Dokumentation: Bundeswehr-Interview mit Merkel

In diesen Wochen kurz vor der Bundestagswahl ist die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel eine gefragte Interviewpartnerin. Auch die Bundeswehr-Wochenzeitung Bundeswehr aktuell hat die Kanzlerin interviewt. Zur Dokumentation stelle ich das Interview hier ein, nach Angaben der Redaktion* wurde es schriftlich geführt – deshalb gibt es zu den Aussagen der Kanzlerin auch keine Nachfragen.

(Die Fragen sind kursiv, die Antworten Merkels in normaler Schrift):

Welche persönlichen Erfah­rungen haben Sie im Kontakt mit den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bislang gemacht?

Es ist mir sehr wichtig, mit den Soldatinnen und Soldaten, aber auch zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sprechen. Aus den vergangenen Monaten sind mir Besuche bei Marine und Luftwaffe in bester Erinnerung. Besonders beeindrucken mich aber auch die Begegnungen im Ausland, wenn ich Bundeswehr-Angehörige bei ihren Einsätzen treffen und sprechen kann. Ich bin tief beeindruckt von dem, was da geleistet wird. Besonders wichtig sind mir auch die jährlichen Treffen mit Angehörigen von Einsatzkräften der Bundeswehr und der Polizei. Es ist großartig, mit wie viel Motivation und Leidenschaft, aber auch hoher Professionalität der oft schwierige Dienst geleistet wird.

Auf welche Resonanz stoßen nach Ihrer Erfahrung die Ein­sätze der Bundeswehr in der Bevölkerung?

Das allgemeine Klima in der Gesellschaft gegenüber den Streitkräften ist in den letzten Jahren nach meiner Einschätzung besser geworden. Gerade das Engagement der Bundeswehr im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und auch die Diskussionen darüber haben die Menschen in meinen Augen mehr und mehr für den Begriff der Sicherheit sensibilisiert. Immer wieder versichern mir auch meine europäischen und internationalen Kolleginnen und Kollegen ihre große Hochachtung für den deutschen Einsatz vor Ort. Sie wissen ihre eigenen Truppen gern zusammen mit deutschen Soldatinnen und Soldaten im Einsatz.

Wie nehmen Sie die Verände­rungen in der Bundeswehr wahr – die Trendwenden Haushalt, Rüstung und Personal?

Es sind tatsächlich wichtige Trendwenden, die die Verteidigungsministerin in diesen Bereichen eingeleitet hat. Sie geben der Bundeswehr positiven Aufwind. Die letzten Haushalte und der Regierungsentwurf 2018 sind ein starkes Signal für die Truppe; das alles war dringend notwendig. Die Zahl der Krisenherde nimmt zu, es gibt viel Instabilität in Europas Nachbarschaft – das bedeutet für uns, dass wir mehr in unsere Sicherheit und vor allem auch die unserer Soldatinnen und Soldaten investieren müssen. Besonders froh bin ich über die Veränderungen im Bereich des Personals. Mehr als 20 Jahre wurde Personal abgebaut, nun nehmen die Einstellungen wieder zu. Das wirkt sich für die Bundeswehr auch als Arbeitgeber sehr positiv aus.

Das Weißbuch 2016 der Bundes­regierung hat die rasanten globalen Veränderungen aufge­griffen und daraus resultierend neue wichtige Akzente für die Zukunft gesetzt. Worauf kommt es künftig für Deutschland an?

Das Weißbuch von 2016 beschreibt jetzt den Rahmen, innerhalb dessen sich deutsche Sicherheitspolitik vollzieht und nennt die zukünftigen Gestaltungsfelder. Wichtig ist, dass wir in Europa erkennen, dass wir für unsere eigene Sicherheit verantwortlich sind. Gleichzeitig müssen wir unser Engagement in der Krisenprävention weiter ausbauen und an den Ursachen ansetzen, zum Beispiel über die vielfältigen Formen der Entwicklungszusammenarbeit oder auch, indem wir Sicherheitskräfte unserer Partner ertüchtigen. In diesem Sinne hat die Bundesregierung auch vor Kurzem neue Leitlinien zur Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung verabschiedet.

Welchen Weg sollten Deutsch­land und seine Partner künftig bei der Europäischen Verteidi­gung gehen?

Europa wird in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mehr Verantwortung übernehmen. Ein Beispiel ist der europäische Verteidigungsfonds, den wir ausdrückich begrüßen. Deutschland und Frankreich haben sich in den letzten Monaten über die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik intensiv abgestimmt und gemeinsame Vorschläge eingebracht. Gemeinsame europäische Entwicklung, Kompatibilität der Systeme, bessere und gemeinsame Verwendung – das müssen die Schritte sein, mit denen wir unsere Sicherheit dann auch besser gewährleisten können.

Die transatlantischen Bezie­hungen unterliegen einem sehr dynamischen Wandel. Welche Akzente müssen die europäi­schen NATO­-Partner künftig im Bündnis setzen?

Das Bündnis ist für uns von großer Bedeutung. Wir haben zwischen allen NATO-Mitgliedstaaten 2014 in Wales gemeinsam beschlossen, unsere Verteidigungsausgaben in Richtung der zwei Prozent zu entwickeln, und haben dazu im letzten Jahr unseren Verteidigungsetat gesteigert. Es geht bei der Finanzierung von Streitkräften nicht nur um Beiträge zur NATO, sondern auch um europäische Beiträge, zum Beispiel in Afrika. Dabei geht es um UNO-Missionen und EU- Trainingsmissionen. Es geht also um Verteidigungsausgaben insgesamt als eine Säule eines umfassenden Sicherheitskonzepts.

Die Bundeswehr übernimmt gemeinsam mit ihren Partnern in Osteuropa mehr und mehr Verantwortung – rechnen Sie künftig mit einer Ausweitung des Engagements?

Die Pläne der NATO zur Rückversicherung unserer östlichen Bündnispartner rühren aus deren berechtigten Sorgen um ihre Sicherheit, insbesondere aus- gelöst durch das russische Vorgehen in der Ukraine. Auf dem NATO-Gipfel 2014 in Wales haben wir beschlossen, die Reaktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft des Bündnisses zu erhöhen. Das Ziel dieser Beschlüsse war und ist, die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses deutlich sichtbar zu machen. Wir haben auch immer gesagt, dass wir alle gleichzeitig alle Gesprächskanäle mit Russland offenhalten. Abschreckung und Dialog gehen aus unserer Sicht miteinander einher: Das klare Bekenntnis zur Solidarität mit unseren Bündnispartnern gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags und die ausgestreckte Hand zum Dialog sind keine Gegensätze.

Sie verleihen dem Engagement für Afrika eine ganz besondere Bedeutung – ist das eine Jahrhundertaufgabe?

Sie wird uns jedenfalls langfristig beschäftigen. Die Afrika-Politik der Bundesregierung ist das Resultat intensiver Gespräche von zahlreichen Beteiligten und Entscheidungsträgern in Deutschland mit afrikanischen Partnern und mit Drittländern. Mit den Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung haben wir dieser Politik bereits im Jahr 2014 einen umfassenden Rahmen gegeben. Wir dürfen hier jedoch nicht stehenbleiben. Wir müssen uns den vielfältigen Herausforderungen in Afrika gemeinsam mit unseren Partnern stellen, um eine friedliche und nachhaltige Entwicklung auch im Sinne der UNO-Agenda 2030 zu erreichen. Mit den EU-Migrationspartnerschaften haben wir einen Schwerpunkt auf die Eindämmung der von kriminellen Schleppern und Schleusern organisierten illegalen Migration, die bereits Tausende das Leben gekostet hat, gelegt. Wir haben Maßnahmen auf den Weg gebracht, die helfen können, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu vermindern. Wir haben unser Engagement zur Stärkung von Frieden und Sicherheit in Afrika sowohl im zivilen als auch militärischen Bereich aus- gebaut. Und wir haben Afrika zu einem Schwerpunkt unserer G20- Präsidentschaft gemacht. Ziel ist es unter anderem, mehr private Investitionen für afrikanische Partnerländer zu generieren, die vor Ort zu nachhaltiger Entwicklung und Beschäftigung beitragen.

Müssen sich die Bürgerinnen und Bürger darauf einrich­ten, dass Deutschlands Anti­-Terrorkampf eine Dauerauf­ gabe ist?

Wir alle haben erlebt, dass in den letzten Monaten und Wochen in Deutschland und Großbritannien sowie auch in Belgien, Frankreich und vielen anderen Ländern terroristische Anschläge zu beklagen waren. Dieser gemeinsamen Herausforderung müssen sich auch die Europäische Union sowie andere Organisationen wie die NATO und UNO annehmen. Auch wenn der IS in Syrien und Irak erfolgreich zurückgedrängt wurde, stellt der Terrorismus weiterhin eine enorme Bedrohung für die gesamte Region dar. Einem ähnlichen Szenario stehen wir in Afghanistan gegenüber. Auch wenn das Land Fortschritte gemacht hat, selbst für seine Sicherheit sorgen zu können, erfordern die aktuellen Rückschläge auch dort die weitere Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Wir sind dazu bereit, uns auch zukünftig an der internationalen Terrorismusbekämpfung zu beteiligen

* Das Interview wurde schriftlich geführt, das heißt das Kanzleramt hat die von der Redaktion der Bundeswehr eingereichten Fragen schriftlich beantwortet, wie aus einem Bildtext hervorgeht:

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel die vorab an sie gerichteten Fragen schriftlich beantwortet hatte, nahm sie sich in ihrem Arbeitszimmer im Bundeskanzleramt kurz Zeit für ein Gespräch mit der Chefredakteurin der Redaktion der Bundeswehr, Andrea Zückert, und Parlamentskorrespondent Jörg Fleischer.

(Archivbild:  Merkel im Gespräch mit Kampfschwimmern während ihres Besuches der Marine in Kiel am 19.01.2016 – Bundeswehr/Matthias Letzin)