder erst nach der Bundestagswahl Klarheit kommen wird.

(Archivbild 2010:  Pfeiffer in der Bundespressekonferenz in Berlin – Thomas Trutschel/photothek.net)