Gabriel weitet deutsch-türkischen Streit auf NATO-AWACS aus

Noch gibt es leider keine Wortlaut-Abschrift, aber die Berichte der Kollegen, die mit Außenminister Sigmar Gabriel in die USA gereist sind, sind eindeutig: Der deutsche Außenminister hat am (heutigen) Donnerstag die Überlegungen zu einem möglichen Abzug deutscher Soldaten von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik auf die deutschen Besatzungen in AWACS-Flugzeugen der NATO in der Türkei ausgeweitet.

Aus der dpa-Meldung bei Spiegel Online:

Im Streit über die Bundeswehrtruppen in Incirlik droht Außenminister Sigmar Gabriel nun auch mit einem Abzug deutscher Soldaten aus einem Nato-Verband. In der Auseinandersetzung mit Ankara um ein Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete gehe es nicht nur um die in Incirlik stationierten „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr, sondern auch um die „Awacs“-Aufklärungsflieger der Nato im türkischen Konya, sagte Gabriel bei einem Besuch in Washington.

„Das ist eine integrierte Entscheidung. Ich glaube jedenfalls, dass beide Dinge schwer voneinander zu trennen sind“, sagte Gabriel nach Gesprächen mit der US-Regierung.

Und vom Deutschlandfunk:

In der Diskussion über einen möglichen Abzug deutscher Soldaten aus der Türkei gehe es nicht nur um den Stützpunkt Incirlik, sondern auch um die Basis Konya, betonte Gabriel während eines USA-Besuchs in Washington. Dort sind Awacs-Aufklärungsflieger der Nato stationiert, die im Kampf gegen die Terrormiliz IS eingesetzt werden und zu einem Drittel mit Bundeswehrsoldaten besetzt sind.

Hintergrund ist die Weigerung der Türkei, deutschen Abgeordneten den Besuch bei Bundeswehrsoldaten zu erlauben, die im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition von Incirlik aus Aufklärungseinsätze über Syrien und dem Irak fliegen. Das ist bei allen Parteien im Bundestag auf empörte Kritik gestoßen. Aus diesem Grund untersucht die Bundeswehr jetzt auch konkret eine Airbase in Jordanien, nächstmögliches Land in der Region, als möglichen Stationierungsort für die Tornados und ein Tankflugzeug der Luftwaffe.

Mit Gabriels Äußerungen kommt dieser Streit auf eine ganz neue Ebene – und wird zum Problem für die NATO insgesamt. Die wird in der kommenden Woche darüber beraten, ob sich die Allianz als Organisation an der Anti-ISIS-Koalition beteiligen soll. Bislang liefern die AWACS-Flugzeuge des Bündnisses war Informationen über die Luftlage in Syrien und Irak, fliegen aber nicht über dem Hoheitsgebiet dieser Staaten. Ihr vorgeschobener Stationierungsort ist Konya in der Türkei, eine NATO-Basis.

Mit einem Abzug der deutschen Soldaten aus dem gemeinsamen NATO-Verband, der in Geilenkirchen bei Aachen stationiert ist, wären die AWACS praktisch nicht einsatzfähig: Gabriel macht damit Druck auf die Allianz insgesamt, offensichtlich um den Druck auf die Türkei zu erhöhen. Mal sehen, wohin das führt.

Das Auswärtige Amt hat am Donnerstag zwar Videos von Gabriels Statements in Washington veröffentlicht, allerdings ohne diese AWACS-Passage:

Und eine Randbeobachtung: Bei seinem Besuch in Washington traf Gabriel deutsche Soldaten, die auf Lehrgang in den USA sind…

(Foto oben: Archivbild 2008: Start einer AWACS-Maschine von der Basis Geilenkirchen – NATO E-3A Component; Foto unten: Thomas Köhler/photothek)