Dokumentation: Roadmap für den neuen Traditionserlass

In der Debatte über das Traditionsverständnis der Bundeswehr hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Überarbeitung des seit 1982 geltenden Traditionserlasses für die Truppe angekündigt – noch in dieser Legislaturperiode (nicht, wie ich es zuerst falsch verstanden hatte, vor der Bundestagswahl im September). Für den Weg dorthin hat nun das Ministerium einen Zeitplan, den der Parlamentarische Staatssekretär Markus Grübel in dieser Woche dem Verteidigungsausschuss mitteilte.

Da es in diesem Schreiben Grübels auch heißt

Möglichst vielen Angehörigen der Bundeswehr, dem politisch-parlamentarischen Raum, der Wissenschaft und Gesellschaft sowie den Medien soll die Gelegenheit gegeben werden, sich am Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses aktiv zu beteiligen.

komme ich mal meiner Pflicht als Teil der Medien nach und dokumentiere den Brief im Wortlaut:

Die Bundesministerin der Verteidigung hat eine Überarbeitung und Fortschreibung der „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ angeordnet. Das kurz „Traditionserlass“ genannte Dokument ist seit 35 Jahren unverändert geblieben – nicht zuletzt, weil Tradition und Traditionspflege belastbarer Kontinuität bedürfen, um langfristige Orientierung zu bieten. Die wertorientierte Bindung der Tradition der Bundeswehr hat sich bewährt. Sie wird auch künftig den Wesenskern des Traditionsverständnisses und der Traditionspflege bilden.
Andere Axiome und Rahmenbedingungen haben sich seither jedoch in einem Maße verändert, dass eine Überarbeitung des Traditionserlasses angemessen und notwendig erscheint. So ist dem faktischen Wegfall der Wehrpflicht und dem Übergang zu einer Freiwilligenarmee ebenso Rechnung zu tragen, wie dem Ende des Kalten Kriegs, der deutschen Wiedervereinigung (Armee der Einheit) und der Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO und der Europäischen Union (Armee im Einsatz).
Die damit einhergehende vertiefte internationale Integration, etwa durch die Aufstellung multinationaler Großverbände, aber auch die Aufstellung neuer Militärischer Organisationsbereiche, wie der Streitkräftebasis, des Zentralen Sanitätsdienstes und
des Cyber- und Informationsraums sind bei der Überarbeitung genauso zu berücksichtigen, wie die Öffnung aller Laufbahnen für Frauen und die wachsende Diversität in den Streitkräften.
Vor allem aber ist 60 Jahre nach ihrer Gründung die eigene Tradition der Bundeswehr stärker zu betonen und eindeutiger zu fassen. Dazu zählen zum einen ihre Bewährung im Kalten Krieg und ihr Beitrag für die Bewahrung von Freiheit, Frieden und Demokratie sowie ihr Beitrag für die friedliche Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands. Sie sind in den Mittelpunkt der künftigen Traditionspflege der Bundeswehr zu stellen. Zum anderen zählt dazu die Führungskultur der Inneren Führung, deren Bedeutung so hoch ist, dass sie zum Kernbestand der Traditionspflege in der Bundeswehr gehören muss.
Zu den neueren Entwicklungen gehören auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Sie stellen eine besonders herausgehobene Form der Bewährung und soldatischen Auftragserfüllung dar, in der beispielhafte Leistungen von Verbänden und einzelner Soldaten Traditionen begründen können.
Mit einer Auftaktveranstaltung im Bundesministerium der Verteidigung am
12. Juni 2017 wurde der Überarbeitungsprozess begonnen. In vier Workshops an wechselnden Orten und zu unterschiedlichen Themenkreisen soll er bis in den späten Herbst in einem offenen und inklusiven Prozess fortgesetzt werden. Die Workshops dienen dem Austausch und der Diskussion mit Fachleuten, der Einbindung und Nutzung interner und externer Expertise, der Transparenz des Prozesses sowie der Vorbereitung der späteren Erstellung neuer Richtlinien. Sie werden durch Informations- und Diskussionsveranstaltungen in der Fläche ergänzt.
Der erste Workshop findet am 17. August 2017 an der Führungsakademie der Bun- deswehr in Hamburg statt und widmet sich der Frage, inwieweit aus der Einbindung der Bundeswehr in multinationale Strukturen und durch die internationalen Einsätze internationale Traditionslinien erwachsen und was dies für die Tradition der Bundeswehr bedeutet. Für diesen Workshop sind bereits Einladungen, auch an Mitglieder des Verteidigungsausschusses, versandt worden.
Der zweite Workshop im September 2017 am Zentrum für Innere Führung in Koblenz behandelt den Themenkomplex Tradition und Identität.
Der dritte Workshop am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften in Potsdam thematisiert im Oktober 2017 die Funktion der älteren deutschen Militärge- schichte für die Tradition der Bundeswehr. Im vierten und voraussichtlich abschlie- ßenden Workshop in Berlin steht die bundeswehreigene Tradition im Mittelpunkt. Vor allem wird es darum gehen, wie die Bundeswehr ihr eigenes Erbe bewahren und tradieren kann und soll.
Die Ergebnisse der Workshops sollen veröffentlicht werden. Auch den Verteidi- gungsausschuss des Deutschen Bundestages werde ich in regelmäßigen Abständen informieren.
Möglichst vielen Angehörigen der Bundeswehr, dem politisch-parlamentarischen Raum, der Wissenschaft und Gesellschaft sowie den Medien soll die Gelegenheit gegeben werden, sich am Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses aktiv zu beteiligen.

Interessant dabei: Für den vierten und abschließenden Workshop ist kein Datum genannt. Wenn die Ministerin bei ihrem Ziel bleibt, die Arbeit an dem neuen Erlass noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen, hat sie dafür maximal bis Ende Oktober Zeit – denn nach dem Grundgesetz muss der neu gewählte Bundestag spätestens dreißig Tage nach der Wahl zur konstituierenden Sitzung zusammen kommen.

(Foto: Wandzeichnung im „Bunker“ des Jägerbataillons 291 in Illkirch im Mai 2017 – Solche Zeichnungen und der Umgang mit der Wehrmacht hatten die Traditionsdebatte im Frühjahr ausgelöst.)