von der Leyen: Bundeswehr hat Haltungsproblem & Führungsschwäche (m. Transkript)

Es gehört zum Thema des Bundeswehr-Offiziers, der sich als Syrien-Flüchtling ausgab und nach den bisherigen Erkenntnissen Anschläge plante, aber auch zu dem (vorangegangenen) Thema des von seinem Amt abgesetzten Kommandeur des Ausbildungskommandos des Heeres: Das Interview mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im ZDF am (heutigen) Sonntag. Deshalb oben verlinkt; und dazu gehört auch der vorangegangene Beitrag in der ZDF-Sendung Berlin direkt:

Nachtrag: Transkript des Interviews der Ministerin in der ZDF-Sendung Berlin direkt:

Frage: Wie konnte ein Offizier mit rechtsextremer Haltung trotz Hinweisen jahrelang bei der Bundeswehr bleiben?

Antwort: Das ist eine Frage, die glaube ich, nicht nur auf diesen Fall, auch auf diesen Fall bezogen werden muss. Aber ich glaube, wir müssen Pullendorf, sexualisierte Herabwürdigung, Sondershausen, übelste Schikane und jetzt der Soldat A. mit rechtsextremistischem Gedankengut, von dem wir in den Aufklärungen noch nicht genau wissen, was er plante und ob er ein Netzwerk hatte. Das sind alles unterschiedliche Fälle. Aber sie gehören für mich inzwischen zusammen zu einem Muster, dass ich heute sage: Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem. Und sie hat offensichtlich ein Führungsschäwche auf verschiedenen Ebenen. Und da müssen wir konsequent drangehen…

Frage: Welche Hinweise gab es denn bezüglich Terrorverdacht?

Antwort: Es gab zum Beispiel – wie wir heute wissen, seit Freitag Nachmittag ist das im Ministerium – bereits eine Masterarbeit, die der Soldat als Vorläufer geschrieben hatte in Frankreich an der Eliteschule, wo er eine deutsch-französische Ausbildung machte. Und diese Masterarbeit hat ganz klar völkisches, dumpfes Gedankengut, das auf der Disziplinarvorgesetzten-Ebene auch aufgefallen ist. Aber dann hat man das Ganze schöngeredet… Es ist nicht in seiner Personalakte gelandet, ist nicht beim MAD gelandet. Das heißt, wenn die Vorgesetzten-Ebene die Führung nicht wahrnimmt und die Verantwortung nicht wahrnimmt, wie sie müssen, dann werden Dinge eben aus falsch verstandenem Korpsgeist schöngeredet, es wird weggeschaut. Und das gärt dann, bis es zum Eklat kommt. Und das ist nicht in Ordnung.

Frage: Der MAD bearbeitet derzeit 280 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus. Was ist denn da grundsätzlich los bei der Bundeswehr?

Antwort: Grundsätzlich gibt es drei Themen, die mich umtreiben. Das Erste ist in der Tat eine Parlamentsarmee aus mündigen Soldatinnen und Soldaten, wie wir sie wollen. Da ist fest verankert, dass auf jeder Verantwortungsebene tatsächlich auch Führung übernommen werden muss. Das heißt, dass man frühzeitig die Dinge, die sich abzeichnen – und das war übrigens in Pullendorf und Sondershausen auch über lange Zeit, dass zu viele es wussten und es gedeckt haben, schöngeredet haben oder weggeschaut haben, dass Führung nicht wahrgenommen wird.

Frage: 280 Fälle, wie kann das sein?

Antwort: Ja, deshalb der zweite Punkt: Ausbildung und zwar von den Mannschaften bis zu der Offiziersebene, dass wir sehr genau gucken, wer ist bei uns und wen wollen wir nicht bei uns haben… Damit wir eine breite Debatte führen, und das ist mein Anliegen: Wir müssen eine breitere, eine offene Debatte in den Bundeswehr führen: Wo stehen wir, was ist unsere Haltung. Vieles kann toleriert werden, aber nicht toleriert werden kann politischer Extremismus, Rechtsextremismus und religionsbedingter Extremismus. Dazu gehört eben auch die Herabwürdigung, die wir sehen.

Frage: Sie sind seit Dezember 2013 die zuständige Ministerin. Wir groß ist Ihr Anteil an dem Problem?

Antwort: Unter dem Strich habe ich immer die schlussendliche Gesamtverantwortung, das ist gar keine Frage. Aber meine Aufgabe ist eben auch tiefer zu graben. Und wenn wir tiefer graben, dann sehen wir eben, dass wir an die Strukturen ran müssen, die da sind. Denn offensichtlich greifen die Mechanismen nicht, die solche Streitkräfte haben müssen, damit auch frühzeitig gemeldet und aufgeklärt wird. In der Masterarbeit zum Beispiel, die hätte nicht als Vorläufer einfach verschwinden dürfen, sonst hätte man vor zwei Jahren sehen können, was sich dort zusammentut oder gärt.

Frage: Sie haben gleich nach Amtsantritt gesagt, dass die Personalaufgabe, das Personalproblem eine ihrer zentralen Aufgaben ist. Sie haben sich dann unter anderem um die Einrichtung von Zimmern gekümmert. Haben Sie den falschen Schwerpunkt gesetzt?

Antwort: Nein, im Gegenteil, es zeigt sich ja, dass der Schwerpunkt richtig ist. Und ich würde es auch nicht reduzieren auf das, was Sie eben genannt haben. Sondern es ging zunächst einmal los mit den Themen Vereinbarkeit von Dienst und Familie, nämlich das Väter und Mütter in dieser Bundeswehr ihren Dienst tun (…)  Zweitens das Thema Respekt vor der Würde des Anderen. Ganz egal woher man kommt, wen man liebt und an wen man glaubt. Und wir haben gesehen an den Vorfällen ind Pfullendorf oder auch Sondershausen, das ist nicht selbstverständlich. (…)
Und der Dritte Punkt, der ist mir wichtig: Ich bin der festen Überzeugung – dafür habe ich die Dunkelfeldstudie in Auftrag gegeben -, dass wir ein Dunkelfeld haben, das ausgeleuchtet werden muss… Und der letzte Punkt… ist die Tatsache: Es ist nicht eine Frage der Freiwilligenarmee. Sondern die Täter, die wir heute kennen in den drei Fällen, sind alle aus der Wehrpflichtarmee. Also wir dürfen auch nicht die falschen Schlüsse ziehen.

Frage: Die SPD-Generalsekretärin wirft Ihnen vor – so wörtlich -, ein Sicherheitsrisiko zu sein. Ihre Antwort?

Antwort: Da macht sie es sich sehr einfach. Man muss die Debatte breiter angehen. Und dazu bin ich bereit.

(Aufgrund der Erfahrungen mit den vorherigen Threads werden alle Kommentare moderiert.)