Globale Militarisierung: Aufrüstung in Osteuropa – und keine direkte Verbindung zwischen Waffen und Hunger

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Das Forschungsinstitut Bonn International Center for Conversion (BICC) hat am (heutigen) Donnerstag die aktuelle Ausgabe seines Globalen Militarisierungsindex‘ vorgelegt: In diesem umfangreichen Zahlenwerk stellen die Bonner Wissenschaftler die militärischen Ausgaben eines Landes ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, also zum nationalen Wohlstand – und, als Index für die Lebensqualität, zu den staatlichen Ausgaben für die medizinische Versorgung.

Das gibt recht interessante Ergebnisse, die vermutlich manche nicht unbedingt erwartet hätten. Länder wie die USA mit ihren massiven militärischen Ausgaben kommen mit Platz 31 weiter hinten als wahrscheinlich angenommen (Deutschland liegt auf Rang 100). Die Top 10 der Länder mit dem höchsten Militarisierungsindex sind Israel, Singapur, Armenien, Jordanien, Russland, Südkorea (allerdings gibt es für Nordkorea keine Daten), Zypern, Griechenland, Aserbeidschan und Brunei.

Den Bericht komplett (auf Deutsch) gibt es hier; eine frei sortierbare Tabelle hier und eine Landkarte hier.

Die aktuellen Entwicklungen in Europa haben sich auf die Militarisierung natürlich ausgewirkt:

Während sich Russland (2016: Platz 5) kontinuierlich unter den zehn höchst militarisierten Ländern hält, hat sich der Militarisierungsgrad der Ukraine im Gesamtranking von Platz 23 im Jahr 2015 auf aktuell Platz 15 erhöht. Sowohl dort als auch in den osteuropäischen EU-Ländern Polen, Tschechien und der Slowakei sowie den baltischen Staaten stiegen die Militärausgaben, bei einem gleichzeitigen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP). „Das führt zu durchweg höheren Platzierungen der osteuropäischen Staaten im Militarisierungsranking, da der GMI die Aufwendungen für das Militär in ein Verhältnis zur Gesamtgesellschaft setzt.

erläutert Index-Autor Max Mutschler. In Westeuropa sei dieser Trend noch nicht zu beobachten – allerdings müsse sich zeigen, wie sich der von den NATO-Ländern angestrebte Aufwuchs der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts auswirke.

Und noch ein interessantes Ergebnis, konträr zu den üblichen Erwartungen und Ansichten: Hohe Rüstungsausgaben und eine starke Militarisierung sind nicht zwingend mit Verarmung und Hunger verbunden – mitunter ist sogar das Gegenteil der Fall:

Dass die meisten Staaten, in denen Hunger herrscht, einen relativ niedrigen Militarisierungsgrad haben, verweist darauf, dass eine schwache Militarisierung häufig nicht auf eine friedliche Gesellschaft, sondern vielmehr auf einen schwachen Sicherheitssektor und ein unsicheres Umfeld hindeutet. „Beispiele hierfür sind vor allem ehemalige Bürgerkriegsländer wie Sierra Leone (Platz 146) und Liberia (Platz 149), die zu den Ländern gehören, die unter ‚ernstem‘ oder sogar ‚sehr ernstem‘ Hunger leiden“, unterstreicht Prof. Dr. Conrad Schetter, Forschungsdirektor des BICC und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Welthungerhilfe.
Nichtsdestotrotz befinden sich unter den 20 am stärksten unter Hunger leidenden Ländern auch Staaten mit einem relativ hohen Militarisierungsgrad. Hierzu zählen der Tschad (Platz 68), Namibia (Platz 46), Pakistan (Platz 52) oder Angola (Platz 37), das innerhalb der Länder Subsahara Afrikas der am stärksten militarisierte Staat ist. „Möglicherweise binden dort die starken Investitionen in das Militär Ressourcen, die sonst zur Bekämpfung des Hungers oder für das Gesundheitssystem zur Verfügung stünden“, schlussfolgert Conrad Schetter.

(Archivbild: An UN military weapon specialist inspects destroyed weapons at the UNMIL engineering base in Monrovia on March 20, 2015 during an arm marking and arm destruction training in which Liberia Security forces were trained to use of machines and manage new data software – UNMIL photo/ Emmanuel Tobey)