Schnelle Beschaffung neuer Korvetten: Neuer Ärger mit der Industrie

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Dass die geplante Beschaffung von fünf weiteren Korvetten für die Deutsche Marine in der deutschen Werftindustrie nicht von allen begrüßt wird, war schon lange klar: Bei dem Milliardenprojekt, mit dem die Bundeswehr fünf Schiffe des Typs bekommen soll, den sie schon hat, soll viel Zeit gespart werden – mit einem Nachbau der Kriegsschiffe durch die Lieferwerften der bisherigen fünf Korvetten, ohne Ausschreibung.

Ein Protest der deutschen Werften, die an diesem Projekt eben nicht beteiligt sein werden, war zu erwarten. Und die German Naval Yards mit Sitz in Kiel  (GNYK) hatten deshalb das (Nicht-)Vergabeverfahren auch formal gerügt, also einen Prozess eingeleitet, der bis zur Klage gegen das Vorgehen des Verteidigungsministeriums führen kann.

Jetzt aber scheint in diese ohnehin komplizierte Lage ein ganz neuer Aspekt zu kommen: Die libanesischen Eigentümer der Werft, so berichtet die Welt am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht), protestieren ebenfalls gegen diese Rüstungsbeschaffung. Und zwar, das ist das Neue, unter Berufung auf ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen dem Libanon und der Bundesrepublik Deutschland:

„Die Entscheidung, die Verträge direkt zu vergeben und ohne jegliche Beteiligung von GNYK an einem solchen Prozess, ist rechtswidrig“, sagte ein Privinvest-Sprecher der „Welt am Sonntag“. Die Maßnahmen der Bundesregierung verstießen gegen den bilateralen Investitionsschutzvertrag (BIT) zwischen Libanon und Deutschland. (…)
In einem Schreiben an das Wirtschaftsministerium rügt Privinvest die Verletzung des BIT-Abkommens und behält sich eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht vor, falls binnen sechs Monaten keine Einigung mit der Bundesregierung erzielt werden sollte – „eine Option, die wir sehr ernst nehmen werden, wenn die Regierung die BIT-Verletzung nicht beheben sollte“, heißt es von Seiten des Unternehmens.

Eine solches Verfahren vor einem internationalen Schiedsgericht, parallel dazu eine mögliche Klage vor der Vergabekammer des Bundes und dann dem Oberlandesgericht Düsseldorf: Das wäre genau das, was den Plan des Verteidigungsministeriums torpedieren würde, die neuen Korvetten so schnell wie möglich zu beschaffen. Denn ein Vertragsabschluss mit der Lürssen-Werft, die zusammen mit der inzwischen gehörenden Werft Blohm+Voss in Hamburg die Kriegsschiffe bauen sollte, wäre damit ziemlich sicher vor der Wahl nicht mehr möglich.

Wie sehr die Feinheiten des Vergabeverfahrens in die Prozesse der Rüstungsbeschaffung eingreifen, zeigt sich an einem anderen Großprojekt: Bei den bewaffnungsfähigen Drohnen mittlerer Größe hatte sich die Bundeswehr für ein System aus Israel entschieden – aber der unterlegene US-Konkurrent klagte. Der nächste Gerichtstermin ist Ende Mai; bislang ist noch offen, ob eine Entscheidung so rechtzeitig fällt, das noch vor der Bundestagswahl ein Vertrag abgeschlossen werden kann.

Nun war im Fall der Korvetten ohnehin der Protest von GNYK absehbar; aber mit ihrer Bekanntmachung, die Beschaffung ohne Ausschreibung zu vergeben, hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) offensichtlich über die eigentliche Vergabe hinaus einen weiteren wunden Punkt getroffen.

Beim Blick in die öffentliche Bekanntmachung dazu fällt was auf:

Die kurzfristig erforderliche Bedarfsdeckung ist unter Zugrundelegung des vorgegebenen Zeitrahmens bei gleichzeitiger Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, gerade auch im Betrieb nur dann zielführend möglich, wenn sie mit weitestgehend baugleichen Korvetten der bereits vorhandenen K 130 erfolgt und kein neues System eingeführt wird. Die Einhaltung des Lieferdatums ist aufgrund der o. a Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland ein essentieller Bestandteil der Leistung selbst. Ein schneller Projektablauf und die umfassende Versorgungs- und Einsatzreife sind nur zu realisieren, wenn durch eine grundsätzlich baugleiche, aber obsoleszenzbereinigte Nachbeschaffung und gleichzeitige Obsoleszenzbeseitigung bei den vorhandenen Korvetten (Harmonisierung des Bauzustands), der personelle, materielle und auch zeitliche Aufwand für Ausbildung und technisch-logistische Unterstützung entsprechend niedrig gehalten wird. Ein gänzlich neuer Systemansatz scheidet daher aus. Die Beschaffung ist aus vorgenannten Gründen zwingend in enger Anknüpfung an das vorhandene System Korvette K 130 durchzuführen. Den Nachbau des Systems Korvette K 130 einem anderen als dem bisherigen Auftragnehmer zu übertragen ist, bei der ohnehin nur theoretisch vorhandenen Möglichkeit eines know-how-Transfers, aufgrund der technischen Komplexität des Gesamtsystems im gegebenen Zeitrahmen nicht denkbar. Die Vergabe des Nachbaus im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb beruht somit auf auftraggeberseitigen, nachvollziehbaren und objektiv auftragsbezogenen Gründen.

(Hervorhebung von mir, T.W.]

Das wird offensichtlich von der Industrie so interpretiert, dass Lürssen und Co. nicht nur den Auftrag zum Bau der fünf neuen Korvetten bekommen – sondern auch das Monopol für Modernisierung und möglicherweise auch Instandhaltung der fünf bereits vorhandenen Kriegsschiffe dieses Typs. Ein Grund mehr, dagegen vorzugehen.

Was das ganze für die Beschaffung nun wirklich bedeutet? Fragen wir mal nächste Woche; am Sonntag wird es kaum brauchbare Antworten dazu geben.

(Archivbild Juli 2015: Verteidigungsministerin von der Leyen beim Besuch des Korvettengeschwaders in Rostock-Warnemünde)