Merkel würdigt Bundeswehr: „Unschätzbarer Dienst für unser Land“

Zur Dokumentation: Zum heutigen Tag der Bundeswehr meldet sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Wort. Ihr wöchentlicher Podcast widmet sich diesmal der Frage Wie steht es um die Bundeswehr?, hier zum Nachhören:

und der Text zum Nachlesen:

Video-Podcast der Bundeskanzlerin #20/2017
10. Juni 2017
Die Fragen stellte Marie Antonia Halbich, Studentin der Geschichte und der Kommunikationswissenschaften aus Berlin.

Marie Antonia Halbich:
Frau Bundeskanzlerin, heute ist der Tag der Bundeswehr. An 16 Standorten will die Bundeswehr zeigen, wie sie ihre Aufgaben erfüllt und über welche Fähigkeiten sie verfügt. Man kann allerdings sagen, dass die Bundeswehr derzeit ein Image-Problem hat. Wo sehen Sie Ansatzpunkte, die Bundeswehr wieder für alle Teile der Gesellschaft attraktiv zu machen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel:
Ich glaube, dass der Tag der Bundeswehr eine gute Möglichkeit ist, der Bevölkerung auch zu zeigen, was dort alles für unsere Sicherheit geleistet wird. Und ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, einfach einmal „Danke“ zu sagen zu den vielen Soldatinnen und Soldaten, aber auch zu den Zivilbeschäftigten, die einen wertvollen, einen völlig unverzichtbaren Dienst für unsere Gesellschaft leisten; und zwar im Land genauso wie in den Auslandseinsätzen. Sie sorgen für unsere äußere Sicherheit und dafür, dass Menschen einfach gut und sicher leben können. Und ich finde, dass Menschen sich für einen solchen Beruf entscheiden und da einfach mitmachen, das ist ein hoher Wert und den sollten wir auch würdigen. Natürlich gab es in letzter Zeit Vorfälle, die auch kritikwürdig waren. Die Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Dinge natürlich geklärt werden müssen; dass das wichtige Führungsprinzip, das Prinzip der Inneren Führung, auch überall durchgesetzt werden muss.
Aber ich glaube, dass wir an so einem Tag wie heute erst einmal sagen können: Die übergroße Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten leistet einen unschätzbaren Dienst für unser Land.

Sie haben sich ja kürzlich gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen. Auf welche Weise können die massiven Nachwuchsprobleme in Ihren Augen sonst gelöst werden? Wäre im Vergleich zur freien Wirtschaft eine höhere Besoldung, zum Beispiel für IT-Fachkräfte, sinnvoll?

Wir haben ja eine sehr lange Diskussion geführt, auch über die Wehrgerechtigkeit. Und wir haben dann eine Grundsatzentscheidung getroffen, die heißt, dass wir die Wehrpflicht aussetzen. Das bedeutet aber, dass der Beruf des Soldaten ein spannender, ein interessanter Beruf sein muss. Das heißt, wir brauchen eine gute Ausstattung der Bundeswehr, wir brauchen die neuesten technischen Möglichkeiten, wir brauchen auch Berechenbarkeit für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – soweit das mit der Tätigkeit vereinbar ist. Und deshalb hat die Ministerin auch richtigerweise gesagt: Wir müssen sehr viel tun, damit dieser Beruf auch wirklich attraktiv ist. Dazu kann auch gehören, dass bestimmte Spezialisten in bestimmten Bereichen, wenn es um Cyber-Sicherheit geht, natürlich sicherlich auch beim Gehaltsniveau die entsprechenden Bedingungen bekommen müssen. Aber insgesamt wollen wir natürlich, dass überhaupt eine vernünftige Bezahlung da ist, aber auch vor allen Dingen eine spannende Arbeit mit gutem technischem Gerät und wo nicht sozusagen zu oft dann auch der Mangel verwaltet werden muss. Und auch ein Stück Berechenbarkeit. Die Bundeswehr ist durch sehr viele Reformschritte in den letzten Jahren – man kann sagen: in den letzten beiden Jahrzehnten – gegangen. Und sie hat ein Anrecht darauf, dass die Strukturen, die wir heute jetzt auch schaffen, dass die dann auch die Strukturen sind, die im 21. Jahrhundert eine Weile lang halten und nicht ständigen neuen Reformen unterworfen werden.

Analog zur NATO gibt es auch in Europa die Idee einer gemeinsamen Verteidigungsunion.
Hätte dieses Bündnis denn die Kraft, sich im Ernstfall angemessen zu verteidigen und mögliche Gegner glaubwürdig von einem Angriff abzuhalten?

Wir haben ja im Zusammenhang mit den Terror-Herausforderungen, vor denen Frankreich stand, erlebt, dass der damalige Präsident François Hollande auch die Europäische Union um Beistand gebeten hat. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass Deutschland heute in Mali auch engagiert ist, um Frankreich zu entlasten. Wir haben aber ansonsten natürlich in der NATO die Beistandsklausel, dass wir füreinander einstehen, wenn es um unsere Sicherheit geht. So haben wir diese Beistandsklausel auch in Kraft gesetzt, als die Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan eingegriffen haben, weil diese schrecklichen Attentate am 11. September stattfanden.
Und das alles bedeutet Verlässlichkeit. Europäische Verteidigungspolitik muss ergänzend sein, sich einbauen sozusagen – oder kompatibel sein – mit der NATO- Verteidigungspolitik. Das geht nicht gegeneinander, sondern das geht miteinander. Wobei es Aufgaben geben kann, die die NATO nicht erfüllt. Zum Beispiel gibt es eine ganze Reihe von Aktivitäten, die wir in Afrika haben, bei denen die NATO heute nicht engagiert ist, aber wo Europa sagt: Afrika ist unser Nachbar, und wir müssen uns hier engagieren. Und wir wollen dann als Europäer auch einen vernetzten Ansatz zum Einsatz bringen. Das heißt, wir müssen politische, Sicherheitsaspekte, militärische Aspekte zusammen denken, denn kein Konflikt kann alleine militärisch gelöst werden. Wir brauchen oft militärische Lösungen, aber sie können niemals nachhaltigen Frieden bringen, sondern es muss immer kombiniert werden mit innerer Sicherheit in den Ländern, mit Entwicklung in den Ländern und politischen Versöhnungsbestrebungen. Und das alles kann man – auch von europäischer Seite – in einer Hand halten.