Vorerst keine bewaffnungsfähigen Drohnen für die Bundeswehr (neu: Müllner)

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Die geplante Beschaffung unbemannter Flugsysteme für die Bundeswehr, die bewaffnet werden können, ist vorerst gescheitert. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte am (heutigen) Dienstag an, dass seine Partei im Haushaltsausschuss des Bundestages dem geplanten Leasing israelischer Heron-TP-Drohnen, das auch die Vorbereitung auf einen bewaffneten Einsatz vorsieht, nicht zustimmen werde. Damit wird angesichts der bevorstehenden Sommerpause vor der Bundestagswahl kein Beschluss fallen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende begründete die Ablehnung damit, dass die im Koalitionsvertrag zwischen Union und Sozialdemokraten vereinbarte intensive, breit angelegte Debatte über militärische, völkerrechtliche und sonstige Voraussetzungen des Einsatzes bewaffneter Drohnen so nicht stattgefunden habe: Deshalb lehnen wir im Haushaltsausschuss die Beschaffung einer Kampfdrohne ab.

Dabei geht es im Kern allerdings nicht um die fehlende Debatte – sondern um die Frage, was unter Beschaffung einer bewaffnungsfähigen Drohne zu verstehen ist. Denn die Beschaffung des Fluggeräts hatten auch die Sozialdemokraten grundsätzlich akzeptiert, unter der Voraussetzung, dass über die Bewaffnung und den Einsatz der Drohne mit dieser Bewaffnung erneut vom Parlament entschieden wird. Dieses Vorgehen hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Juli 2014 zugesichert.

Drei Jahre später entzündete sich der Streit nun an der Frage, wie das im Detail zu verstehen ist. Vereinfacht formuliert: Das Ministerium hatte dem Haushaltsausschuss neben der eigentlichen Beschaffung des Fluggeräts in einer weiteren, auf Wunsch der Israelis geheim gehaltenen Vorlage vorgeschlagen, die Drohnen für einen Waffeneinsatz zu zertifizieren, also praktisch zuzulassen. Dafür sollte eine geringe Zahl von Raketen gekauft werden, die auch für eine erste Ausbildung der Heron-TP-Bedienmannschaften genutzt werden sollten. (Über die Details dieser Bewaffnung gibt es bei Spiegel Online eine Übersicht.) Eine Entscheidung über den Kauf von Waffen für einen Einsatz war nicht vorgesehen.

Der Widerstand der SPD richtet sich gegen diesen Prozess der Erstbewaffnung und vor allem der Zertifizierung der Drohnen als bewaffnetes System. Aus Sicht der Sozialdemokraten, so sagte es auch Oppermann, sollten die Heron TP zunächst nur als reine Aufklärungsdrohnen beschafft werden, ohne dass sie technisch für den Einsatz von Waffen ausgerüstet und zugelassen seien.

Oppermanns Aussage im O-Ton:

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Allerdings würde nach einer späteren Entscheidung, diese unbemannten Systeme doch mit Bewaffnung einzusetzen, der Prozess der Zertifizierung rund zwei Jahre dauern. Mit anderen Worten: Die Bundeswehr bekäme für die vorgesehenen mehr als eine Milliarde Euro für fünf Heron-TP-Systeme zunächst lediglich eine Aufklärungsdrohne, die nicht so sehr viel mehr Fähigkeiten hätte als die derzeit schon genutzten Heron-1-Systeme, ebenfalls aus israelischer Produktion. Sollte für einen Auslandseinsatz die Nutzung bewaffneter Drohnen beschlossen werden, könnte das nicht innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden.

Die unterschiedliche Haltung der beiden Koalitionsparteien ist nur scheinbar technischer Natur: Im Grunde genommen kündigt die SPD damit ihre grundsätzliche Bereitschaft auf, der Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen zuzustimmen, und legt sich auf eine Absage an solche Waffensysteme fest.

Die Verteidigungsministerin (und CDU-Politikerin) von der Leyen reagierte empört:

Herr Oppermann verschweigt, dass die SPD im Bundestag bereits im Sommer 2016 der Entwicklung einer bewaffnungsfähigen Eurodrohne zugestimmt hat – und zwar nach einer breiten zweijährigen Debatte mit reger Beteiligung auch der SPD. Diese Eurodrohne zum besseren Schutz der Soldaten kann aber frühestens in rund acht Jahren zum Einsatz kommen. Dass Herr Oppermann nun für die Übergangszeit die Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen im Stich lässt, ist entlarvend. Er scheint auch nicht zu wissen, dass die Bundeswehr bereits über Aufklärungsdrohnen von Typ Heron verfügt.

Mit der Absage der SPD dürfte es auch auf einem anderen Feld Probleme geben: Nach der Entscheidung von Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker für das israelische System im Januar 2016 hatte die US-Firma General Atomics, die das Konkurrenzmodell Reaper/Predator herstellt, gegen diese Auswahlentscheidung geklagt. General Atomics war damit zwar vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf unterlegen, allerdings spielte bei der Entscheidung des Gerichts die Frage von Bewaffnungsfähigkeit und Beschaffungszeiten eine erhebliche Rolle.

Wenn nun in dieser Legislaturperiode kein Beschluss des Bundestages über die Beschaffung der Heron TP zustande kommt, dürfte das US-Unternehmen eine bessere Ausgangslage vermuten und juristisch auf eine Überprüfung dringen – eine so genannte Anhörungsrüge der Firma ist ohnehin anhängig. Damit könnte das ganze Beschaffungsverfahren erneut auf Anfang gesetzt werden.

Und, wer weiß, am Ende setzen die Sozialdemokraten auf diese Weise durch, dass US-Drohnen von dem Typ beschafft werden, deren Einsatz bei den US-Streitkräften zur gezielten Tötung mutmaßlicher Terroristen genau das war, was zur Stimmungslage der SPD und zur Ablehnung der Heron-TP-Beschaffung führte.

Nachtrag: Die Mitteilung der SPD-Fraktion dazu:

Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Gabi Weber, zuständige Berichterstatterin
Kommt die Aufklärungsdrohne für die Bundeswehr nicht, trägt allein die Union die Verantwortung
Schon vor der öffentlichen Anhörung 2014 zum Thema Drohnen stand fest, dass die SPD die Beschaffung von Kampfdrohnen ablehnt. Das war und ist überall nachzulesen, im Wahlprogramm der SPD sowie im noch geltenden Koalitionsvertrag. An dieser Haltung hat sich auch 2017 nichts geändert.
Ein Ergebnis der Anhörung war, dass die Bundeswehr laut Bundesministerium der Verteidigung einen Nachfolger für die bisherige Aufklärungsdrohne Heron 1 benötige, die ein Auslaufmodell sei. Inzwischen zeigt sich, dass dies eine Fehlinformation war.
Als Nachfolgemodell wären, so hieß es weiter, nur bewaffnungsfähige Drohnen in dem geforderten Leistungsspektrum auf dem Markt verfügbar. Unter dieser Voraussetzung waren wir bereit, den Beschaffungsprozess zu unterstützen.
Jetzt legt die Verteidigungsministerin zusammen mit 27 anderen Vorlagen dem Verteidigungsausschuss in der vorletzten Sitzungswoche einen Vertrag zur Beschaffung einer Kampfdrohne vor. Dieses Vorgehen stinkt zum Himmel. Denn ein Bestandteil des dreiteiligen Vertrages ist die gesonderte Herstellung der Bewaffnungsfähigkeit.
Wir erwarten, dass dieser Vertragsteil herausgenommen wird. Dann wären wir bereit, dem geänderten Vertrag zuzustimmen. Ansonsten ist das Vorgehen der Ministerin entlarvend: Es ging ihr immer nur um die Beschaffung einer Kampfdrohnen für die Bundeswehr.
In keinem unserer derzeit 17 Auslandseinsätze ist der Einsatz von Kampfdrohnen legitimiert. Er ist auch zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten nicht notwendig.
Die Verteidigungsministerin hat es jetzt in der Hand, einen zustimmungsfähigen Vertrag vorzulegen.

Nachtrag 2: Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, äußerte sich am Abend enttäuscht über die Haltung der SPD:

Das ist eine schlechte Nachricht für alle Soldaten im Einsatz, die auf schnelle und zielgenaue Unterstützung aus der Luft angewiesen sein werden. Ich bedauere es sehr, dass wir ihnen dann nicht helfen können. Auch wenn ich politische Entscheidungen natürlich respketiere, so halte ich diese aus fachlicher Sicht dennoch für falsch.

(Foto: UAV operator next to the „Heron TP“ – Hagar Amibar/Israeli AirForce)